Hamburg. Noch führt Richard Neudecker einen Kampf gegen den eigenen Körper. Das 19 Jahre alte Talent war vor seinem Wechsel heiß begehrt.
Es war eine dieser Szenen, die erahnen ließ, welch großes Potenzial in Richard Neudecker schlummert. Enge Ballführung, ein kurzer Haken und ein platzierter Flachschuss in die lange Ecke. Viele Experten sehen in dem 19-Jährigen den Königstransfer des FC St. Pauli. Auch zahlreiche Erstligaclubs hatten Neudecker auf dem Zettel. Seine Qualität zeigen konnte der gebürtige Bayer bisher in der Zweiten Liga noch keine Minute.
Seit zehn Monaten plagt sich der sympathische Techniker mit einer Schambeinentzündung herum. Auf eine Operation wurde ebenso verzichtet wie auf eine Spritzenkur. Die letzten acht Monate bestanden aus Rehatraining. Das war so eintönig, dass sich der Youngster einen Gummiball in den Reha-Raum mitbrachte, um ein wenig das Gefühl zu bekommen, ein Fußballer zu sein. „Ich hätte es ohne den Gummiball sonst nicht mehr ausgehalten. Ich fühle mich wieder richtig gut“, sagt Neudecker, der sich mit einer Prognose, wann er wieder zum Kader gehören wird, bewusst zurückhält. Spricht man mit dem Mittelfeldspieler über seine Leidenszeit, so wirkt Neudecker klar und aufgeräumt. „Ich war fast zehn Monate schlecht drauf“, sagt das Talent und muss selbst grinsen, schließlich gilt er bei St. Pauli als der Sonnyboy.
St. Paulis Kader 2016/17:
St. Paulis Kader für die Saison 2016/17
„Meine Karriere geht jetzt erst los“
„Was einen nicht umbringt, macht einen stärker. Ich habe an meinen körperlichen Schwächen gearbeitet. An meinem schmächtigen Oberkörper, an der fehlenden Dehnbarkeit. Das hat mir geholfen. Meine Karriere geht jetzt erst richtig los“, sagt Neudecker, der schmerzfrei ist und lediglich noch seinen körperlichen Rückstand aufholen muss. Sein letztes Pflichtspiel war Ende Dezember im Trikot von 1860 München. „Ich bin noch nicht so spritzig wie die anderen Spieler, die in der Vorbereitung alles machen konnten. Wenn ich aber den Rückstand aufgeholt habe, könnte es mit meiner richtigen Rückkehr schnell gehen“, sagt Neudecker.
Ein Einsatz an diesem Freitag (19 Uhr) im Testspiel beim Wiener AK kommt für den Bayern noch zu früh. Er tritt die Reise nach Österreich nicht mit an. Ohnehin hat es Neudecker satt, bei Spielen seiner Kumpels auf der Tribüne zu sitzen und zum Zuschauen verdammt zu sein. „Ich habe gelernt, geduldig zu sein, aber wenn die Jungs verlieren, setzt es bei mir aus“, sagt Neudecker. „Wenn die Jungs jubeln, kann man nicht so richtig mitjubeln, wenn sie verlieren, kann man dem Team nicht helfen. Das ist einfach so schwer, auf der Tribüne glücklich zu sein.“
Die Aussicht, dass die Leidenszeit vorbei ist, hilft dem Spielmacher, der aber auch im defensiven Mittelfeld und als Linksverteidiger spielen kann. St. Pauli kann sich zeitnah auf einen neuen Hoffnungsträger freuen.
