Hamburg. Der FC St. Pauli sieht die 1:2-Niederlage gegen Union Berlin lediglich als einen Ergebnis-Rückschlag. Lienen bleibt optimistisch.

Wenn es noch eines Beispiels bedurft hätte, wie entspannt der FC St. Pauli mit der 1:2-Niederlage gegen Union Berlin umgeht, so lieferte es Ewald Lienen am Sonnabendvormittag. Nach der Videoanalyse schaute sich der 63-Jährige die Einheit der Reservisten von der Dachterrasse des Trainingszentrums an der Kollaustraße an, beobachtete die startenden Flugzeuge und genoss einfach die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne.

Spieler und Trainer waren sich nach der Aufarbeitung des Spiels einig. Die Partie gegen den stark aufspielenden Tabellenzweiten aus der Hauptstadt war lediglich ein Ergebnis-Rückschritt, aber beileibe kein Beginn einer neuen Zeit der Tristesse. In der Hinrunde begann mit dem 0:2 in Berlin eine Negativserie von anschließend vier Pleiten in Folge.

Nicht auf die Hinserie schauen

Dass sich Geschichte wiederholt, glaubt bei St. Pauli niemand: „Dass wir nach dem Spiel geknickt sind, ist doch klar. Aber wir sollten nicht auf die Hinserie schauen, sondern vielmehr auf das, was wir in den vergangenen Wochen gezeigt haben“, sagte Linksverteidiger Daniel Buballa und verweist auf die fünf ungeschlagenen Spiele (vier Siege, ein Remis) in Serie.

Beim Kiezclub weiß man, dass das Rennen zum Klassenerhalt kein Sprint, sondern ein Marathon ist. „Uns war klar, dass wir jetzt nicht jedes Spiel gewinnen werden“, so Buballa, dessen Teamkollege Bernd Nehrig unmittelbar nach dem Spiel deutliche Worte fand, um die aktuelle Situation beim Tabellen-15. einzuordnen. „Es war vor dem Union-Spiel nicht alles super, wie es teilweise geschrieben wurde. Deshalb habe ich in den letzten Wochen immer wieder gesagt: ein bisschen piano“, mahnte der Routinier und legte nach: „Die Siege waren nicht zum Feiern, sondern überlebensnotwendig. Bei uns gibt es keine Jubeleien in die eine Richtung und genauso ist nach der Niederlage jetzt nicht alles scheiße und zum in die Tonne kloppen.“

Die Moral in der Mannschaft ist intakt

In der Tat war der Auftritt mit Ausnahme der ersten 30 Minuten, wo St. Pauli ungewöhnlich zögerlich agierte und große Probleme hatte, in die Zweikämpfe zu kommen, nicht der eines Absteigers. Im Gegenteil: Die Moral in der Mannschaft ist intakt, auch nach dem zwischenzeitlichen 0:2 ließ sich das Team nicht hängen, und lieferte dem besten Rückrundenteam der Zweiten Liga einen großartigen Fight. „Wir haben gesehen, dass auch eine Mannschaft wie Berlin Probleme gegen uns bekommen kann, wenn wir alles aus uns herausholen“, sagte Nehrig.

Es ist nach wie vor noch eng in der Tabelle

Und wer weiß: Wäre der Anschlusstreffer von Aziz Bouhaddouz zehn Minuten eher gefallen, hätte St. Pauli womöglich noch einen Zähler mitgenommen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Unter dem Strich stand und steht die zweite Niederlage der Rückrunde und die Erkenntnis, dass die Bäume für die noch immer akut abstiegsgefährdeten Hamburger nicht in den Himmel wachsen, auch wenn Berlins Trainer Jens Keller nach dem Spiel vollmundig ankündigte, dass der FC St. Pauli nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird. „Dann ist ja gut. Dann ist das Thema ja durch. Soll ich das an die Deutsche Fußball-Liga weitergeben und die machen einen Haken dahinter?“, scherzte Lienen. „Es ist nicht einfach, die ganzen Schulterklopfer abzuwehren, wenn man fünfmal in Folge nicht verloren hat. Aber es ist nach wie vor noch eng in der Tabelle.“

Am Sonnabend steht für St. Pauli die nächste Reifeprüfung auf dem Programm. Mit dem Tabellendritten Hannover 96 kommt ein weiterer Aufstiegskandidat ans Millerntor. Viele Beobachter sind neugierig, wie die Spieler mit dem kleinen Rückschlag vom Freitag mental umgehen. „Ich bin überhaupt nicht neugierig“, gestand Torhüter Philipp Heerwagen: „Ich weiß, wie die Mannschaft reagieren wird. Mit harter Arbeit und dem Willen, nicht wieder das Gefühl einer Niederlage durchleben zu müssen.“

Ein gutes Gefühl hatte indes Aziz Bouhaddouz, der gegen Berlin seinen zehnten Saisontreffer erzielen konnte. Zum ersten Mal schaffte es der Marokkaner im Profibereich zweistellig zu treffen. „Das freut mich sehr, dass es für mich persönlich so gut läuft. Mein neues Ziel ist erst einmal Treffer Nummer elf“, sagte St. Paulis Torjäger, der im Januar beim Afrika-Cup Selbstvertrauen getankt hat. „Wenn man aus einem internationalen Turnier kommt und voll im Saft ist, ist es eine erfreuliche Sache“, sagte der 29-Jährige, der aktuell nur so vor Selbstvertrauen strotzt. „Jetzt kommt Hannover 96, da muss ein Dreier her, ganz klar“, forderte der Stürmer, damit die neue Gelassenheit beim FC St. Pauli noch möglichst lange Bestand hat.