Hamburg. Der Defensivspieler startet in seine 15. Saison am Millerntor. „Heute professioneller als in der Bundesliga“.

Sein altes Markenzeichen, der dunkle Wuschelkopf, ist längst einer Kurzhaarfrisur gewichen. Und auch sonst hat sich bei Jan-Philipp Kalla einiges geändert, seit er im Sommer 2003 als 16 Jahre alter Jugendspieler vom HSV zum FC St. Pauli wechselte. Der gebürtige Hamburger geht also in seine 15. Saison beim Kiezclub, bei dem er vor zehn Jahren seinen ersten Profivertrag unterschrieb. Die Auszeichnung, dienstältester Spieler des Zweitligateams zu sein, hat er schon seit drei Jahren, als Fabian Boll seine Profikarriere beendete. Mit fünf Jahren Clubzugehörigkeit kommen Kalla derzeit Torwart Robin Himmelmann und Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann noch am nächsten.

Im Laufe der Jahre spielte Kalla mit heutigen und ehemaligen Bundesligagrößen wie Max Kruse, Gerald Asamoah, Carlos Zambrano oder Matthias Lehmann in einem Team, und doch ist auch jetzt wieder seine unverbrauchte Vorfreude zu spüren, dass eine neue Saison auf ihn wartet. „Das Fieber ist wahrscheinlich heute noch mehr da als in meinem ersten Jahr. Ich lerne den Verein immer weiter und immer mehr Leute in diesem Club kennen. Die Verbundenheit wächst von Jahr zu Jahr“, sagt der 30-Jährige, der sich in der Sommerpause einen Totenkopf auf seinen Wade hat tätowieren lassen. Auch wenn es nicht exakt das bekannte Logo der Clubkollektion ist, so könnte es ihm doch Probleme bereiten, wenn er den Arbeitgeber wechseln wollte.

Kein Gedanke daran, woanders hinzugehen

„Obwohl mein Vertrag am Saisonende ausläuft, habe ich keinen Gedanken daran, mal woanders hinzugehen. Außerdem beschäftige ich mich jetzt auch noch nicht mit meiner Vertragssituation“, sagt Kalla. Diese Gelassenheit liegt auch in der Erfahrung der Vergangenheit begründet. „Ich war hier schon dreimal in der Lage, dass mein Vertrag ausgelaufen ist. Da habe ich mir jeweils durch gute Leistungen einen neuen Vertrag erarbeitet. So habe ich es auch dieses Mal vor“, sagt er entschlossen.

Um dies zu realisieren, wird Kalla allerdings häufiger als in der vergangenen Saison auf dem Feld stehen müssen. Gerade einmal 13 Zweitliga-Einsätze und nur 575 Spielminuten, also rechnerisch nur gut sechs volle Spiele, standen für ihn zu Buche. „Das war mein persönliches Schicksal. Dies ist bei vielen von uns und auch bei mir selbst in der Situation, in der wir uns befanden, hintangestellt worden. Jeder, der hinten dran war, hat nicht rumgemuckt, sondern weiter Gas gegeben und der ersten Elf im Training Druck gemacht. Das alles hat dazu beigetragen, dass wir so eine erfolgreiche Rückrunde gespielt haben“, sagt Kalla in der Rückschau.

Doch jetzt geht es bei null wieder los. Der neue Cheftrainer Olaf Janßen hat schon am ersten Trainingstag klargemacht, dass jeder Spieler eine echte Chance hat, sich für die Startelf am ersten Spieltag zu empfehlen. „Auf jeden Fall habe ich mir vorgenommen, in der neuen Saison wieder mehr zu spielen. Die Karten werden neu gemischt. Zurzeit habe ich in den Trainingseinheiten und im Testspiel in Buxtehude rechts hinten verteidigen dürfen. Da rechne ich mir natürlich aus, mit guten Leistungen in der Vorbereitung für den ersten Spieltag eine Rolle zu spielen“, sagt Kalla. „Aber auch danach gibt es immer wieder Trainingswochen, in denen man sich empfehlen kann. Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft.“

Dieser letzte Satz ist bei Kalla keine Phrase, sondern gelebte Erfahrung. Olaf Janßen ist jetzt der achte Cheftrainer, unter dem er als Profi spielt. Dabei ist der FC St. Pauli noch nicht einmal ein Club mit einer besonders starken Trainerfluktuation, zuletzt durfte Ewald Lienen das Amt immerhin zweieinhalb Jahre bekleiden.

Infrastruktur hat sich verändert

Doch nicht nur die Führungskräfte und Mitspieler haben sich verändert, seit Kalla beim FC St. Pauli ist, sondern auch die Infrastruktur. Bei seinen ersten Spielen gab es noch das alte Millerntor-Stadion und an der Kollau zwei holprige Trainingsplätze ohne richtige Drainage sowie ein marodes Funktionsgebäude. „Da hausten wohl auch einige Tiere, die da nicht hingehörten“, sagt er und gerät bei den heutigen Trainingsbedingungen ins Schwärmen. „Der Verein ist in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen. Wir sind jetzt in der Zweiten Liga professioneller als in der Saison in der Ersten Bundesliga 2010/11“, sagt er und denkt dabei auch an die Technologie, die beim Training inzwischen eingesetzt wird. „Ich freue mich, ein Teil dieser Entwicklung des Vereins zu sein, der für mich ein großes Stück Heimat ist.“

Und noch einen Unterschied zu seinen Anfängen bei St. Pauli hat Jan-Philipp Kalla ausgemacht. „Diese typischen Hierarchien im Team sind nicht mehr so gegeben. Damals durfte ein 18-Jähriger nicht den Mund aufmachen und etwas gegen einen 30-Jährigen sagen. Heute geht man damit offener und toleranter um. Das macht es den jungen und überaus talentierten Spielern leichter, bei uns in der Mannschaft anzukommen und Fuß zu fassen.“