Bochum/Hamburg. Bochums Manager Christian Hochstätter spricht über den HSV und das Spiel gegen den FC St. Pauli am Millerntor.
Christian Hochstätter lacht. „Ob ich nach Hamburg mit gemischten Gefühlen komme?“, wiederholt der 53-Jährige die Frage. „Warum sollte ich?“, entgegnet er. Der Sportvorstand des VfL Bochum befindet sich gerade auf dem Trainingsgelände, als ihn das Abendblatt telefonisch erreicht. Vor der Zweitligapartie beim FC St. Pauli (Sa, 13 Uhr, Liveticker bei abendblatt.de) will er sich einen Überblick über die Verfassung seines Teams verschaffen: „Ich habe den HSV abgehakt, ich gehe meinem Job in Bochum nach.“
Vor vier Wochen noch wäre Hamburg beinahe seine neue Heimat geworden. Der ehemalige Bundesligaprofi war beim HSV lange Zeit Wunschkandidat für den zu besetzenden Managerposten. Nachdem sich beide Vereine nach einer tagelangen Hängepartie auf keine Ablösesumme einigen konnten, platzte der Deal. Hochstätter sagte dem Erstligisten ab, will nun seinen bis 2020 geltenden Vertrag beim Tabellenelften, den er erst im September verlängert hatte, erfüllen.
"Ich habe dem HSV selbst abgesagt"
„Ich bin überhaupt nicht enttäuscht, ich habe dem HSV ja selbst abgesagt“, resümiert der gebürtige Augsburger seine Entscheidung mit vier Wochen Abstand. Eine große Chance wäre es dennoch für ihn gewesen. „Natürlich denkst du darüber nach, wenn der HSV anfragt“, sagt Hochstätter, der nach seiner Spielerkarriere zunächst als Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 anheuerte. Der HSV sei in den 80er-Jahren mit Spielern wie Manfred Kaltz eine große Inspiration für seine sportliche Karriere gewesen.
Das alltägliche Chaos des Bundesligadinos verfolge Hochstätter allerdings kaum noch. „Ich habe mitbekommen, dass Heribert Bruchhagen neuer Vorstandsvorsitzender ist. Es tut mir für Dietmar Beiersdorfer leid, dass er gehen muss. Ich schätze ihn sehr“, sagt Hochstätter und fügt mit einem Seufzer hinzu: „Aber so ist das Geschäft. Bruchhagen ist ein guter Mann.“
Schnell hat Bochums Funktionär genug davon, über das Tête-à-Tête mit dem HSV zu reden und lenkt das Gespräch auf das bevorstehende Spiel gegen St. Pauli. „Es ist immer schwer, am Millerntor zu spielen. Mit den Fans im Rücken ist es nicht leicht, St. Pauli zu besiegen“, sagt Hochstätter, der davon überzeugt ist, dass das Team von Trainer Ewald Lienen zurzeit unter seinen Möglichkeiten spielt. „Vergangene Saison sind sie noch Vierter geworden. Es muss seine Gründe haben, dass es im Moment nicht läuft.“
Hochstätter glaubt an St. Paulis Klassenerhalt
Welche Gründe das sein könnten, mag Hochstätter aus der Ferne nicht beurteilen. „Ich weiß nicht, ob es die vielen Verletzten sind oder ob zu wenig Qualität im Kader steckt. Das kann ich schwer einschätzen“, sagt er. Trotzdem ist er sich sicher, dass St. Pauli den Klassenerhalt schafft: „Das haben sie vor zwei Jahren doch auch schon.“
In einigen Punkten lassen sich sogar gewisse Parallelen zwischen den Kontrahenten feststellen: Auch wenn die Verletzungssorgen aus Sicht des Kiezclubs kaum größer sein könnten als die eigenen, steckt Bochum in einem ähnlichen, wenn nicht sogar größeren Schlamassel. Beim letzten Zweitligaspiel des Jahres fehlen dem VfL Kapitän Felix Bastians (Muskelbündelriss), Stefano Celozzi (Muskelfaserriss), Patrick Fabian und Kevin Stöger (beide Kreuzbandriss). Ein Fragezeichen steht noch hinter vier weiteren Spielern. „Wir pfeifen aus dem letzten Loch“, gibt Hochstätter zu.
Besonders bemerkbar macht sich beim VfL der Abgang von Simon Terodde. Der Stürmer war in der letzten Saison mit 25 Treffern in 33 Spielen Bochums Torgarant. Kein Wunder, dass andere Vereine auf Terodde aufmerksam geworden sind und Bochum seinen Torjäger für drei Millionen Euro nach Stuttgart verkauft hat – dort traf er in der laufenden Spielzeit bisher elfmal in 14 Partien. „Wir haben unseren kompletten Sturm abgegeben, und nun fällt unglücklicherweise unsere Abwehr verletzt aus“, ärgert sich Hochstätter.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Genauso ersichtlich wie der Verkauf von Terodde war die schlechte Nachricht aus St. Paulis Verletztenlager, die der Trainer während der Pressekonferenz verkündete: „Lasse Sobiech, Richard Neudecker und Bernd Nehrig haben leichte Wehwehchen. Die drei haben regenerativ gearbeitet“, sagte Lienen. Ausgerechnet in der Phase, in der St. Pauli endlich seine vorläufige Stammformation gefunden und die Experimentierfreudigkeit beendet hat, kommen weitere Blessuren dazu. „Man muss abwarten und die angeschlagenen Spieler im Mannschaftstraining sehen. Das wird den Ausschlag geben“, sagte Lienen. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit.
Genauso wie der Abstiegskampf selbst, in dem sich das Zweitligaschlusslicht seit Beginn der Saison befindet. Bochum hat am vergangenen Spieltag gegen 1860 München erstmals nach vier sieglosen Spielen wieder gewonnen. Aber auch St. Pauli befindet sich seit zwei Partien (vier Punkte, kein Gegentor) im Aufwind. Und wer weiß: Wenn es der HSV schon nicht geschafft hat, kann vielleicht der FC St. Pauli mit einem Sieg dafür sorgen, dass Hochstätter in Zukunft doch mit gemischten Gefühlen nach Hamburg kommt.
FC St. Pauli: Heerwagen – Hedenstad, L. Sobiech, Gonther, Keller – Nehrig – Sobota, Neudecker, Choi, Miyaichi – Bouhaddouz. Bochum: Riemann – Gyamerah, Hoogland, Gül, Perthel – Losilla, Stiepermann – Merkel, Wurtz, Quaschner – Mlapa. Schiedsrichter: Zwayer (Berlin)