Hamburg. Das Team von Coach Markus Kauczinski bezwingt den lange überlegenen SC Paderborn mit 2:1. Siegtreffer durch den Joker.
„Auswärtssieg, Auswärtssieg!“ riefen die Anhänger des FC St. Pauli, als die Spieler nach dem glücklichen und in letzter Spielminute sichergestellten 2:1 (1:1)-Sieg gegen den SC Paderborn ihre Ehrenrunde im Millerntor-Stadion drehten. Es war die akustische Einstimmung auf das Stadtderby am Sonntag beim HSV. Von den Fans auf der Südtribüne bekamen sie am Ende noch Schals überreicht, auf denen stand: „Hamburg sind wir.“
Bei aller Euphorie, jetzt mit zwei Siegen im Gepäck ins das Derby im Volksparkstadion gehen zu können, hatten die meisten St. Paulianer aber immer noch einen Blick für die Realität. „Ich will jetzt noch nicht von einer Wende zum Guten reden. Wir haben zwar die beiden letzten Spiele kurz vor Schluss gewonnen. Das ist auch eine Qualität, aber wir haben die Gegner nicht gerade hergespielt. Es ist aber auch nicht selbstverständlich, ein Spiel gegen ein gutes Team wie Paderborn noch zu drehen“, sagte etwa Torwart Robin Himmelmann, der sein Team mit einigen starken Paraden vor mehr als nur einem Gegentor bewahrt hatte.
Glücklicher Sieg
Auch St. Paulis Trainer Markus Kauczinski räumte nach dem Spiel ganz offen ein: „Heute hat nicht das bessere Team gewonnen. Aber das haben wir auch schon gegen uns erlebt.“ Am Ende hatte Kauczinski aber wie zuletzt beim 1:0 in Ingolstadt wieder ein glückliches Händchen mit seinen Auswechslungen bewiesen. Das Siegtor in der zweiten Minute der Nachspielzeit erzielte der eingewechselte Richard Neudecker nach einem verunglückten Torschuss des eingewechselten Henk Veerman, der wiederum ein Zuspiel des ebenfalls eingewechselten Ersin Zehir erhalten hatte.
Neudecker konnte den Ball bei seinem Siegtreffer nur noch mit einem Vollsprint erreichen, rutsche danach mit voller Wucht gegen den Torpfosten und blieb zunächst verletzt am Boden liegen. Mit dem Oberschenkel war er an den Pfosten geknallt. „Es war ein genussvoller Schmerz. Aber wenn das Adrenalin weg ist, wird es wohl ein bisschen weh tun“, ahnte er.
Zweiter Startelfeinsatz des Griechen
Trainer Kauczinski hatte überraschend Dimitrios Diamantakos anstelle von Henk Veerman als Mittelstürmer aufgeboten. Es war in dieser Saison erst der zweite Startelfeinsatz des Griechen, der zuletzt beim 1:0-Sieg in Ingolstadt noch wegen einer Erkältung nicht im Kader gestanden hatte. Ansonsten vertraute der Coach auf die Formation, die am vergangenen Freitag die Negativserie von vier Pflichtspielniederlagen in Folge beendet hatte.
Diamantakos fand sich allerdings kurz nach den Anpfiff an der Seitenlinie wieder, weil er nach einem unabsichtlichen Schlag eines Gegners aus der Nase blutete und behandelt werden musste. Dies allerdings sollte ihn nicht daran hindern, einen Treffer zu erzielen.
Lethargischer Beginn
Bis es aber so weit war, mussten die Anhänger des FC St. Pauli mehr als eine halbe Stunde lang schwere Qualen ertragen. Das Team vom Millerntor war von Beginn an überhaupt nicht im Spiel, wirkte lethargisch, war gedanklich viel zu langsam und zweikampfschwach gegen die robusten und flinken Paderborner, die sichtlich Freude daran hatten, das klar spielbestimmende Team zu sein. Sowohl offensiv wie auch in der Abwehr schienen die Ostwestfalen praktisch in jeder Szene in Überzahl zu sein, gewannen alle knappen Zweikämpfe und zeigten zudem das wesentlich genauere Passspiel.
So war es nur logisch, dass sich die Paderborner schon in der zehnten Minute auch die erste hochkarätige Torchance erarbeiteten. Den Schuss von Bernard Tekpetey blockte St. Paulis Innenverteidiger Philipp Ziereis genau auf Babacar Gueye ab, der aus nur acht Metern an Torwart Robin Himmelmann scheiterte. Auch bei einem gefährlichen Flachschuss von Tekpetey (22.) war St. Paulis Keeper zur Stelle.
Als danach zunächst Christopher Buchtmann (26.), und dann auch noch Diamantakos und Johannes Flum (jeweils 31.), der aus kurzer Distanz ans Außennetz schoss, St. Paulis erste Torchancen hatten, schien das Heimteam besser ins Spiel zu kommen. Doch genau in diese Phase nutzte Paderborn einen gewonnenen Zweikampf im Mittelfeld, und Stürmer Ben Zolinski verwertete das perfekte Zuspiel von Mohamed Dräger zur 1:0-Führung (32.). Es war eine zu diesem Zeitpunkt hochverdiente Führung des Aufsteigers.
Schon fünf Minuten später aber hatte Diamantakos seinen besten Moment. Mittelfeldspieler Johannes Flum ahnte den Laufweg des St.-Pauli-Stürmers und setzte ihn ideal mit einem Steckpass in Szene. Überlegt setzte Diamantakos den Ball durch die Beine von Paderborns Torwart Leopold Zingerle zum 1:1 (37.) ins Tor. Fazit der ersten Halbzeit: Das beste war aus St.-Pauli-Sicht das Ergebnis. „Auf dieses Tor musste ich lange warten. Mein Treffer ist schön, aber der Sieg ist noch viel wichtiger. Jetzt gehen wir voller Selbstvertrauen ins Derby“, sagte der Grieche.
„Ab sofort ist das Derby in unseren Köpfen“
Die Annahme, St. Pauli sei durch das eigene Erfolgserlebnis kurz vor der Pause zu mehr Selbstvertrauen und Sicherheit gekommen, sah sich getäuscht. Paderborn übernahm wieder das Kommando, konnte diese Überlegenheit aber letztlich nicht in Tore ummünzen. Das lag auch daran, dass Himmelmann ganz stark den Schuss aus kurzer Distanz von Jamilu Collins zur Ecke lenken konnte.
„Ab sofort ist das Derby in unseren Köpfen“, gab Trainer Kauczinski direkt nach dem Spiel die Parole aus, nachdem er bislang Wert darauf gelegt hatte, sich nur auf das Paderborn-Spiel zu fokussieren. „Das wird für uns das Spiel des Jahres 2018“, verriet auch Robin Himmelmann einen Einblick in sein aktuelles Seelenleben. „Jetzt ist Countdown angesagt“, stimmte ihm Christopher Buchtmann zu.