Hamburg. Der Kapitän war nach dem letzten Spiel für St. Pauli den Tränen nah und enttäuscht von Gesprächen mit Rettig.

Er hatte Tränen in den Augen und musste sich spürbar zusammenreißen, um zu verhindern, dass ihm die Stimme wegblieb. So emotional aufgewühlt wie nach dem 3:1-Sieg beim VfL Bochum, seinem letzten Spiel für den FC St. Pauli, hatte man Sören Gonther nie zuvor öffentlich erlebt. Keine Frage: Der Abschied fällt dem bisherigen Kapitän, der in der vergangenen Woche einen Drei-Jahres-Vertrag bei Dynamo Dresden unterschrieben hatte, extrem schwer.

Seine Vertragsgespräche in den vergangenen Wochen mit St. Paulis Geschäftsführer und Interims-Sportchef Andreas Rettig einerseits und den Verantwortlichen von Dynamo Dresden andererseits hatten bei Gonther die schwierige Entscheidung reifen lassen, sich gegen das Angebot des FC St. Pauli, für den er fünf Jahre aktiv war, zu entscheiden.

Geld nicht ausschlaggebend

„Es ging zu keinem Zeitpunkt ums Geld. Ich habe auch jetzt in Dresden nicht das finanziell beste Angebot angenommen. Es war die schwerste Entscheidung in meinem Leben“, stellt Gonther klar. „Ich hatte in den Gesprächen hier bei St. Pauli aber zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass man in Zukunft hundertprozentig mit mir arbeiten will.“ Dies sei in Dresden, wo er insbesondere mit Sportchef Ralf Minge und Präsident Andreas Ritter gesprochen habe, anders gewesen. „Da habe ich gespürt, dass man mich unbedingt haben will“, sagt er.

Vertrag nicht über drei Jahre

Dies drückte sich unter anderem auch darin aus, dass St. Paulis Führung im Gegensatz zu den Dresdnern nicht bereit war, dem 30 Jahre alten Innenverteidiger einen Vertrag über drei Jahre zu geben. „Ich trage ja nicht nur eine Verantwortung für mich, sondern auch für meine Familie“, sagt dazu Gonther, dessen Töchter knapp zwei und vier Jahre alt sind. „Es wird aber eine harte Geschichte, jetzt auch privat Abschied aus Hamburg zu nehmen.“

In gewisser Hinsicht ist die Zurückhaltung der St.-Pauli-Führung im Falle Gonthers auch verständlich. In der sehr erfolgreichen Saison 2015/16, die mit Rang vier abgeschlossen wurde, profilierten sich Lasse Sobiech und Philipp Ziereis als eines der besten Innenverteidiger-Duos der gesamten Zweiten Liga. Gonther musste sich dabei, wenn er gesund war, oft mit der Reservistenrolle begnügen, obwohl er der vom Team gewählte Kapitän war.

Nicht unerhebliches Konfliktpotenzial

In der jetzt abgelaufenen Saison profitierte Gonther auch von Ziereis’ Verletzungen und Erkrankungen. Auf Dauer hätte eine Konstellation mit drei weit überdurchschnittlichen Innenverteidigern, von denen in einem System mit Vierer-Abwehrkette einer auf die Reservebank muss, auch ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial gehabt. Hinzu kommt, dass alle drei zu den Besserverdienern im St.-Pauli-Kader zählen. In Marc Hornschuh, der einen Vertrag bis 2020 bei St. Pauli hat, steht zudem ein weiterer Innenverteidiger zur Verfügung, der zuletzt notgedrungen als Außenverteidiger agierte.

Unterdessen hegt Sören Gonther die Hoffnung, sich in Dresden den Traum des Bundesligaaufstiegs noch erfüllen zu können. „Dynamo ist als Aufsteiger Fünfter geworden und wird versuchen, diesen Erfolg mindestens zu bestätigen“, sagt er. Zudem wehrt er sich gegen die Kritik aus St. Paulis Fankreisen, dass er ausgerechnet zu einem Club wechselt, der ein erhebliches Problem mit gewalttätigen Anhängern hat. „Das bedeutet ja nicht, dass ich Tarnfarben anziehe und Leute verkloppe. Davon distanzieren sich die meisten Fans ja auch. Ich habe gemeint, dass es in den Stadien, zu Hause und auswärts, immer eine starke Unterstützung gibt“, sagt Gonther.