Hamburg. Finn Ole Becker, Jan-Philipp Kalla und Dimitrios Diamantakos empfahlen sich trotz des 1:2 in Dresden für die nahe und ferne Zukunft.
Individuelle Regeneration am Sonnabend, ein freier Sonntag und Trainingsbeginn an diesem Montag um 14 Uhr – die Spieler des FC St. Pauli hatten nach dem 1:2 am Freitagabend bei Dynamo Dresden viel Zeit bekommen, das Geschehen noch einmal Revue passieren zu lassen und einzuordnen. Letzteres fiel gar nicht so leicht, weil es zwischen dem Ergebnis und der Art des Auftritts eine Diskrepanz gab, die es nüchtern zu reflektieren gilt.
Unkonzentriertes Passspiel
Ganz anders als bei den drei Auswärtsniederlagen zuvor brachte St. Paulis Darbietung in Dresden einige positive Aspekte zutage, die Hoffnung machen für die beiden verbleibenden Saisonspiele sowie vor allem für die kommende Spielzeit. Die von Trainer Jos Luhukay geforderte mutige und offensive und Spielweise wurde bereits über weite Strecken umgesetzt. Dass am Ende allerdings eine 1:2-Niederlage stand, lag nicht in erster Linie am unberechtigten Handelfmeter für Dresden in der ersten Halbzeit, sondern am unkonzentrierten und damit unpräzisen Passspiel in der Angriffszone (Dudziak, Allagui) und einem fatalen Ballverlust (Zehir), der den Dresdnern das Siegtor ermöglichte.
Das Spiel hatte aufseiten des FC St. Pauli auf jeden Fall zumindest drei Akteure hervorgebracht, die sich trotz der Niederlage als Gewinner fühlen dürfen – Mittelfeldspieler Finn Ole Becker, Verteidiger Jan-Philipp Kalla und Stürmer Dimitrios Diamantakos.
Finn Ole Becker gelang mit seinem ersten Startelfeinsatz im dritten Zweitligaspiel ein weiterer Schritt in seiner noch jungen Karriere. Dabei stellte Trainer Jos Luhukay den 18-Jährigen als einzigen „Sechser“, also zentral vor der Abwehrkette auf – also auf einer „Schlüsselposition“, wie es Interims-Sportchef Andreas Rettig formulierte. „Er war wichtig für uns auf dieser Position. Er ist ein echter Fußballer, der, der das Spiel lenken kann.“, lobte Luhukay. „Ich halte sehr viel von ihm. Es war eine Herausforderung, sein Startelfdebüt vor so einer fantastischen Kulisse zu geben. Aber da muss er durch.“
St. Paulis immer noch neuer Trainer hat sich offenbar vorgenommen, St. Paulis Eigengewächs nicht nur mit ein paar Einsätzen zu belohnen, sondern ihn zu einer wichtigen Figur in seinem Spielsystem aufzubauen. „Ich freue mich, ihn zu unterstützen. Finn muss den Rest machen, um seine Entwicklung weiter fortzusetzen. Er hatte Momente, in denen man seine Klasse sieht“, sagte der Trainer weiter. Nicht zufällig leitete Becker mit einem Pass nach vorn, der noch von Ersin Zehir weitergeleitet wurde,
St. Paulis Treffer zum 1:1 durch Diamantakos vor.
„Es gab auch aber kritische Momente, etwa als er in einer Drucksituation den Ball verliert und eine Konter entsteht. Diese Momente werde ich Finn in den nächsten Tagen zeigen. Das gehört auch dazu“, stelle Luhukay klar. Unterdessen lobte Mitspieler Kalla: „Nur drei Wochen nach seinem ersten Einsatz hat er den nächsten Sprung gemacht. Es freut mich, dass es für ihn so steil bergauf geht.“ Zudem hob Kalla hervor, dass sich Becker nach der Gelben Karte, die er sich bei einem taktischen Foul eingehandelt hatte, „zurückgehalten, aber nicht herausgenommen“ hatte. Zuletzt hatte Becker in Heidenheim noch 27 Minuten nach seiner Einwechslung Gelb-Rot gesehen. „Diesmal hat er weiter clever gespielt“, sagte Kalla. Wer Becker in Dresden spielen sah, muss sich fragen, warum er bei Luhukays Vorgänger Markus Kauczinski keinen Einsatz bekommen hatte.
Jan-Philipp Kalla, der zweite Gewinner des Spiels in Dresden, erhielt nach wochenlanger Verletzungspause von Trainer Luhukay das Vertrauen, gleich in der Startelf als rechter Part der Dreier-Abwehrkette zu agieren. „Ich hatte gehört, dass er so eine Allzweckwaffe ist – im positiven Sinne“, sagte Luhukay schmunzelnd. „Er hat heute stark gespielt.“ Tatsächlich hatte St. Paulis dienstältester Profi, der jetzt fast 16 Jahre im Club ist, nach seiner Pause keine Anpassungsprobleme und erledigte seinen Job im insgesamt ungewohnten Spielsystem praktisch fehlerlos. „Ich glaube, dass wir mit diesem System sehr, sehr flexibel sind“, sagte Kalla dazu, stellte mit Hinweis auf seine parallele Trainerausbildung aber auch fest: „Wenn sich die Jungs auf dem Platz ordentlich bewegen, macht Fußball in jedem System Spaß.“
Dimitrios Diamantakos untermauerte in Dresden mit seinem Treffer derweil seine schon früher aufgestellte These: „Wenn ich Einsatz bekomme, schieße ich auch Tore.“ Der Grieche schloss mit jetzt sechs Treffern in der internen Torschützenliste zu den Führenden Henk Veerman und Alexander Meier auf. Dabei benötigte Diamantakos nur 778 Einsatzminuten, um auf die sechs Tore zu kommen. Er ist damit effektiver als Veerman (839 Minuten) und Meier (956 ). Mit seinem Tempo ist der 26-Jährige für das von Luhukay favorisierte, aggressive Anlaufen der gegnerischen Abwehrspieler besser geeignet als etwa Alexander Meier, der seine Qualitäten eher beim Torabschluss im Strafraum hat. In seinen ersten beiden Einsätzen unter Luhukay hat Diamantakos nach seiner vorherigen Verletzungspause jeweils ein Tor erzielt und besitzt damit beste Argumente für den nächsten Startelfeinsatz am Sonntag gegen den VfL Bochum.