Hamburg. Innerhalb eines Jahres hat der FC St. Pauli 20 Prozent seines Fanartikelsortiments auf Fairtrade umgestellt.

Bernd von Geldern ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Fast im Minutentakt piept das E-Mail-Postfach, als der Geschäftsführer der Merchandising GmbH des FC St. Pauli das Abendblatt in seinem Büro im Millerntor-Stadion begrüßt. „Es geht in die Weihnachtszeit. Da kann ich mich über zu wenig Arbeit nicht beschweren. Aber es bringt Spaß, und das Geschäft mit Fanartikeln läuft gut“, sagt von Geldern.

Die Souvenirs mit dem Totenkopfmotiv sind nach wie vor der Renner beim Kiezclub. Erst recht, seit der Verein vor einem Jahr damit begonnen hat, sein Sortiment auf Fairtrade umzustellen. So gibt es inzwischen eine Regenbogenmütze, die aus 2,3 bis 2,5 recycelten PET-Flaschen besteht.

Jedes neu eingeführte Produkt wird nachhaltig hergestellt. So wie zuletzt das Anti-Fa-Duschgel, das ein naturkosmetisches und veganes Produkt ist. „Wir haben mittlerweile rund 20 Prozent unserer Produkte umgestellt. Dass wir das innerhalb eines Jahres durch das große Engagement unserer haupt- und ehrenamtlichen Mitglieder der AG Nachhaltigkeit bewerkstelligt haben, macht mich sehr froh“, erklärt von Geldern.

T-Shirts mit dem Totenkopfdruck auf Fair­trade umgestellt

Mittlerweile sind alle T-Shirts mit dem Totenkopfdruck, die bei den Fans weltweit Kultstatus haben, auf Fair­trade umgestellt. Bis Winter 2019 soll der Kapuzenpullover folgen. Beide Kleidungsstücke machen 35 Prozent des Gesamtumsatzes bei Fanartikeln aus. Die Umstellung ist ein aufwendiger Prozess. Die Beschaffung der Rohstoffe dauert länger, immer wieder müssen Musterexemplare erstellt werden, um dem eigenen Qualitätsanspruch gerecht zu werden. Auch der Zertifizierungsvorgang braucht Zeit. „Das geht nicht von heute auf morgen. Unsere T-Shirts werden ökologisch, aber auch ökonomisch nach den höchsten verfügbaren Zertifikaten hergestellt“, erklärt von Geldern. „Das bedeutet: Organic Cotton. Von der Kolchose, die die Saat ausbringt, bis zum fertigen Produkt“, sagt der 52-Jährige.

Im Mai dieses Jahres machte sich von Geldern selbst ein Bild von der Herstellung seiner Produkte. In Tirupur, einer 900.000-Einwohnerstadt im Südosten Indiens, schaute der Textilexperte hinter die Kulissen der Produktionsstätte. Was er zu sehen bekam, gefiel ihm. Die Zeiten, dass dort Chemikalien in die Flüsse gekippt wurden, sind vorbei, die Infrastruktur genügt höchsten Ansprüchen. St. Pauli setzt sich dafür ein, dass die Arbeiter dort nicht den von der UN vorgeschriebenen Mindestlohn, sondern eine existenzsichernde Entlohnung bekommen. Zudem achtet St. Pauli penibel darauf, dass in der Fabrik keine Kinderarbeit betrieben wird. „Das ist ein Vorzeigeunternehmen. Die haben einen riesigen Sprung in der Entwicklung gemacht, auch was die Wasserrückgewinnung betrifft. Da ist Indien fast führend. Deshalb produzieren wir dort seit einem Jahr“, erklärt der gebürtige Bremerhavener.

FC St. Pauli hält an der Produktion in der Türkei fest

Zuvor hatte St. Pauli ausschließlich in der Türkei produziert. Noch immer wird ein Teil der Fanartikel, die keinen langen Vorlauf benötigen, in einer Fa­brik in einem Vorort von Istanbul hergestellt. Perspektivisch soll auch dort auf die nachhaltigen Produktionsstandards Global Organic Textile Standard (GOTS) und Fairtrade umgestellt werden. „Wir beobachten den Produktionsstandort Türkei mit wachen Augen, aber es ist auch unsere Aufgabe, dass wir Lieferanten, die wir seit zehn Jahren haben, nicht plötzlich fallen lassen, weil dort ein antidemokratischer Despot deutsche Journalisten verhaften lässt“, sagt von Geldern, der plant, in Kürze in die Türkei zu fliegen, um sich dort ein Bild von den Bedingungen zu machen. „Die Produzenten, die wir kennen, sind keine Regimebefürworter, sondern Leute, die sich kritisch damit auseinandersetzen und uns sagen: Kommt häufiger her. Wollt ihr nicht einen Laden in Istanbul eröffnen oder etwas mit Besiktas machen?“, erklärt der Fanartikelexperte.

Ein Laden in Istanbul ist kein Thema. Gerade in schwierigen politischen Zeiten will man den Standort Türkei aber nicht aufgeben. „Unsere nächsten Schritte sind, dort die Textilien auf GOTS und Fairtrade umzustellen. Wenn uns das gelingt, werden 50 Prozent unseres Portfolios nach höchstem Standard hergestellt“, so von Geldern.

Pro Jahr lässt sich St. Pauli all das rund 50.000 Euro kosten. Derzeit prüft der Verein, ob für die weitere Umsetzung der Nachhaltigkeit neue Mitarbeiter für den Einkauf eingestellt werden müssen. „Es ist ein Geschäftsmodell und nicht durch und durch ein Sozialprojekt. Wir wollen auch, dass die Produkte gekauft werden“, erklärt von Geldern: „Die Käufer müssen Fairtrade nachvollziehen können. Wenn wir mit einem T-Shirt von 19,99 Euro auf 99,99 Euro gehen, dann sagt jeder: Seid ihr bescheuert? Uns sind Transparenz und Preisstabilität wichtig.“