Hamburg. Kein gutes Omen für heute: Unter Ewald Lienen hat der FC St. Pauli nach jedem hohen Sieg die nächste Partie doch wieder verloren.
In dem Moment, als sie den Rasen verließen, durch die Katakomben in den Bauch des Millerntor-Stadions schlurften, sah man den Spielern vom FC St. Pauli nur noch ein müdes Siegerlächeln an. Vor ein paar Minuten noch hatten sie den Karlsruher SC mit 5:0 vom Platz gefegt – was für ein Kracher! Zum ersten Mal seit dem siebten Spieltag steht der Kiezclub nicht mehr auf einem Abstiegsplatz. Es darf durchgeatmet werden.
Doch die Helden analysierten so nüchtern, als hätten sie sich gerade ein Last-Minute-Unentschieden in einem Freundschaftsspiel erkämpft. Ein Paradebeispiel bot der Pole Waldemar Sobota: „Wir freuen uns heute, und morgen arbeiten wir weiter“, meinte der Torschütze zum 2:0. Und dann sagte er einen Satz, der entscheidend war: „Es ist ein gefährliches Ergebnis.“
Und da hatte er recht. Seitdem Ewald Lienen Trainer beim FC St. Pauli ist (Dezember 2014), hat der Kiezclub nach jedem hohen Sieg das nächste Spiel verloren. Eine Kostprobe: In der vergangenen Saison gewannen die Hamburger am 14. Spieltag zu Hause gegen Düsseldorf mit 4:0 – damals schoss Lennart Thy alle vier Tore. In der darauffolgenden Partie kassierten sie eine 0:2-Pleite – beim TSV 1860 München. Ausgerechnet an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) muss St. Pauli wieder nach einem Kantersieg bei den Löwen ran. Es wartet ein gefährliches Spiel auf die Kiezkicker.
St. Pauli zählt zu den drei besten Rückrunden-Teams
„Gerade nach einem Erfolgserlebnis ist es umso wichtiger, die Sinne zu schärfen“, warnt Lienen. Es sei in der Vergangenheit zu oft passiert, dass alle nach hohen Siegen in Jubelstimmung ausbrachen. „Dann konnten wir am nächsten Wochenende nicht unsere Leistung abrufen.“ Eine weitere Kostprobe gefällig? Dasselbe passierte in der Saison 2014/15, als St. Pauli Fortuna Düsseldorf 4:0 besiegte – und anschließend 0:3 in Karlsruhe verlor. Das reicht noch nicht? Nach dem 5:1-Heimerfolg gegen Bochum musste man sich 0:1 in Darmstadt geschlagen geben.
Damit sich dieses Szenario auf keinen Fall in München wiederholt, appellierte Lienen an die Mentalität seiner Spieler: „Es wäre mehr als fahrlässig zu denken, mit ein bisschen weniger Einsatz geht es auch. Es wird für uns genauso ein Überlebensspiel wie jedes andere auch.“ Wenn man auch nur fünf Prozent weniger gebe, würde dasselbe wie in Bielefeld (1:1) passieren. „Dann spielst du nur unentschieden, obwohl du mit vier Toren hättest gewinnen können. Deswegen müssen wir bis an unsere Schmerzgrenze gehen.“
St. Pauli noch im Abstiegskampf
Am Montagabend nach dem Schlusspfiff machte es den Eindruck, als seien diese Worte bereits ins Blut der Spieler übergegangen. Bloß nicht den Fokus verlieren. Als Tabellenfünfzehnter steckt St. Pauli schließlich noch mitten im Abstiegskampf und hat nur zwei Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz. Die harten Wochen und Monate der desaströsen Hinrunde, in denen die Hamburger nur elf Punkte holten, haben sich in die Köpfe eingebrannt. „Unsere Spieler wissen, wo wir herkommen, was nötig war, um wieder auf Schlagdistanz mit der Konkurrenz zu sein. Das ist das Ergebnis von monatelanger Arbeit“, sagt Lienen.
St. Pauli hat in den vergangenen vier Spielen zehn Punkte erkämpft und zählt mit Stuttgart und Union Berlin zu den drei besten Rückrunden-Mannschaften der Zweiten Liga. Aber auch die Leistungskurve der Münchner zeigt mit neun Punkten aus den letzten fünf Partien nach oben. „Das ist eine Mannschaft, die ganz andere Ambitionen hat. Sie hat die Tendenz nach oben, was bei dem Etat, den sie haben, auch folgerichtig ist“, sagt Lienen. Mit vier Zählern Vorsprung stehen die Löwen als Tabellenvierzehnter nur einen Platz vor den Hamburgern. Es wäre die perfekte Möglichkeit für St. Pauli, einen direkten Konkurrenten mit in den Abstiegssumpf zu ziehen. Das Phänomen, nach hohen Siegen zu verlieren, kennt man in München übrigens auch: Am elften Spieltag schoss 1860 Aue noch mit 6:2 aus dem Stadion, um im nächsten Spiel 2:3 in Sandhausen zu unterliegen. Fast schade für St. Pauli, dass die Münchner vergangene Woche in Berlin mit 0:2 verloren haben.
FC St. Pauli: Heerwagen – Dudziak, Sobiech, Hornschuh, Buballa – Nehrig, Buchtmann – Sobota, Möller Daehli, Sahin – Bouhaddouz. 1860 München: Ortega – Boenisch, Ba, Uduokhai – Wittek, Bülow, Lacazette, Lumor – Amilton, Gytkjaer, Aycicek.