Hamburg. Kapitän Lasse Sobiech kann in Berlin spielen, weil das DFB-Urteil nach dessen Tätlichkeit nicht rechtzeitig eintreffen wird.
Wenn Ewald Lienen eine Pressekonferenz abhält, die kürzer als zehn Minuten dauert, muss man sich normalerweise Sorgen machen. Am Sonntagvormittag fasste sich der Trainer des FC St. Pauli aber bewusst kurz, nach neun Minuten und 30 Sekunden beendete der 62-Jährige die Medienrunde, schließlich war alles etwas hektisch.
10 Uhr: Beginn des Abschlusstrainings, 11.45 Uhr: Abpfiff, 12 Uhr: Pressekonferenz, anschließend noch eine kurze Mahlzeit, Sachen packen und ab zum Bahnhof Dammtor. Der Zug in die Hauptstadt um 13.29 Uhr, wo der Kiezclub an diesem Montag (20.15 Uhr, Sky und Abendblatt-Liveticker) auf Union Berlin trifft, wartet schließlich nicht.
Ebenfalls im Zug saß Lasse Sobiech. Nach seiner Tätlichkeit abseits des Spielgeschehens beim 2:2 am vergangenen Donnerstag gegen 1860 München läuft aktuell ein Ermittlungsverfahren seitens des Schiedsgerichts des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Bis Montagmittag muss St. Pauli eine schriftliche Stellungnahme nach Frankfurt schicken. Derzeit ist es unwahrscheinlich, dass die Juristen rechtzeitig vor dem Spiel bei Union ein Urteil fällen werden. Und selbst wenn: Da St. Pauli die Möglichkeit hätte, Rechtsmittel gegen eine Sperre einzulegen, deutet derzeit alles darauf hin, dass Sobiech gegen Berlin in der Startelf stehen wird. Die langsamen Mühlen der Bürokratie helfen St. Pauli vor dem wichtigen Union-Spiel.
Ohnehin plant Trainer Lienen keine großen personellen Veränderungen. Vor Beginn der englischen Woche liebäugelte er noch damit, auf einigen Positionen zu rotieren und frische Kräfte einzubauen. Doch eine reduzierte Trainingssteuerung in den vergangenen Tagen sorgte dafür, dass diese wohl nicht nötig sein wird. Seit dem Nord-Süd-Duell am Donnerstag war Aktiverholung angesagt. „Das Regenerationstraining haben die Jungs sehr gut gemacht. Sie konnten sich schön entspannen, bekamen Massagen von unserer medizinischen Abteilung“, sagte Lienen. „Körperlich sehe ich keine Gründe, viel zu ändern.“
Genügend Energie wird in dieser Woche auch benötigt. Nach dem Spiel bei Union Berlin reist St. Pauli am Sonnabend zum Bundesliga-Absteiger Hannover 96. Mittelfeldspieler Bernd Nehrig sagte zuletzt, dass man spätestens nach dem Berlin-Spiel wisse, wohin man in der Tabelle schauen muss. So weit will Lienen nicht vorausblicken. Sein Fokus liegt einzig und allein auf dem Duell mit Union Berlin, die Mannschaft der Stunde in der Zweiten Liga.
Seit der Niederlage am ersten Spieltag beim VfL Bochum hat die Mannschaft von Trainer Jens Keller nicht mehr verloren. Zuletzt gab es drei Siege in Folge. „Die haben einen Lauf. Union Berlin hat eine hohe Qualität und gehört zu sieben bis zehn anderen Teams, die um den Aufstieg mitspielen können“, sagte Lienen, der vor allem vor der Union-Offensive warnt.
Mit 14 Treffern stellt der Hauptstadtclub den zweitbesten Angriff der Liga. Allein Stürmer Collin Quaner traf sechsmal. „Ich kenne ihn noch aus meiner Zeit in Bielefeld. Er ist ein guter Kicker, schnell und torgefährlich. Er hat einen guten Schuss und kann aus vielen Situationen Treffer erzielen“, beschreibt ihn Lienen.
St. Pauli konnte zuletzt 2011 bei Union Berlin gewinnen
Die vergangenen Duelle mit Union liefen für St. Pauli eher suboptimal. Den bisher letzten Erfolg an der Alten Försterei gab es am 28. Oktober 2011. Damals, vor 1795 Tagen, siegten die Hamburger mit 2:0. Die Treffer erzielten Deniz Naki und Markus Thorandt. Aus dem aktuellen Kader steht mit Jan-Philipp Kalla nur noch ein Profi von einst im Kader der Braun-Weißen.
Lienen hat sich gewohnt akribisch mit dem Spiel der „Eisernen“ beschäftigt. „Wir müssen die Abstände zwischen den Linien klein halten, eng stehen und so das Kombinationsspiel verhindern. Je früher wir den Ball gewinnen, umso besser. Dann halten wir sie von unserem Tor fern und verhindern ihr frühes Pressing, durch das sie bereits vier Tore erzielen konnten.“ In der Offensivstärke der Berliner sieht der St.-Pauli-Coach aber auch eine (Konter-)Chance für sein Team.
Union lässt für ein Topteam überraschend viele Chancen zu. „Das müssen wir versuchen, für uns zu nutzen“, sagt Lienen, der zur Not immer noch auf die Kopfballstärke von Lasse Sobiech setzen kann – ehe der Kapitän wohl längere Zeit pausieren muss.