Hamburg. Der Türke ist ein Gesicht des Aufschwungs beim FC St. Pauli, seine unorthodoxe Spielweise polarisiert jedoch.

Es gibt Dinge, über die möchte Cenk Sahin nicht reden. Also, vor allem über eines nicht: Politik. Schade. Deutsche und Türken, er türkischer Spieler beim FC St. Pauli, dem Club mit klarer politischer Haltung. Dazu gäbe es in diesen Tagen des angespannten Verhältnisses zwischen beiden Ländern ja einiges zu sagen. Oder eben besser nicht – weil halt die Reaktionen auf das, was einer sagt, nirgendwo mehr vorhersehbar sind. Und in seinem Vaterland schon mal gar nicht. Also lächelt Cenk Sahin freundlich und entwaffnend und sagt: „Ich mache mir darüber keine Gedanken. Politik ist nicht so meins.“ Und damit ist das dann auch geklärt.

Seins ist ohnehin der Ball. Und der Erfolg mit St. Pauli. Und darüber redet er gerne. Der 22-Jährige ist eines der prägenden Gesichter des fabelhaften Höhenflugs des Kiezclubs in der Zweiten Liga. In sieben Spielen seit dem 11. Dezember hat Cenk Sahin drei Tore geschossen und fünf vorbereitet, St. Pauli gewann fünfmal, holte mit ihm 16 Punkte und kletterte vom letzten auf den 15. Platz. „Mir war klar, dass wir die Qualität in der Mannschaft haben“, sagt er, „jetzt ist es uns auch gelungen, das Glück zurück auf unsere Seite zu holen.“ Und dann lacht er wieder fröhlich.

Cenk Sahin lacht ohnehin sehr viel, entwaffnend, offen. Auch das erklärt seine Popularität bei den St.-Pauli-Fans. Er wirkt wie ein lebenslustiger junger Mann. „Musik hören, singen, ich mag das“, sagt er, der auch viel in den sozialen Netzwerken unterwegs ist und seine Fans und Freunde teilhaben lässt an seinem Leben. Soweit ihm das eben möglich ist – keine Politik, klar.

Sahin und Bouhaddouz verstehen sich prächtig

In Hamburg hat er eine eigene Wohnung, regelmäßig kommt ein Kumpel aus der Türkei zu Besuch, seine Familie lebt aber noch in Istanbul. Anschluss hat er aber auch in Hamburg schon gefunden, auch in der Mannschaft. Gerade erst war er mit Sturmpartner Aziz Bouhaddouz wieder essen, regelmäßig gehen sie auf einen Kaffee. „Wir verstehen uns auch neben dem Platz sehr gut“, sagt Sahin.

Auf dem Platz ist das Verständnis insbesondere zu St. Paulis Mittelstürmer mittlerweile exzellent. Ebenfalls ein Grund für den Aufschwung, den die beiden Neuzugänge im letzten Vierteljahr genommen haben – der Lieferant und der Abnehmer. „Wir wissen jetzt, wer wohin läuft. Das hat sich mit der Zeit ergeben. So passt es momentan eben“, sagt er.

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    Sahin ist auf dem Platz ein Mann, der polarisiert und seinen Trainer bisweilen zum Wahnsinn treibt. Deshalb gibt es für den Flügelflitzer auch nur ein Lob mit Einschränkung „Im vorderen Bereich kommen uns seine Dribblings extrem zugute“, sagt Lienen und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Aber er macht auch noch genauso viel Müll wie vorher. Er hält sich häufig zu lange am Ball auf und produziert so Ballverluste. Aber er hat sich verbessert“, sagt Lienen.

    Mit Videostudien mit dem Team und eigens zusammengeschnittenen Szenen bei sich zu Hause versucht Sahin sich weiter zu verbessern. Denn eines ist bei aller demonstrierten Lockerheit des schnellen Rechtsaußen auch klar: Der Junge ist ehrgeizig, er will was erreichen. So hat er in der Winterpause in Istanbul auch mit einem Personal Trainer an seiner Fitness gearbeitet. Der Verein hatte ihm nahegelegt, seinen körperlichen Zustand deutlich zu verbessern. Das ist ihm gelungen. Ein weiteres „Erfolgsgeheimnis“: „Als ich im Sommer gekommen bin, fehlte mir die Spielpraxis, und ich musste mich erst an die neue Umgebung gewöhnen. Jetzt bin ich fit und fühle mich wohl.“

    Vorkaufsrecht soll eine Million betragen

    Als ihn der FC St. Pauli im vergangenen Sommer vom türkischen Erstligaclub Besaksehir Istanbul FK auslieh, wurde der Marktwert des U-21-Nationalspielers bei „Transfermarkt.de“ mit 4,5 Millionen Euro taxiert. Kopfschütteln, Staunen bei den Hamburger Fans, warum? So langsam aber bekommen sie eine Ahnung, wieso.

    Sahin ist tatsächlich pfeilschnell und hat ein feines Füßchen. Er kann eine echte Waffe für St. Paulis Spiel sein. Sein „Tor des Monats“ Dezember beim 2:0-Sieg in Fürth zeigte all seine Fähigkeiten, langer Sprint, einen Gegenspieler ausgetanzt und dann ein Lupfer über den Torwart aus vollem Lauf – das war schon Messi-like. „Na klar, dieses Tor hat mir viel Selbstvertrauen gegeben“, sagt er, „aber es war auch wichtig, dass wir gewonnen haben.“ Brav.

    So scheint jetzt alles auf dem rechten Weg, der Klassenerhalt ist inzwischen längst kein Traum mehr, sondern für den FC St. Pauli nach in diesem Jahr 13 Punkten aus sechs Spielen realistisch möglich. Und dann? Endet sein Vertrag, und der Club hat angeblich bis zum 1. Juni die Möglichkeit, ein Vorkaufsrecht wahrzunehmen. Rund eine Million Euro Ablöse soll er kosten, das bestätigt aber natürlich niemand offiziell. Will er denn überhaupt in Hamburg bleiben? „Die Entscheidung liegt beim Club. Ich denke nur an das Hier und Jetzt“, sagt er, „ich weiß auch nicht, ob andere Vereine interessiert sind. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.“ Es gibt eben ein paar Dinge, über die will Cenk Sahin einfach nicht reden.