Hamburg. Beim 3:0-Sieg gegen Fürth zeigte der FC St. Pauli Leidenschaft und Zusammenhalt. Saison-Aus für Buchtmann.

So richtig rund lief Uwe Stöver auch am Sonntagvormittag nicht über die Trainingsanlage an der Kollaustraße. Der Sportdirektor des FC St. Pauli hatte am Sonnabend derart leidenschaftlich über das zwischenzeitliche 2:0 gegen Greuther Fürth gejubelt, dass die Adduktoren in Mitleidenschaft gezogen worden waren. „Ich bin aber auch wirklich hoch gesprungen. So etwas kann man eigentlich nur machen, wenn man gut trainiert ist“, scherzte der 51-Jährige, der prompt von Trainer Markus Kauczinski in Anlehnung an Basketball-Superstar Michael Jordan den Spitznamen „Air Stöver“ verpasst bekam.

Zumindest für 90 Minuten hatte der FC St. Pauli mal wieder einen sportlichen Mini-Höhenflug. Die Kiezkicker zeigten gegen die an diesem Nachmittag nicht zweitligatauglichen Franken endlich das, was im Abstiegskampf eigentlich selbstverständlich sein sollte: Leidenschaft, Wille und Emotionen. Der gern zitierte Funke sprang zwischen Publikum und Mannschaft ab der ersten Minute hin und her. Jeder Zweikampf wurde lautstark gefeiert.

Motivationsvideos zum Dessert

Die Fans honorierten lautstark, dass die Kiezkicker offenbar gerade noch rechtzeitig verstanden haben, wie Abstiegskampf in der Zweiten Liga funktioniert. Der überragende Dimitrios Diamantakos (7. Minute), Johannes Flum (39.) und Richard Neudecker (61.) krönten mit ihren Treffern beim 3:0-Sieg eine Willensleistung, die man in der Form lange nicht am Millerntor gesehen hatte. „Es war ein Sieg des Willens und der vollen Überzeugung. Wir konnten den Fans etwas zurückgeben und uns selbst endlich mal belohnen. In der letzten Wochen haben wir darüber gesprochen, dass wir über die Emotionalität kommen müssen“, erklärte Torhüter Robin Himmelmann.

Dafür griffen die sportlichen Verantwortlichen in die psychologische Trickkiste. Nach der Einführung der Sechs-Tage-Woche mit gemeinsamem Frühstück und Mittagessen folgten Motivationsvideos zum Dessert. 40 Mitarbeiter der Geschäftsstelle statteten den Profis einen Überraschungsbesuch ab, in den Katakomben hingen Fan-Briefe mit Motivationsbotschaften und die St.-Pauli-Führung zeigte sich besonders kreativ, und legte im Spielerhotel jedem Spieler einen kleinen Brief aufs Bett.

Auch am Spieltag stand alles unter dem Motto Zusammenhalt. Beim Warmmachen standen auch die verletzten und gesperrten Profis auf dem Platz, klatschten die Spieler ab und nahmen anschließend während der 90 Minuten nicht wie gewohnt auf der Tribüne, sondern direkt neben der Ersatzbank platz. „Wir haben uns zurückgezogen, eingeschworen und viel Zeit miteinander verbracht. Der Zusammenhalt war von der ersten Minute an zu sehen“, sagte Kapitän Bernd Nehrig.

Kauczinski tritt auf die Euphoriebremse

Bestes Beispiel: Bei den ersten beiden Treffern feierten die Spieler mit allen Ersatzspielern, Betreuern, Trainern und Sportchef Stöver auf dem Platz. „Es war auch ein Zeichen nach außen. Wir haben in den letzten Wochen völlig zurecht Kritik einstecken müssen und wollten beweisen, dass wir uns für St. Pauli reinhauen und ein Team sind“, erklärte Abwehrspieler Philipp Ziereis. Was bleibt, ist die Frage: Warum erst jetzt? Die Antwort selbst konnte bei St. Pauli niemand geben. Der Blick geht ohnehin nur nach vorne. „Nach dem Aufstehen habe ich gleich an Arminia Bielefeld gedacht“, offenbarte Trainer Kauczinski, der kräftig auf die Euphoriebremse trat.

Der 48-Jährige wusste, dass der überzeugende Auftritt gegen einen erschreckend schwachen Gegner nur der Anfang sein konnte. „Ich fühle mich nicht befreit. Für die Spieler und Fans habe ich mich sehr gefreut. Wir haben noch nichts geschafft, dürfen uns jetzt nicht einlullen und dafür feiern lassen“, mahnte Kauczinski, dessen Co-Trainer Markus Gellhaus am Sonntag sämtliche Restprogramme der Abstiegskonkurrenten in der Kabine aufgeschrieben hat. „Alles ist noch enger zusammengerückt. Wir haben alles in der eigenen Hand und lassen uns nicht auf Rechenspiele ein“, so der Übungsleiter, wohlwissend, dass die Tabellenkonstellation nach wie vor brandgefährlich ist. Zwei Spieltage vor dem Saisonende hat St. Pauli zwei Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 (Fürth) und rangiert drei Punkte vor Rang 17 (Darmstadt).

Nach 13. Minuten war für Miyaichi Schluss

Bei der Mission Klassenerhalt wird Christopher Buchtmann nicht mehr helfen können. Der Mittelfeldspieler, der sich gerade erst von einer Schambeinentzündung erholt hatte, zog sich einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich zu. „Wir gehen davon aus, dass er vier bis fünf Wochen ausfällt und somit in dieser Saison nicht mehr zur Verfügung steht“, sagte Kauczinski.

Noch schlimmer hat es St. Paulis Pechvogel Ryo Miyaichi erwischt. Der Japaner, der am Sonnabend bei der U-23-Mannschaft erstmals nach seinem im Juni 2017 erlittenen Kreuzbandriss wieder ein Pflichtspiel absolvierte, verletzte sich erneut am Knie. Nach 13. Minuten war für Miyaichi Schluss. Am Sonntag humpelte er auf Krücken aus dem Trainingstrakt der Kollaustraße. „Erst nach dem MRT am Montag können wir sagen, ob das Kreuzband wieder betroffen ist“, erklärte Kauczinski.