Hamburg. Mit Vertrauen in Cheftrainer Ewald Lienen, Geschlossenheit und maßvollen Transfers planen die Vereinschefs die Mission Klassenerhalt.

Geschlossenheit, das hatte man beim FC St. Pauli einen Tag nach dem letzten Hinrundenspiel gegen den VfL Bochum mit einer gemeinschaftlichen Pressekonferenz eigentlich demonstrieren wollen. Doch daraus wurde nichts. Ewald Lienen musste aus privaten Gründen die Stadt verlassen. Um nicht weiteren Spekulationen Nahrung zu geben, baten Präsident Oke Göttlich und Geschäftsführer Andreas Rettig nun ohne den Cheftrainer zum Gespräch und erklärten, wie noch der Klassenerhalt gelingen soll.

Alter Trainer, neue Impulse. Trotz seiner Abwesenheit spielte Lienen die Hauptrolle bei Göttlich und Rettig. Die Vereinschefs legten einen erneuten Treueschwur ab. „Wir haben natürlich alles auf den Prüfstand gestellt, das galt auch für den Trainer. Nach dem zuletzt deutlich erkennbaren Trend war klar, dass wir mit unserem Trainerteam weitermachen“, erklärte Rettig. Natürlich hat man beim FC St. Pauli registriert, dass in dieser Saison in der Bundesliga und der Zweiten Liga so viele Trainerwechsel wie nie stattgefunden haben: „Es wird nur darauf gewartet, dass der nächste Kopf rollt“, sagte Rettig.

Beim FC St. Pauli musste nicht der Trainer gehen, sondern der Sportdirektor. „Nach der Trennung von Thomas Meggle war es die wichtigste Maßnahme, Olaf Janßen für den Trainerstab zu verpflichten“, sagte Rettig und lobte die Arbeit des ehemaligen Co-Trainers vom VfB Stuttgart: „Olaf hat mit seiner Erfahrung und Kompetenz Akzente setzen können, die uns sehr geholfen haben.“

Warum aber noch an Lienen festhalten, wenn Janßen der Hauptgrund für den Aufwärtstrend (drei Spiele ohne Niederlage) ist? „Ewalds größte Qualität ist, dass er gut mit Menschen umgehen kann. Mannschafts- und Menschenführung ist ein ganz entscheidender Bereich“, begründete Rettig den Verbleib von Lienen, „Empathie kann man nicht an der Sporthochschule lernen.“

Kommentar: Lienen muss jetzt liefern

Göttlich betonte, dass ein Trainerwechsel nicht nur Chancen biete, sondern auch risikoreich sei, da ein neuer Trainer die Abläufe bei St. Pauli erst kennenlernen müsse. „Ein bestehendes Team mit verstärkenden Maßnahmen kann deutlich mehr Kraft entwickeln“, sagte Göttlich. „Ewald arbeitet mit der Mannschaft hervorragend. Da ist das Risiko eines Trainerwechsels größer.“

Bemerkenswert sei, wie offen der 63-jährige Lienen die Hilfe von außen willkommen geheißen habe – obwohl Janßen sofort als potenzieller Nachfolger für Lienens Posten gehandelt wurde. „Ewald bewertet das Vorwärtskommen des Clubs höher als seine persönliche Eitelkeit“, sagte Rettig und stellte im selben Atemzug klar, dass sich an der Hierarchie nichts geändert habe: „Ewald Lienen ist unser Cheftrainer!“

Ein bis zwei Neue sollen kommen. Offen gestanden die Vereinsbosse ein, dass es „Fehleinschätzungen“ bezüglich der Qualität des Kaders gegeben habe. „Wir haben alle gemeinsam unterschätzt, dass wir im zentralen Mittelfeld so viel Substanz an ballsicheren Spielern verloren haben“, sagt Rettig und meint damit vor allem Marc Rzatkowski (Salzburg). Neben Lennart Thy (Bremen) sollen noch ein bis zwei weitere Spieler in der Winterpause verpflichtet werden. „Wir brauchen Spieler, die das System Zweite Liga kennen und sofort eine Verstärkung sind“, beschrieb Rettig das Anforderungsprofil. „Dennoch werden wir keine unvernünftigen Dinge tun. Wir tragen nicht nur für die in kurzen Hosen Verantwortung.“

Dabei ist klar, dass ein Abstieg in die Dritte Liga einen Einnahmerückgang im zweistelligen Millionenbereich bedeuten würde. Rettig: „Sollten wir es nicht schaffen, würden wir auch die Lizenz für die Dritte Liga ohne größere Probleme erhalten.“

Auch Abgänge seien nicht ausgeschlossen. Besonders in der Offensive hat St. Pauli Nachholbedarf. Marvin Ducksch, Jeremy Dudziak und Fafá Picault haben alle zusammen nur etwas mehr als 1000 Minuten in dieser Saison gespielt, Richard Neudecker gerade einmal 300. „Das sind unsere Sorgenkinder“, gab Rettig zu, der aber wie Göttlich davon überzeugt ist, dass die Mannschaft in der Lage sein wird, eine gute Rückrunde zu spielen und „am Ende über dem Strich zu landen“.

Wir-Gefühl und interne Kritik. Neben dem Trainerteam sieht Rettig das geschlossene Auftreten des Vereins als elementar für den Klassenerhalt an. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir geschlossen an die Sache rangehen“, sagte der 53-Jährige und nannte zwei Beispiele. Lasse Sobiech habe sich vor dem Spiel gegen Bochum krankgemeldet, litt an Schüttelfrost und Unwohlsein. „Er hat trotzdem alles reingeworfen und sich am nächsten Tag sogar noch zum Mittagessen mit der Mannschaft geschleppt“, so Rettig. Und Bernd Nehrig sei der Erste gewesen, der Daniel Buballa nach seinem Zusammenprall im Bochum-Spiel im Krankenhaus besucht habe. Nichts beschönigen, intern auch harte Kritik äußern, aber die Verantwortung gerade der Führungsspieler fördern, so lautet der Plan.