Hamburg. Der FC St. Pauli scheitert beim 0:1 gegen das Team von Darmstadt 98 vor allem an seiner mangelhaften Torgefährlichkeit.

Dirk Schuster ist ganz offenbar ein sehr freundlicher Mensch. „St. Pauli hätte heute einen Punkt verdient gehabt“, sagte der Trainer von Darmstadt 98, nachdem seine Mannschaft am Sonntagnachmittag mit 1:0 (1:0) im Millerntor-Stadion gewonnen hatte. In der Rolle des Siegers fällt es allerdings auch meist leicht, generös zu sein und dem gerade bezwungenen Gegner verbal etwas zu gönnen, das er ohnehin nicht mehr bekommen kann.

Die Verantwortlichen des FC St. Pauli nahmen Schusters nette Worte zur Kenntnis und durften sich in ihrer Einschätzung bestätigt fühlen, ihr Team habe ja eigentlich ein ganz ordentliches Spiel gezeigt, nur eben die vor allem in der ersten Halbzeit herausgearbeiteten Torchancen ungenutzt gelassen. „Ein Punkt wäre gerecht gewesen, aber so stehen wir heute mit leeren Händen da, weil auch das Quäntchen Glück gefehlt hat“, sagte etwa Trainer Markus Kau­czinski, der im vierten Spiel seit seinem Amtsantritt bei St. Pauli nach einem Unentschieden und zwei Siegen erstmals eine Niederlage seines Teams erleben musste.

Erhebliches Problem im Angriff

Da sich Kauczinski nach eigenen Worten nicht damit befasst, was vor seinem Dienstbeginn bei St. Pauli geschehen ist, war die Erfahrung für ihn völlig neu, dass sein Team vergeblich einem Torerfolg hinterherrennt. In dieser Saison war es insgesamt aber schon das sechste Spiel, in dem St. Pauli keinen Treffer erzielte, dazu war es das 13. von insgesamt 20 Matches, das nicht gewonnen werden konnte. 21 erzielte Treffer sind der viertschwächste Wert in der gesamten Liga. „Wir müssen alle torgefährlicher werden“, sagte nach dem Spiel St. Paulis Innenverteidiger Christopher Avevor, als er nach der Ungefährlichkeit der Stürmer gefragt wurde. „Auch ich hätte zuletzt in Dresden ein Tor erzielen sollen“, fügte er hinzu.

Diese diplomatische Antwort dokumentiert zwar den zweifellos vorhandenen Teamgeist, kann aber nicht davon ablenken, dass St. Pauli ein erhebliches Problem im Angriff hat. Weder Aziz Bouhaddouz noch Sturmkollege Sami Allagui konnten dem eigenen Anspruch, Topstürmer in der Zweiten Liga zu sein, gerecht werden. Geradezu haarsträubend war die Situation, als Bouhaddouz schon in der elften Minute nach einem Doppelpass mit Jeremy Dudziak beim Versuch scheiterte, aus rund drei Metern den Ball ins Tor zu bugsieren.

Höhnischer Beifall

Stattdessen traf er den Fuß von Darmstadts Torwart Daniel Heuer Fernandez. Um das Sturmproblem zu beheben, war am vergangenen Donnerstag der Grieche Dimitrios Diamantakos verpflichtet worden. Am Sonntag kam er, nach nur einer Trainingseinheit mit seinen neuen Mitspielern, bereits in der 55. Minute zum Einsatz. Er wirkte von Beginn an bemüht und motiviert, ohne jedoch dem Spiel eine Wende geben zu können. Das wäre aber wohl so früh auch ein wenig viel verlangt gewesen vom Hoffnungsträger.

Schweigeminute vor dem Spiel anlässlich
des Holocaust-Gedenktages
Schweigeminute vor dem Spiel anlässlich des Holocaust-Gedenktages © Witters

Von einem neuen Ehrgeiz, ihren Stammplatz jetzt angesichts eines neuen Konkurrenten mit Macht und Leistung verteidigen zu wollen, war unterdessen bei Bouhaddouz und Allagui von außen wenig zu erkennen. Der unbedingte Wille, sich im Spiel entscheidend durchzusetzen und sich so weiter für einen Startelfplatz zu empfehlen, scheint bei beiden nicht besonders ausgeprägt zu sein. „Ich kann keinen anderen Menschen aus ihm machen“, sagte St. Paulis Sportchef Uwe Stöver über Alla­gui, dessen Körpersprache bei den Fans zu einem Ärgernis geworden ist.

Als Allagui in der 70. Minute ausgewechselt wurde, kam von den Rängen ein Beifall, der durchaus als höhnisch gewertet werden konnte. Sportchef Stöver erklärte, dies nicht so wahrgenommen zu haben, sagte aber: „Es ist nun einmal so, dass gerade ein Stürmer kritisiert wird, wenn er kein Tor schießt, aber von den Fans auch wieder bejubelt wird, wenn er trifft. Wir hatten heute insgesamt einen Mangel an Kaltschnäuzigkeit und Effektivität.“

„Am Ende war einfach der Strom weg“

Dabei dachte Stöver auch an den zu unplatzierten Kopfball von Richard Neudecker (75.) nach perfekter Flanke von Waldemar Sobota sowie die Möglichkeit von Cenk Sahin schon in der sechsten Spielminute, als er auf Zuspiel von Allagui den Ball mit seinem schwachen rechten Fuß links am Tor vorbeischoss. „Wenn er da trifft, haben wir ein anderes Spiel“, sagte der Sportchef. Diese Erkenntnis lag allein deshalb auf der Hand, weil direkt im Anschluss die Darmstädter durch einen gezielten Flachschuss von Winterzugang Joevin Jones aus rund 20 Metern die 1:0-Führung erzielten, die sie bis zum Ende nicht mehr hergaben.

Dies lag auch daran, dass St. Pauli im Verlauf der zweiten Halbzeit kaum mehr die für einen Torerfolg nötige Energie und Kreativität an den Tag legen konnte. „Am Ende war einfach der Strom weg“, sagte Trainer Markus Kauczinski, der auf die angeschlagenen Führungsspieler Lasse Sobiech und Bernd Nehrig hatte verzichten müssen.

Verzicht auf die Einlaufmusik

So blieb am Ende bei den Zuschauern vor allem das Erlebnis einer beeindruckenden Choreografie und Schweigeminute inklusive des Verzichts auf die Einlaufmusik „Hells Bells“ vor dem Anpfiff aus Anlass des Holocaust-Gedenktages hängen. Die Atmosphäre war dem Anlass angemessen und wurde von keinem der 29.456 Zuschauer gestört.