Hamburg. Richard Neudecker möchte sich nach diversen Verletzungen beim FC St. Pauli in die Startelf zurückkämpfen.

Natürlich ist die Erinnerung noch sehr präsent. An den Jubel und an den Schmerz. Es tat ja schon beim Zusehen weh, Ekstase und Schock mischten sich auch auf den Tribünen. Mit Vollkaracho war Richard Neudecker in den etwas zu steilen Querpass von Henk Veerman gerutscht und hatte das Leder zum 2:1-Siegtreffer des FC St. Pauli gegen den SC Paderborn über die Linie gedrückt. Dann machte es rumms! Der 22-Jährige krachte gegen den Pfosten. „Ich habe gedacht, das wird schmerzhaft“, erinnert sich Neudecker, „aber ich wollte unbedingt das Tor machen.“

Nun steht also das Rückspiel bei den Ostwestfalen am Sonnabend (13 Uhr) an. Neudecker ist wieder dabei, also fit. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn das Tor gegen Paderborn im Hinspiel Ende September war in gewisser Weise symptomatisch für die Laufbahn des 22 Jahre alten Bayern beim Millerntor-Club: Auf ein Hochgefühl und Erfolgserlebnis folgt ein schmerzvoller Rückschlag. „Ja, tatsächlich. Ich denke, ich hatte hier wirklich viele Höhen und Tiefen“, sagt er.

Vier längere und schwerere Verletzungen stehen seit seiner Ankunft in Hamburg im Sommer 2016 in der Statistik. Im Abstiegskampf im Frühjahr 2017 war der technisch beschlagene Mittelfeldspieler von Trainer Ewald Lienen zudem aussortiert und in die zweite Mannschaft geschickt worden. „Ich bin schnell nach oben geflogen und auch schnell wieder gefallen“, sagt er, „aber ich konnte mich immer wieder zurückkämpfen.“

Abwarten und gesund werden

Da ist er nun auch gerade wieder dabei. Am vergangenen Sonnabend beim 1:0 gegen Ingolstadt saß er erstmals wieder auf der Ersatzbank. Am 26. November hatte Neudecker in Regensburg einen Bänderriss im Sprunggelenk erlitten, der ihn noch in der Wintervorbereitung behinderte. „Ich bin fit und kann spielen“, sagt Neudecker, „ich rechne aber damit, dass ich von der Bank komme.“ Vorbereitet ist er jedenfalls: Nach dem Mannschaftstraining am Dienstag schob er noch eine Extraschicht Torschüsse. Als 20 Jahre altes Talent war Neudecker von 1860 München zum FC St. Pauli gekommen. Schon mit 19 Jahren hatte er für die „Löwen“ sein Profidebüt gefeiert und war dabei aufgefallen. Aber dann – typisch Neudecker – ereilte ihn eine Schambeinverletzung. Das ist eine der fiesesten Blessuren, die so ein Fußballerleben behindern kann.

Der FC St. Pauli holte den Rekonvaleszenten trotzdem. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt er, „mein erstes Ziel war, gesund zu werden, ich hatte damals aber schon Zweifel.“ Vorbei, vergessen. Mittlerweile interessieren sich auch andere Vereine für den immer noch jungen Außenbahnspieler, der aber auch zentral agieren kann. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, das schafft Begehrlichkeiten. Vom 1. FC Köln ist schon länger die Rede, Stuttgart, Eindhoven und wer weiß, wer noch. „Kommt alles in den großen Ordner“, sagt er, „ich mache mir da keinen Druck.“

Abwarten, gesund werden, sportliche Entwicklung in Hamburg checken. Die des Clubs und seine eigene. Natürlich hat auch St. Paulis Sportchef Uwe Stöver schon sein Interesse an einer Vertragsverlängerung hinterlegt. „Wir sind in guten Gesprächen, und ich habe schon oft gesagt, dass ich mich hier sehr wohl fühle“, sagt Neudecker, der zudem ein persönliches Ziel bei St. Pauli hat: „Ich habe es noch nicht geschafft, unumstrittener Stammspieler zu werden.“ Dafür tut er alles – auch wenn es manchmal sehr wehtut.