Hamburg. Vor dem Stadtderby spricht St. Paulis Torjäger über seine Vergangenheit und Zukunft als Profi – und die Entwicklung am Millerntor.
„Doch, ich war sehr aufgeregt damals“, gibt Alexander Meier zu. Es war die 82. Spielminute, der lange Schlaks mit den kurzen Haaren tänzelte am Spielfeldrand. Für den FC St. Pauli sollte der 19 Jahre alte Jungstürmer gleich ausgerechnet gegen den HSV sein Bundesligadebüt feiern. Im Volksparkstadion vor 54.000 Zuschauern wurde er für Matias Cenci eingewechselt. „Es stand schon 0:4, viel passieren konnte mir eigentlich nicht mehr.“
Das war am 19. April 2002. Vor 17 Jahren. Eine völlig andere Fußballzeit. Insbesondere in Hamburg. Die meisten Mit- und Gegenspieler von damals haben längst den Fußball verlassen, wie Holger Stanislawski. André Trulsen ist heute bei St. Pauli als Co-Trainer ein „Boss“ von Alex Meier. Der Stürmer aber ist immer noch da – oder wieder, wenn wir es auf seinen ersten Profiverein St. Pauli beziehen. Am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) läuft er für die Braun-Weißen nun gegen den HSV auf. Wie ein lebendes Fossil aus dem Bundesliga-Jura.
Erst das zweite Pflichtspiel-Derby für Alex Meier
Tatsächlich aber ist die Partie am Sonntag am Millerntor erst sein zweites Hamburger Pflichtspielderby nach dem Kurzeinsatz von anno dunnemals. St. Pauli stieg danach ab, Meier wechselte 2003 zum HSV und ging ein Jahr später zu Eintracht Frankfurt, wo er in 14 Jahren schließlich in den fußballgöttlichen Status erhoben wurde. Vielleicht rührt aus dieser Distanz zu Hamburger Befindlichkeiten seine Ruhe in Sachen Derby: „Natürlich ist das für die Fans und die Stadt ein besonderes Spiel“, sagt er, „ich gehe aber entspannt in die Woche, und dann geht es am Sonntag los.“
Dass sein einjähriges Engagement beim HSV gescheitert ist – geschenkt. Böse Gedanken? „Ich habe mit niemandem eine offene Rechnung.“ Letztlich steht Alex Meier typisch für viele Talente aus dem Hamburger Umfeld, die sich aus diversen Gründen nicht beim HSV durchsetzen konnten, sondern erst in der Fremde aufgeblüht sind ...
Beim HSV war es "trotzdem keine schlechte Zeit"
„Sergej Barbarez hat mir damals imponiert“, sagt Meier. Ein Klassestürmer, 30 Jahre alt. Er aber hing vor allem mit den anderen Jungen ab wie Björn Schlicke, Raphael Wicky oder Torwart Stefan Wächter. Da waren aber auch Spieler im Kader wie Bernardo Romeo, der Japaner Naohiro Takahara, der den Vermarktungsweg nach Asien öffnen sollte, Mehdi Mahdavikia oder der aus Berlin verpflichtete Stefan Beinlich. Schwer, sich durchzusetzen. „Ich hatte leider auch viele Verletzungen“, erinnert sich Meier, „es war trotzdem keine schlechte Zeit.“
Für einen, der bei St. Pauli gewohnt war, nach den Spielen durch die Vereinskneipe vorbei an Wirtin Brigitte und bierseligen Fans runter in die Umkleide zu müssen, war die Glamourwelt in Bahrenfeld natürlich auch ein Unterschied. Und ist es irgendwie immer noch. „Bei St. Pauli ist alles etwas kleiner und familiärer“, sagt Meier, „und solange du alles gibst, stehen die Fans bedingungslos hinter dir.“ Die Entwicklung des Clubs in den vergangenen Jahren aber imponiert ihm auch: „Wenn ich das Stadion heute sehe. Und im Trainingszentrum an der Kollau ist alles da. Kraftraum, Kunstrasenplatz. Das ist schon super“, sagt Meier. Aber: „Der Rasen im alten Millerntor war besser.“
Meiers komische Gefühle als "Fußball-Gott"
Jetzt also das neue Millerntor. Als im Winter die Anfrage von St. Paulis Sportchef Uwe Stöver kam, musste Meier nicht lange überlegen: „Ich hatte auch andere Anfragen, aber ich wollte nur machen, wozu ich Lust habe.“ Bis zum Sommer steht Meier unter Vertrag. Und dann? „Das ist für mich noch gar kein Thema“, sagt er. Erst einmal schauen, wie der Körper so mitmacht. Bisher geht alles gut, 90 Minuten Spielzeit hält er durch. Am nächsten Tag zwickt es etwas, aber grundsätzlich hat ihm die lange Auszeit seit dem Sommer wenig ausgemacht. „Wir werden irgendwann einmal sehen, wie es weitergeht“, kündigt er an, „solange es aber Spaß macht und ich gesund bin, würde ich gerne weiterspielen.“
Zumal es auch im fortgeschrittenen Fußballalter noch Neues zu erleben ist. Wie am Sonntag das Derby gegen den HSV am Millerntor zum Beispiel. Wenn die St.-Pauli-Anhänger unter den knapp 30.000 bei der Aufstellung wieder lauthals „Fußball-Gott“ nach seinem Namen rufen. „Das“, sagt Alex Meier, „fühlt sich für mich immer noch etwas komisch an.“
Meier als Matchwinner in Paderborn:
St. Pauli siegt dank Meier im Verfolgerduell bei Paderborn