Hamburg. Mehr als 2300 Fans machen sich aus Hamburg auf nach Kiel. Dort hatte es am Wochenende einen Zwischenfall am Stadion gegeben.

An das bisher letzte Nordderby zwischen Holstein Kiel und dem FC St. Pauli können sich jugendliche Fans kaum mehr erinnern. Am ­14. April 2007 trafen beide Nordclubs zuletzt aufeinander. Damals, in der Regionalliga Nord, siegte der Kiezclub mit 2:0, der heutige U17-Trainer Timo Schultz und Ahmet Kuru waren die Torschützen. An diesem Dienstag (18.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de), 3811 Tage später, kommt es in der Zweiten Bundesliga zum Wiedersehen.

Mehr als 2300 Fans aus Hamburg werden sich auf den kurzen Weg an die Förde machen. Zum ersten Mal in dieser Saison kann Holstein ein ausverkauftes Stadion vermelden. „Das wird knistern, es wird zur Sache gehen“, prognostiziert St. Paulis Trainer Olaf Janßen, der hofft, dass es eine heiße Derby-Atmosphäre ohne Zwischenfälle geben wird. Ein Wunsch, den auch die Kieler Polizei teilt. Es ist kein Geheimnis, dass die Fanszenen beider Vereine wenig Sympathien füreinander hegen. Deshalb wird das Nordderby als Sicherheitsspiel klassifiziert; auch weil es am vergangenen Sonnabendmorgen einen Vorfall vor dem Kieler Stadion gegeben hatte.

Nachdem Holstein-Fans vom siegreichen Auswärtsspiel bei Erzgebirge Aue zurückgekehrt waren, kam es zu Auseinandersetzungen mit einer noch unbekannten Anhängerschaft, die unter anderem ein Banner der „Störche“ entwendet hatte. Ein Großaufgebot der Polizei verhinderte Schlimmeres. Ob die Täter aus der Fanszene des FC St. Pauli kamen, ist noch unklar. Die Polizeiermittlungen laufen. „Ich möchte nach dem Spiel nicht nur stolz auf meine Spieler, sondern auch auf die Fans sein. Ich hoffe, dass alles drin sein wird, was den Fußball so schön macht, und dabei auch Respekt an den Tag gelegt wird“, sagte Janßen.

Janßen warnt vor Leihgabe Ducksch

Respekt hat der 50-Jährige auch vor den Leistungen des Überraschungs-Tabellenführers, der im Sommer nach 36 Jahren in die Zweite Liga zurückkehrt war. Vor allem die Art und Weise, wie selbstbewusst die Schleswig-Holsteiner auftreten, ist beeindruckend. Abgesehen von Linksverteidiger Sebastian Heidinger spielen die Kieler zumeist mit exakt der Mannschaft, die bereits in der Dritten Liga für Furore gesorgt hatte. „Wenn man meint, die schwimmen auf einer Euphoriewelle und sie kommen über die Emotionen und Laufbereitschaft, dann stimmt das zwar. Aber man muss auch sagen, dass sie eine hohe spielerische Qualität haben. Das wird eine Herausforderung, wie sie im Moment größer nicht sein kann“, lobte Janßen den Gegner.

Marvin Ducksch (r.), hier gegen Fürths Mario Maloca, hat in dieser Saison bereits fünf Tore geschossen
Marvin Ducksch (r.), hier gegen Fürths Mario Maloca, hat in dieser Saison bereits fünf Tore geschossen © Imago/Zink

Dabei warnte der Trainer vor allem vor einem Mann, der beim Kiezclub bestens bekannt ist. Stürmer Marvin Ducksch, der von St. Pauli an Kiel ausgeliehen ist, steht aktuell auf Rang eins der Torschützenliste. In sechs Partien traf der 23-Jährige, der in Hamburg noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2019 besitzt, fünfmal. So viele Tore schoss der gesamte St.-Pauli-Kader zusammen.

Während der ehemalige Juniorennationalspieler beim Hamburger Stadtteilclub kein Bein auf die Erde bekam, liegt ihm spätestens nach dem Aufstieg halb Kiel zu Füßen. „Marvin verfügt über außergewöhnliche technische Fähigkeiten, er ist vor dem Tor eiskalt. Bei uns ist er von einer Verletzung in die nächste gestolpert, konnte nie seine volle körperliche Leistungsfähigkeit auf den Platz bringen. Der Junge muss sich wohlfühlen, um seine Leistung bringen zu können“, sagte Janßen und ergänzte mit einem Augenzwinkern: „Ich hoffe, Marvin macht vom übernächsten Spiel an so weiter wie bisher.“

„Ich will, dass wir bei unserer DNA bleiben“

Ganz und gar nicht so weitermachen wie im letzten Heimspiel – das gilt für die Braun-Weißen. Nach dem 0:4 gegen Ingolstadt am vergangenen Sonnabend fordert Janßen eine Reaktion seiner Mannschaft. „Wir müssen viel mehr Klarheit in unseren Aktionen haben. Gegen Ingolstadt haben wir im Prinzip vier Eigentore geschossen“, klagte der Coach, der im Vergleich zum Ingolstadt-Fiasko wohl eine etwas defensivere Grundordnung vorgeben wird. In die Karten gucken lassen will sich der Trainer aber nicht. „Ich erwarte, dass wir keine Kapriolen in unserem Spielaufbau schlagen, weil der Gegner uns früh attackieren wird“, sagte er, schränkte jedoch ein: „Ich will aber auch, dass wir bei unserer DNA bleiben und nicht nur den Ball in die Luft schießen und hoffen, dass er da runterfällt, wo wir es gerne hätten.“

Kommentar: St. Pauli muss Identität finden

Soll heißen: St. Pauli will als Aufstiegsanwärter bei einem Aufsteiger nicht nur mauern, sondern auch fußballerisch das Duell mit Kiel suchen. Beste Voraussetzungen also für ein Nordderby, auf das die Fans beider Lager lange genug warten mussten.