Hamburg. Der Geschäftsführer des FC St. Pauli verfolgt die Entwicklung im Weltfußball mit Sorge. Rettig prangert den Gigantismus an.

Andreas Rettig, 52, war in seinem Element, als er am Mittwoch auf der Jahreshauptversammlung des Vereins Hamburger Sportjournalisten als Gastredner einen Vortrag über die Unterschiede zwischen Fußballvereinen und Wirtschaftsunternehmen hielt. Eloquent, mit einem Schuss Ironie, aber auch mit einer klaren Meinung referierte der Geschäftsführer des FC St. Pauli rund eine Stunde im Tennisstadion am Rothenbaum.

Dabei machte Rettig deutlich, dass es für Vereine wie St. Pauli immer schwerer wird, dem Gigantismus im Weltfußball zu folgen. „Der FC St. Pauli hat sich beschränkt, was wirtschaftliches Handeln angeht. Das zweitgrößte Pfund nach dem Verkauf von Anteilen ist der Stadionname. Da fällt einem auf der Einnahmeseite ordentlich etwas weg“, sagte Rettig, der nicht verhehlt, dass man vor einer Grundsatzentscheidung steht. „Wollen wir mit den großen Jungs spielen? Dann muss man gewisse Kompromisse eingehen, ohne seine Werte zu verraten. Wir müssen dann mit den Wölfen heulen“, sagte Rettig. Mit 19 Millionen Sympathisanten ist St. Pauli der viertbeliebteste Verein im Land. „Da müssen wir ehrlich sein. Das müssen wir kapitalisieren.“

Dass es immer mehr Kapitalgesellschaften gibt, sieht Rettig gelassen. Letztlich komme es auf die Kompetenz an, ob sich Erfolg einstellt oder nicht. „Egal in welcher Rechtsform. Wenn man in den Führungsgremien Pflaumen hat, bleiben sie Pflaumen. Zu glauben, eine Strukturveränderung führt dazu, dass Milch und Honig fließen, ist eine irrige Annahme“, sagte Rettig.

Zugleich prangerte der ehemalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga den Gigantismus im Weltfußball an. „Diese Entwicklung müssen wir mit Sorge verfolgen“, sagte Rettig auch in Bezug auf eine mögliche Europaliga. „Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass die Bundesliga unser Brot-und-Butter-Geschäft ist. Was wäre denn, wenn die Super League kommen würde? Jeden Tag kann man auch kein Filet essen, da würde man sich auch wieder auf Eintopf freuen“, sagte Rettig. Er fordert, dass sich auch Topclubs wie Bayern München klarer zur nationalen Liga bekennen. „Das ist unser Kerngeschäft. Das müssen wir stärken und nicht darüber reden, bald gegen eine Mond-Auswahl spielen zu wollen.“

Ohnehin wünscht sich Rettig mehr Solidarität unter den Profivereinen der Ersten und Zweiten Liga. „Früher haben sich die kleinen Clubs auch mal den Großen entgegengestellt. Das findet man heute nicht mehr. Mit Heribert Bruchhagen geht in Frankfurt der letzte Unerschrockene von Bord“, sagte Rettig: „Bayern München kämpft wie Real Madrid und Barcelona für andere Themen wie Europa League und anderen Käse. Die Solidarität hat sich verschoben. Das ist bedauerlich.“

Der FC Crotone hat seine Option gezogen und den von St. Pauli geliehenen Ante Budimir bis 2019 verpflichtet. Der kroatische Stürmer erzielte für den italienischen Zweitligisten, der vor dem Aufstieg steht, in 31 Ligaeinsätzen 13 Tore sowie eines im Pokal.