Kiel. St. Paulis Trainer warnt vor Leih-Torjäger Ducksch. Während die Kiezkicker am Stock gehen, ist es für Holstein ein Feiertag.

Naht der Herbst, suchen die Störche in unseren Gefilden das Weite. Anders ist das mit Holstein Kiel. Dort fühlen sich „die Störche“, wie der Fußball-Zweitligist wegen seiner traditionellen Spielkleidung genannt wird, dermaßen wohl, dass sie gar nicht mehr weg wollen. Als Aufsteiger mischen die Kieler derzeit die 2. Liga auf. Mit vier Siegen und 13 Punkten nach sechs Spielen grüßen die Norddeutschen von der Tabellenspitze. Am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) empfangen sie den Nordrivalen FC St. Pauli. Das Stadion mit seinen 12.000 Plätzen ist seit Wochen ausverkauft. Nach langer Durststrecke im Norden erzeugt der Meister von 1912 eine gewaltige Euphorie in der Stadt des Handballs.

"Das ist eine Herausforderung, die im Moment nicht größer sein kann“, sagte St.-Pauli-Trainer Olaf Janßen in der Pressekonferenz am Montag über den kommenden Gegner. Zu allem Überfluss plagen die Hamburger große Personalprobleme. Marc Hornschuh, Philipp Ziereis, Christopher Buchtmann und Ryu Miyaichi fallen verletzungsbedingt aus. Joel Keller ist Rot-gesperrt. Svend Brodersen, Yi-Young Park und Brian Koglin werden am Mittwoch mit der U23 gegen die zweite Mannschaft von Hannover 96 spielen. Der Einsatz von Mats Möller-Daehli ist fraglich. „Ihm geht's besser. Wir müssen sehen, wie er sich bewegt, wie er sich fühlt. Der Trainingsrückstand ist gering, aber er muss komplett schmerzfrei sein“, sagte Janßen.

Janßen warnt vor eigener Leihgabe

St. Paulis Leihgabe Marvin Ducksch (l.) führt die Torschützenliste der Zweiten Liga an
St. Paulis Leihgabe Marvin Ducksch (l.) führt die Torschützenliste der Zweiten Liga an © Imago/Picture Point

Die 0:4-Niederlage gegen den FC Ingolstadt vom vergangenen Sonnabend haben die Kiezkicker schnell verarbeitet. „Es war nicht so schwierig, die Mannschaft nach dem 0:4 gegen Ingolstadt wieder aufzurichten“, sagte Janßen. Eigene Versäumnisse seien schnell erkannt worden.

Im Spiel gegen Kiel will der FC St. Pauli besonders auf Stürmer Marvin Ducksch achten. Der 23-Jährige ist von den Hamburgern an die „Störche“ verliehen worden und führt mit fünf Treffern die Torschützenliste an. „Marvin darf man keine Sekunde aus den Augen lassen. Er spekuliert 90 Minuten lang, die entscheidende Szene zu machen“, sagte Janßen. "Ein besonderes Spiel“, meint der Torjäger selbst. „Aber in dieser Saison liegt meine Konzentration zu 100 Prozent bei Holstein Kiel.“

Die Partie gegen St. Pauli ist für die KSV Holstein ein Riesenereignis. Sein zehneinhalb Jahren haben beide Mannschaften kein Punktspiel mehr gegeneinander bestritten. „Das wird ein absoluter Feiertag“, versichert Mittelfeldakteur Dominick Drexler.

Manager Becker sieht Ruhe als Erfolgsformel

Dass der Neuling aus Kiel in seinem ersten Zweitliga-Jahr nach 36 Jahren so einschlägt, war für die Zweitliga-Konkurrenz so nicht zu erwarten. „Guter Trainer, gute sportliche Leitung, gute Mannschaft. Das passt“, nennt Holsteins Präsident Steffen Schneekloth die Erfolgsformel. Was mit dem 2:2 gegen Sandhausen und einem furiosen 3:4 bei Aufstiegskandidat Union Berlin turbulent, aber nur mäßig erfolgreich begann, schlug in fünf Siege in Serie um. Einer davon stammt aus dem DFB-Pokal gegen Fast-Aufsteiger Eintracht Braunschweig.

Die Mannschaft von Holstein Kiel in der 2. Liga sieht nur marginal anders aus als die aus dem Vorjahr in der 3. Liga. Trotzdem ist sie erfolgreich – oder gerade deshalb. „Die Mannschaft hatte Zeit, sich zu entwickeln. Die Bausteine wurden nach und nach zusammengefügt. Spieler brauchen Zeit, Abläufe zu verinnerlichen“, erklärt Ralf Becker, Holsteins Geschäftsführer Sport, das Modell.

Der Ideengeber dafür ist Trainer Markus Anfang. Holstein Kiel demonstriert eine erfrischend offensive Spielweise. Nicht umsonst hat Anfangs Team 15 Tore erzielt, so viele wie kein anderer Zweitligist. „Die Trefferquote ist schön. Aber unsere Basis ist das Zweikampfverhalten, die Defensive“, sagt Becker. Das schärft Anfang seinen Jungs permanent ein. Deshalb war er nach dem jüngsten 3:0 bei Erzgebirge Aue erstmals rundum zufrieden. „Endlich einmal zu null gespielt. Darüber bin ich glücklicher als über die Tabellenführung“, beteuert der Trainer. Der 43-Jährige ist als Nachwuchscoach von Bayer Leverkusen an die Förde gewechselt und erweist sich als Glücksgriff.