Hamburg. 4:2 zum Start der Kooperation mit dem englischen Premier-League-Club. Kernpunkt ist gegenseitig abgestimmte Transferpolitik.
Den ersten Akt seiner neuen Partnerschaft mit dem englischen Premier-League-Club Stoke City hat der FC St. Pauli für sich entschieden. Am Dienstagabend gab es vor 14.500 Zuschauern einen 4:2 (2:1)-Sieg für die Hamburger gegen das britische Team, das mit dem St.-Pauli-Mannschaftsbus zum Millerntor-Stadion gebracht worden war.
Sami Allagui (elfte Minute) und Maurice Litka (21.) hatten St. Pauli früh in Führung gebracht. Beide waren nach Abspielfehlern der Engländer frei vor Torwart Lee Grant zum Schuss gekommen. Mato Joselu (41.) erzielte den Anschlusstreffer für Stoke, nachdem er einen Doppelpass mit dem Torpfosten gespielt hatte. Kyoungrok Choi (59.) schoss St. Paulis drittes Tor, ehe erneut Joselu (67.) Stokes zweiter Treffer gelang. Den Schlusspunkt setzte Cenk Sahin mit einem Strafstoß zum 4:2 (83.).
Ewald Lienen fiel vom Stuhl
Buchstäblich mit einem großen Knall läuteten die Vertreter beider Vereine sechs Stunden zuvor die neue Partnerschaft ein. St. Paulis Technischer Direktor Ewald Lienen fiel unmittelbar vor der Pressekonferenz von seinem nicht ganz eben stehenden Stuhl. Der 63-Jährige blieb unverletzt und nahm das Malheur mit Humor. Die Freude über die neue Kooperation war allen Beteiligten anzumerken. Am 4. April war eine Delegation um Stokes Technischen Direktor Mark Cartwright am Rande des 0:0 gegen den SV Sandhausen erstmals in Hamburg zu Besuch gewesen. „Die Initiative bei dieser Kooperation ging von uns aus. Wir haben den Anspruch, uns ständig zu verbessern, und dafür wollten wir uns auch Impulse von außen holen“, sagt Geschäftsführer Andreas Rettig.
Der Fokus der Zusammenarbeit liegt vor allem auf dem sportlichen Bereich. Für St. Pauli könnten sich durch die Partnerschaft mit dem zweitältesten Verein Englands neue Möglichkeiten auf dem Transfermarkt ergeben. Der Plan ist, dass der Kiezclub in Zukunft als eine Art Ausbildungsverein für Stoke City dient. Beide Vereine wollen ihre Transfer-Strategien künftig koordinieren und angleichen. So könnte der finanzstarke Premier-League-Club einen jungen Perspektivspieler für die Zukunft verpflichten, und ihn anschließend für zwei oder drei Jahre beim Kiezclub „parken“, bis er die Reife für die wohl aktuell beste Fußballliga der Welt hat. „Stoke kann uns helfen, Spieler zu verpflichten, die in ein oder zwei Jahren so weit sind, dass sie bei ihnen spielen können. Für uns ist es eine Möglichkeit, Spieler zu bekommen, die wir uns sonst nicht leisten können“, erklärt Lienen.
Kommt bald der erste Deal zustande?
Es ist nicht auszuschließen, dass noch in dieser Transferperiode ein erster Deal zustande kommt. „Solange das Transferfenster offen ist, kann man nichts ausschließen, aber es ist nicht so, dass wir so weit wären, morgen etwas zu verkünden“, verriet Geschäftsführer Andreas Rettig. Er verriet mit einem Augenzwinkern, dass es auch nicht der Plan sei, einen St.-Pauli-Spieler in Richtung England abzugeben. „Darüber haben wir nicht gesprochen.“
Einen intensiven Austausch gab es aber in den vergangenen Wochen über die Agenda, die beide Vereine mittelfristig abarbeiten wollen. So gibt bei Stoke City und St. Pauli Sponsoren, die auf den Markt des jeweils anderen drängen. Zudem verriet Rettig, dass England neben der Schweiz und Österreich der absatzstärkste Markt für St. Paulis Fanartikel ist. „Den wollen wir durch die Partnerschaft weiter stärken und zudem von Stokes Expertise im Bereich Club-TV und Social Media profitieren“, sagte Rettig. Das Hauptaugenmerk aber liegt auf dem Fußball.
Auch Stoke City hofft auf neue Impulse
Neben gemeinsamen Transferstrategien stehen darüber hinaus die Themen Scouting sowie Nachwuchs- und Trainerausbildung ganz oben auf der Liste. In Kürze wird Lienen möglicherweise mit Uwe Stöver, der im Oktober seinen Dienst als Sportchef aufnehmen wird, Stoke einen Besuch abstatten.
Doch nicht nur der Zweitligaclub erhofft sich, dass man von den Synergien mit Stoke City profitiert. Auch der Tabellen-13. der abgelaufenen Premier-League-Saison glaubt, auf und neben dem Platz neue Impulse für die eigene Entwicklung gewinnen zu können. „Manche Dinge kann man nicht auf uns übertragen. Wir wollen auch keine Kopie von St. Pauli werden“, sagt Geschäftsführer Tony Scholes. „Aber wir können in einigen Bereichen etwas von dem einzigartigen Club lernen. Sie sind sehr innovativ bei der Sponsorensuche und -betreuung, haben zudem einen besonderen Marketingansatz“, sagt Scholes, der viele Gemeinsamkeiten sieht. „Bei beiden Clubs stehen die Fans und die Stadt an erster Stelle. Wir wollten einen Partner, der einen ähnlichen Denksansatz hat wie wir.“
Wie in einer guten Ehe gehören eben auch Späße mit dazu. St. Paulis Geschäftsführer Rettig stellte klar, dass Stoke der „Juniorpartner“ in der Beziehung ist. „Ihr habt einen Besitzer, wir mehr als 25.000, wir wurden letzte Saison Siebter, ihr wart auf Rang 13. Wir haben 2007 den Oddset-Pokal gewonnen, den könnt ihr nie holen“, scherzte Rettig in Richtung seiner Partner.
Der Dienstagvormittag offenbarte, dass es der Beginn einer einzigartigen und besonderen Beziehung war. Das Match am Abend hatte passenderweise auch eher die Bezeichnung „Freundschaftsspiel“ verdient.