Portland/Hamburg. Während der USA-Reise formuliert Präsident Oke Göttlich erstmals deutlich ambitionierte Saisonziele für den Kiezclub.

Die Spieler des FC St. Pauli waren sichtlich begeistert, als sie nach einem vierstündigen Flug und einer eindrucksvollen Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt von Portland im US-Bundesstaat Oregon vor dem Dossier Hotel aus dem Bus stiegen. Es bot sich ihnen ein krasser Gegensatz zur Großstadt Detroit im Südosten des US-Bundesstaates Michigan.


Die neue, letzte Unterkunft auf der USA-Reise liegt mitten in der Stadt, kleine Geschäfte und Restaurants prägen die Szenerie. Eine lang gezogene Grünanlage entlang dem nahe gelegenen Willamette River macht Lust auf Natur. Da traf es sich bestens, dass das Team nach dem gemeinsamen Mittagessen im Hotel den Rest des Tages zur freien Verfügung hatte. Das Wetter spielte auch noch mit: 23 Grad Celsius und Sonnenschein. Bei diesen äußeren Bedingungen war es auch leichter zu verkraften, dass der Standortwechsel von Detroit nach Portland nicht nur einen vierstündigen Flug, sondern noch einmal eine Zeitverschiebung von drei Stunden mit sich brachte. Als am Abend die Sonne in Portland unterging, schien sie in der Heimat schon wieder.

Podiumsdiskussion um die Zukunft des Fußballs

Am Tag zuvor hatten rund 100 Anhänger beider Clubs sehr aufmerksam eine Podiumsdiskussion im Motor City Casino Hotel verfolgt. Es ging dabei unter dem Titel „Detroit City und St. Pauli – eine andere Art von Fußball“ um Zukunftsfragen dieses Sports und speziell darum, wie sich mitgliedergeführte Vereine, wie es der FC St. Pauli und auch der befreundete Detroit City FC sind und bleiben wollen, in einem Umfeld von internationalen Investoren behaupten können.

Auf der Bühne ergänzten sich dabei als Vertreter des Hamburger Clubs Präsident Oke Göttlich und der Technische Direktor Ewald Lienen. Göttlich gab den argumentativen und ideologischen Part, Lienen bediente mit seinen Aussagen mehr die emotionale Seite, die untrennbar zum Sport als solchem gehört.

„Die Leute wollen eine Heimat haben“, sagte Lienen, und genau das könne angesichts eines ansonsten immer größeren Defizits an sozialem Leben überall in der Welt ein Verein bieten, der sich in seinem lokalen Umfeld mit den Problemen der dort lebenden Menschen befasse. „Ohne eine solche Gemeinschaft geht gar nichts“, pflichtete Oke Göttlich bei. „Der Fußball muss ein Volkssport bleiben, ein Sport für alle unterschiedlichen Gruppen und Einkommensverhältnisse.“

Kommerzialisierung im Club

St. Paulis Präsident machte aber auch unmissverständlich deutlich, dass soziales und politisches Engagement nicht die einzigen Ziele und Inhalte der aktuellen Vereinsführung seien. „Wir sind ein Proficlub, ein kommerzieller Club, wir wollen Geld verdienen, um Erfolg zu haben und unsere Werte zu teilen und zu verbreiten“, sagte er.

Bislang war dem FC St. Pauli von Kritikern oft vorgehalten worden, nach außen die Kommerzialisierung anzuprangern, diese aber selbst ebenso zu betreiben. Insofern ist es sicher hilfreich, dass der Präsident sich nun vielleicht so klar wie noch nie zuvor öffentlich zu diesem Thema geäußert und zur Kommerzialisierung bekannt hat. Und doch bedarf es in diesem Punkt einer Differenzierung. Es geht nicht um Kommerz oder keinen Kommerz, sondern um das Wie. „Es ist bei uns immer in der Diskussion, wie wir Geld generieren und wie das mit unseren Werten zusammenpasst. Wir versuchen nicht nur Geld von Sponsoren zu nehmen und ihnen dafür Werbeplatz auf der Bande zu geben. Wir suchen vielmehr lange Partnerschaften mit Unternehmen, die den Club auch verstehen“, führte Oke Göttlich weiter aus.

Dieses Konzept war auch als Ratschlag an den Detroit City FC zu verstehen, der noch in der vierthöchsten US-Liga spielt, aber auch noch höhere Ziele verfolgt, ohne sich in die Hände eines einzelnen Besitzers zu geben. Zu den sportlichen Ambitionen seines Vereins gab Oke Göttlich später ein in dieser Form noch nicht gehörtes Statement ab: „Es ist kein Ziel für uns, zum ersten Drittel der Zweiten Liga zu gehören, sondern wir müssen dort sein.“ Dieses Muss hat das Team in den vergangenen vier Jahren dreimal verpasst, zuletzt als am Ende noch glücklicher Zwölfter sogar deutlich.

Unter die ersten sechs Teams

Hatten sich die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren regelmäßig darum gedrückt, ein klares Saisonziel zu benennen, weiß ab sofort jeder, dass sich St. Pauli selbst nicht mehr nur das Ziel gesetzt, sondern sogar die Verpflichtung auferlegt hat, unter die ersten sechs Teams der Zweiten Liga zu kommen. Das entspricht auch dem für den Ligabereich eingesetzten Etat.

Das Ganze darf getrost als Kehrtwende betrachtet werden. War als Grund für manch enttäuschendes Spiel und Abschneiden in der Liga gelegentlich auch ausgemacht worden, dass die Vereinsführung die sportliche Ambition nicht offensiv nach außen kommuniziert hatte, so fällt dieses Argument nun künftig weg. Es wird sich dennoch erst zeigen müssen, ob die Spieler in der neuen Saison so viel zielstrebiger und konsequenter zu Werke gehen werden, da sie jetzt wissen, welcher Tabellenplatz von ihnen mindestens erwartet wird. Sogar über einen Bundesliga-Aufstieg sprach Oke Göttlich in ungewohnter Offenheit: „Wir wollen in die Bundesliga aufsteigen, aber wir sagen nicht, dass das in den nächsten Jahren passieren wird. Aber ich glaube daran, dass es irgendwann passieren wird.“

Ewald Lienen sagte dazu: „Der FC Augsburg und Mainz 05 sind Bundesligaclubs, mit denen wir uns messen können. Sie haben eine Struktur, Zuschauerzahlen und Sponsoren, die vergleichbar mit uns sind. Wir haben Fans in der ganzen Welt und die Chance, etwas zu erreichen.“ Wichtig sei aber auch, nicht immer nur Spieler zu kaufen, sondern die vorhandenen weiterzuentwickeln.

Der FC St. Pauli steht nach Informationen der „Mittelbayerischen Zeitung“ vor der Verpflichtung von Innenverteidiger Marvin Knoll (27) von Jahn Regensburg. Mit dem Spieler gebe es bereits eine Einigung, die Ablösesumme muss aber noch mit Regensburg verhandelt werden.