Hamburg. Das Spiel gegen den SV Sandhausen offenbart erneut massive Defizite. Sportchef Stöver: „Dramatik hat sich verschärft“.

Auch die erfreuliche Nachricht des Tages, die Vertragsverlängerung mit Jan-Philipp Kalla, konnte die Grundstimmung beim FC St. Pauli am Ostermontag nicht entscheidend heben. Zu ernüchternd war das 1:1 (1:0) am Tag zuvor im Heimspiel gegen den SV Sandhausen gewesen. Dabei war es nicht allein die Tatsache, dass der erhoffte Befreiungsschlag im Kampf um den Klassenerhalt ausgeblieben war, die die allgemeine Enttäuschung hervorrief. Es war vielmehr der Eindruck, dass sich die Mannschaft nach zuvor positiven Ansätzen wie in den Heimspielen gegen Kiel und Braunschweig eher wieder negativ entwickelt und scheinbar überwundene Defizite offenbart.

Wie zuvor schon beim 1:1 in Kaiserslautern war das Team nicht in der Lage, seine eigene Führung zu einem Sieg zu nutzen. Vor zwei Wochen nützte dabei nicht einmal eine Überzahl auf dem Feld. Jetzt verschenkte gegen Sandhausen der insgesamt schwache Stürmer Aziz Bouhaddouz mit seinem kläglichen Strafstoß die Chance, sein Team nach dem 1:1-Ausgleich wieder in Führung zu bringen.

Höchststrafe für einen Elfmeter-Schützen

„Ich hatte das Selbstvertrauen, nachdem ich in Kaiserslautern den Elfmeter verwandelt hatte. Leider habe ich diesmal sehr schlecht geschossen. Dar­über ärgere ich mich. Ich habe lange gewartet und dachte, er springt nach rechts“, sagte Bouhaddouz. Diesen Gefallen tat ihm Sandhausens Torwart Marcel Schuhen allerdings nicht und konnte den Ball sogar fangen – die Höchststrafe für einen Elfmeter-Schützen. „Es ist einfach eine Scheiß-Saison“, sagte Bouhaddouz noch, ließ dabei aber offen, ob er dies nur auf sich selbst oder das gesamte Team bezog. Beides hätte seine Berechtigung – im ersten Fall voll und ganz, im zweiten zu einem bestimmten Teil.

„Ich weiß aber gar nicht, ob wir an diesem Tag das Spiel mit einem 2:1 über die Uhr gebracht hätten“, sagte St. Paulis Sportchef Uwe Stöver angesprochen auf den leichtfertig vergebenen Strafstoß. Allein aus diesem Satz war viel von seinem Frust zu entnehmen. Dieser hatte seinen Grund auch darin, wie das Gegentor zum 1:1 gefallen war. Nach einem Freistoß, den Bouhaddouz unnötig in der eigenen Hälfte verursacht hatte, stellten sich St. Paulis Yiyoung Park und Daniel Buballa beim Klärungsversuch so dilettantisch an, dass der Ball verloren ging und über Tim Knipping zum Torschützen Rurik Gislason gelangte.

Stöver: „Das war ein bisschen Slapstick“

„Wir schießen uns gegenseitig den Ball vor die Füße. Das war ein bisschen Slapstick“, sagte Stöver und zeigte sich angesichts des gesamten Auftritts einigermaßen ratlos. „Das ist nur schwer zu erklären. Die Trainingswoche war gut, auch das Aufwärmprogramm. Da wundert man sich schon. Aber da ist eben auch immer noch ein Gegner auf dem Platz. Wir schaffen es einfach nicht, Dinge in eine Richtung zu lenken und zu erzwingen.“

Mit dem Abstand von rund 19 Stunden stellte Trainer Kauczinski fest: „Es gibt nie den einen Grund. Es kam vieles zusammen. Es waren einzelne Leistungen, die nicht gut genug waren und einzelne Entscheidungen, die falsch getroffen wurden. Am Ende ist eine Mannschaftsleistung auch immer das Ergebnis der Leistungen einzelner.“

Einzelkritik: Buballa und Park als Slapstick-Duo

Tatsächlich erreichten gegen Sandhausen nur wenige Akteure ein Niveau, das von ihnen erwartet werden kann. Dies lag zu einem gewissen Teil auch daran, dass sie nach Verletzungspausen noch nicht wieder im Rhythmus waren, wie etwa Mats Möller Daehli, Cenk Sahin oder der eingewechselte Christopher Buchtmann. Bei manch fahrlässigen Ballverlusten und halbherzig geführten Zweikämpfen aber mussten Zweifel aufkommen, ob wirklich alle begriffen haben, dass sich die schon wieder seit vier Spielen sieglose Mannschaft in akuter Abstiegsgefahr befindet. Der Vorsprung zu Platz 16 beträgt weiter nur drei Punkte.

„Die Dramatik hat sich sogar noch ein bisschen verschärft“, befand Uwe Stöver auch angesichts der Tatsache, dass sich der nächste Gegner, Erzgebirge Aue, gerade mit zwei Siegen in Folge ein wenig Luft verschafft und den Relegationsrang verlassen hat. Dabei wird St. Pauli darauf angewiesen sein, die noch nötigen Punkte für den Klassenverbleib auswärts zu sammeln, da die Heimschwäche mit nur drei Siegen aus bisher 14 Spielen eklatant ist.

Kalla soll sich auf künftigen Job vorbereiten

Ein Diskussionspunkt ist dabei der objektiv schlechte Zustand des Rasens im Millerntor-Stadion, der in den vergangenen Monaten nicht nur durch Punkt- und Testspiele, sondern auch einige Trainingseinheiten ramponiert wurde und sich aufgrund der Witterung seit Oktober nicht mehr regenerieren konnte. „Es soll keine Entschuldigung sein, aber der Platz ist eine Katastrophe. Ich weiß nicht, was die hier beruflich machen. Der Platz ist wie im Stadtpark. Das ist eine Frechheit, dass wir auf so einem Platz spielen müssen. Für uns ist das immer ein Nachteil, weil wir Fußball spielen wollen“, sagte Mittelfeldspieler Johannes Flum. Sportchef Stöver kündigte am Ostermontag an, dass der Platz jetzt intensiv gewalzt werden soll, damit er ebener wird. Einen neuen Rasen wird es bis zum Saisonende nicht geben.

Unterdessen haben die wochenlangen Verhandlungen mit Jan-Philipp Kalla(31) zu dem Ergebnis geführt, dass St. Paulis dienstältester Spieler einen Vertrag bis Juni 2020 mit Option für eine weitere Saison unterzeichnet hat. „Er bleibt im Profikader, bekommt aber auch die Gelegenheit, sich für eine Arbeit im Verein zu empfehlen“, sagte Stöver. Dafür könne er etwa für Praktika oder den Erwerb von Trainerscheinen auch vom Training freigestellt werden. „Ich kann mir gut vorstellen, dass er einmal Jugendtrainer wird“, sagte Markus Kauczinski.