Hamburg/Regensburg. Erfolgloser Trainer darf weitermachen und trifft Maßnahmen. Eine macht die Kiezkicker zu Frühaufstehern, eine verbietet den Mund.

Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, und wenn es scheinbar nur Nebensächlichkeiten sind. Am Sonntagvormittag musste im Presseraum des FC St. Pauli im Trainingszentrum in Niendorf kurzerhand noch ein weiterer Stuhl an den Tisch vor der Sponsorenwand gestellt werden. Denn diesmal, rund 19,5 Stunden nach der 1:3-Niederlage beim SSV Jahn Regensburg, sah St. Paulis Sportchef Uwe Stöver die Notwendigkeit, sich bei der turnusmäßigen Gesprächsrunde mit dem Trainer am Tag nach einem Spiel demonstrativ neben Markus Kauczinski zu setzen. Bisher verfolgte Stöver das Geschehen bei diesen Runden immer betont im Hintergrund.

Nach sieben sieglosen Spielen in Folge, darunter zuletzt drei Nieder­lagen, aber gab es Redebedarf auch für den Sportchef. Der Inhalt fiel jedoch anders aus, als es viele Beobachter und Anhänger des Millerntor-Clubs, erwartet hatten. „Der Trainer ist nicht Gegenstand der Diskussionen. Der Trainer ist und bleibt Markus Kau­czinski. Damit ist auch schon alles gesagt“, sagte Stöver mit Inbrunst. „Wir sind von seiner Arbeit überzeugt, wollen diesen Weg gemeinsam gehen und werden alles dafür tun, dass wir in dieser Zeit erfolgreich sind“, begründete Stöver den bemerkenswerten Treueschwur nach der sportlichen Talfahrt der vergangenen Wochen.

Stanislawski begrüßt St. Paulis Entscheidung

Mit dem „Wir“ meinte Stöver offenbar die gesamte Vereinsführung, also gerade auch das ehrenamtlich tätige Präsidium. „Ich habe nicht mit dem Präsidium zusammengesessen. Aber wir sind uns einig. Natürlich haben wir uns ausgetauscht“, stellte Stöver klar, der zudem berichtete, dass er vor dem Training am Sonntag zu den Spielern gesprochen habe. Auch Andreas Rettig, der kaufmännische Geschäftsführer des FC St. Pauli, war am Sonntagmorgen im Trainingszentrum anwesend. Dies war ebenfalls ein höchst ungewöhnlicher Vorgang.

Dass St. Pauli an Kauczinski festhält, stößt bei Holger Stanislawski auf Gegenliebe. Einen Trainerwechsel hielte er für "absolut sinnlos", sagte der ehemalige St. Pauli-Spieler und -Trainer am Montag bei einer Veranstaltung von ARD und ZDF. "Drei Tage vor Schluss noch mal die Reißleine zu ziehen, glaube ich, ist nicht der richtige Weg“, sagte der 48-Jährige. Nun sei es wichtig, keine Disskussion aufkommen zu lassen und die Saison mit Kauczinski zu beenden. Stanislawski arbeitet als ZDF-Experte, unter anderen auch bei der WM.

Kauczinski selbst spricht von "Tiefpunkt"

Kauczinskis Vorgänger Olaf Janßen hatte Anfang Dezember vergangenen Jahres seinen Posten nach ebenfalls sieben sieglosen Spielen in Folge räumen müssen. Am Ende hatte das Team beim 0:4 in Fürth und dem 0:5 in Bielefeld ähnliche Auflösungserscheinungen gezeigt wie sie jetzt bei der Niederlage in Regensburg zu beobachten waren. Hier fiel das Ergebnis zwar mit dem 1:3 nicht so hoch aus, doch die schweren Fehler, die zu den Gegentreffern führten, und vor allem die Platzverweise gegen Sami Allagui und Cenk Sahin ließen Erinnerungen an die hohen Pleiten im Spätherbst wach werden. Kauczinski bezeichnete daher das Spiel in Regensburg als „Tiefpunkt“ seiner bisherigen Amtszeit bei St. Pauli.

Der Spielplan will es, dass St. Pauli jetzt vor Heimspielen gegen exakt die beiden Teams steht, gegen die es die genannten, hohen Niederlagen setzte. Ausgerechnet jetzt soll und muss die Wende gelingen. Sonst drohen nicht nur die Relegationsspiele gegen den Drittplatzierten der Dritten Liga, sondern sogar der direkte Abstieg. Der Tabellen-17. Darmstadt ist durch sein 1:1 in Sandhausen bis auf drei Punkte an St. Pauli herangerückt und besitzt die deutlich bessere Tordifferenz.

Trainingslager und Maulkorb für die Spieler

Um dieses Szenario zu vermeiden, soll jetzt ein „Trainingslager light“ die Sinne der Spieler schärfen. Der trainingsfreie Montag wurde zwar nicht etwa gestrichen, aber von Dienstag an wird sich das Team morgens bereits um 8.30 Uhr im heimischen Trainingszentrum treffen und zunächst gemeinsam frühstücken, ehe es zu durchweg geheimen Trainingseinheiten auf den Platz geht. Erst nach einem gemeinsamen Mittagessen wird gegen 14.30 Uhr Feierabend sein. Zudem erhielten die Spieler einen Maulkorb.

„Wir wollen uns so absolut auf das Spiel gegen Fürth fokussieren“, begründet Kauczinski diese Maßnahme. „Die Spieler sollen verstehen, was für den Verein, die Mitarbeiter, die Fans und die ganze Stadt auf dem Spiel steht.“ Mithin ist es eine ziemlich ernüchternde Erkenntnis, dass es bisher offenbar immer noch Akteure gab, die dies nicht realisiert haben. Es ist die erste größere Änderung des Ablaufes einer Trainingswoche unter Kauczinski. Auf ein Trainingslager außerhalb der Stadt verzichtete der Coach auch mit Rücksicht auf die Familienväter in seiner Mannschaft. „Die brauchen diesen Alltag mit der Familie auch, um auch einmal herunterzukommen. Das tut ihnen sehr gut, auch um den Kopf freizubekommen.“

„Ab jetzt ist alles, was bisher war, Vergangenheit. Es zählt nur noch die Gegenwart und die Zukunft“, sagte Sportchef Stöver fast schon beschwörend. „Wir sitzen alle in einem Boot und haben alle ein Ziel. Und das heißt Klassenerhalt.“

Mit Material von dpa