Hamburg. Trotz Überzahl gelang dem FC St. Pauli nur ein 1:1 gegen den VfL Bochum – Aufatmen bei Buballa.

Nach dem Auslaufen am Sonntag saßen die Spieler des FC St. Pauli beim Mittagessen, und quasi zum Nachtisch gab es die individuellen Trainingspläne für die Winterpause. Ein ganz normaler letzter Arbeitstag im Jahr 2016 schien zu Ende zu gehen, als plötzlich ein unerwarteter Gast auftauchte. Nur einen Tag nach dem schlimmen Zusammenprall mit Bochums Torwart Manuel Riemann durfte Daniel Buballa das Krankenhaus wieder verlassen. „Mein Kopf brummt noch etwas, aber es ist nichts Schlimmeres passiert“, sagte der Linksfuß. Noch am Sonnabend hatte der Club befürchtet, dass der 26-Jährige ein Schädelhirntrauma erlitten hat. Über eine Minute lag Buballa, der die Zunge verschluckt hatte, bewusstlos auf dem Platz und musste mit der Trage abtransportiert werden.

Zum dritten Mal ohne Niederlage

Richtig viel Grund zur Freude gab es ansonsten rund ums Millerntor-Stadion kaum. Okay, St. Pauli blieb zum dritten Mal ohne Niederlage und holte dabei fünf Punkte, was angesichts von zuvor sechs Punkten in 14 Spielen eine deutliche Besserung bedeutet. Doch auch Trainer Ewald Lienen bilanzierte: „Elf Punkte sind zu wenig, obwohl wir uns etwas herangekämpft haben. Es wird eine schwere Rückrunde, in der wir viele Punkte holen müssen. Aber der Klassenerhalt, unser großes Ziel, ist möglich, das bleibt unser Ziel.“

St. Pauli tat sich in Überzahl schwer

Genau zwei Jahre war Lienen am Sonnabend im Amt, aber mehr als einen Punkt vermochte ihm das erneut ersatzgeschwächte Team – Bernd Nehrig fiel kurzfristig wegen einer Zerrung aus – gegen Bochum nicht zu schenken.

Die Partie war das perfekte Sinnbild einer Hinrunde, die als schlechteste in die Geschichte des Vereins eingeht. Der Wille war gegen den VfL da, die spielerischen Fähigkeiten fehlten. Trotz 60-minütiger Überzahl nach der Roten Karte für Timo Perthel (traf Ryo Miyaichi am Kopf) konnte das Lienen-Team kaum Chancen generieren, wirkte mit dem vielen Ballbesitz fast schon ein wenig hilflos. Die einzigen taktischen Mittel bestanden aus zumeist harmlosen Flanken aus dem Halbfeld in Richtung von Aziz Bouhaddouz. Doppelpässe? Vorstöße zur Grundlinie gegen robuste, aber durchaus hüftsteife Bochumer? Fehlanzeige. So machte man es dem körperlich präsenten Gegner leicht, die Angriffsbemühungen des Kiezclubs mit einfachen Mitteln zu bekämpfen. Ohnehin tut sich kein Verein in Liga zwei so schwer, Torchancen herauszuspielen.

Tritt Lienen von selbst zurück?

So stand nach den 90 Minuten vom Sonnabend unter dem Strich: Nur ein Heimsieg in der Hinrunde, nur elf Tore in 17 Spielen und das Überwintern auf dem letzten Tabellenplatz. Dass Lienen nach dem jüngsten zarten Aufschwung weiter das Vertrauen der Clubführung genießt, schien klar. Doch seit einiger Zeit halten sich hartnäckig Spekulationen, der 63-Jährige könnte selbst von seinem Amt zurücktreten.

Ungewöhnlich: Eine am Sonnabend für den Sonntagnachmittag angesetzte Hinrundenbilanz mit Präsident Oke Göttlich, Sportdirektor Andreas Rettig und Lienen wurde am Sonntagvormittag abgesetzt, weil Lienen wegen privater Termine nicht teilnehmen konnte. Sie soll voraussichtlich am Dienstag oder Mittwoch nachgeholt werden. Dann sollte Klarheit herrschen.

Im Mittelfeld und im Angriff Verstärkungen nötig

Unabhängig davon, welcher Trainer das schwierige Unterfangen Rettung leiten soll, ist klar, dass Handlungsbedarf für Rettig besteht. In der am 1. Januar beginnenden Transferperiode muss der 53-Jährige die Baustellen schließen, die in der Hinrunde überdeutlich wurden.

Vor allem im offensiven und defensiven Mittelfeld fehlt es St. Pauli an individueller Klasse und Torgefahr. Auch im Sturm gibt es einen Mangel an Alternativen. Außer mit Abstrichen Bouhaddouz, der womöglich Mitte Januar für Marokko beim Afrika-Cup spielen muss (siehe Bericht unten), konnte kein Angreifer nachweisen, dass er St. Pauli helfen kann. Besonders der mit großen Hoffnungen von Dortmund verpflichtete Marvin Ducksch ist eine Enttäuschung. Nicht einmal in Ansätzen konnte der lethargisch wirkende und verletzungsanfällige Ex-Bundesligaprofi seine Zweitligatauglichkeit nachweisen.

Während der ehemalige Sportdirektor Thomas Meggle im Sommer auf Perspektivspieler oder zuvor lange verletzte Profis gesetzt hatte, müssen nun Soforthilfen her. Solche sind aber gerade im Winter nur schwer zu finden und vor allem schwer zu finanzieren für einen Club, dessen Budget überschaubar ist. Bereits jetzt liegt man vom Gehaltetat in der oberen Tabelle. Für den 2. Januar ist der Trainingsauftakt terminiert. Es wird die wichtigste Vorbereitung der jüngeren Vereinsgeschichte.