Hamburg. Auch der FSV Frankfurt ist nur die Nummer zwei der Stadt, schafft es aber seit acht Jahren in der Zweiten Liga zu überleben.

Ende letzter Woche noch hatte Clemens Krüger lange mit Andreas Rettig telefoniert. „Ich bin froh, jetzt jemanden wie ihn in der Zweiten Liga zu haben“, sagt der Geschäftsführer des FSV Frankfurt über seinen Kollegen beim FC St. Pauli. Bei dem Gespräch ging es weniger darum, wie der FSV am Freitag zum Spiel am Millerntor (18.30 Uhr) am besten das Stadion erreicht, oder wo man hinterher noch gut essen kann. Nein, der Gedankenaustausch ist regelmäßig, es geht darum, die Interessen der Zweitligisten zu stärken, sich zu behaupten im Schatten der Großen. Krüger und Rettich sehen sich da durchaus im gleichen Boot.

Die Rahmenbedingungen sind ja auch durchaus ähnlich. Beide Clubs sind die Nummer zwei in ihrer Stadt, sie müssen einen Weg finden, trotzdem gut zu existieren, eine Nische für sich entdecken, ein Alleinstellungsmerkmal. „Der FC St. Pauli hat das vor 20, 30 Jahren sehr gut geschafft, in dem er sich als alternativer Stadtteilverein mit mittlerweile bundesweiter großer Beliebtheit, Reichweite und Anhängerschaft etabliert hat. Das ist so einmalig in Deutschland“, sagt Krüger, der auch nach Berlin blickt: „Bei Union spielt im Unterschied zu Hertha BSC immer noch die Verankerung im Osten eine große Rolle.“ Und 1860 München ist ohnehin eine traditionelle Größe in München mit treuer Stammanhängerschaft. Aber der FSV? „Wir wollen sicherlich versuchen, unser Profil zu schärfen und noch cooler zu werden“, sagt Krüger.

Doch so einfach ist das nicht. Es gibt lnoch keine große Rivalität mit Eintracht Frankfurt, „wir spielen ja auch praktisch nie in einer Liga“, so Krüger, „und ich bin kein Freund davon, künstlich einen Konflikt vom Zaun zu brechen.“ Die Heimat im Stadtteil Bornheim, einer Frankfurter Mischung aus Schanze und Ottensen, reicht auch nicht, um sich ausschließlich darauf zu konzentrieren. „Wir sind zwar fest in Bornheim verwurzelt“, sagt Krüger, „die Statistiken zeigen aber, dass die Unterstützung im Stadtteil ausbaufähig ist.“ Wie ja die Unterstützung überhaupt ausbaufähig scheint: 5744 ist derzeit der Zuschauerschnitt im traditionsreichen Stadion am Bornheimer Hang, das seit zehn Jahren nach der Frankfurter Volksbank benannt ist und seit 2012 komplett renoviert ist. Zu keinem Zweitligisten gehen in dieser Saison weniger Besucher. „Wir müssen weiter den Weg der kleinen Schritte gehen“, sagt Krüger, „und immer etwas besser und pfiffiger sein, als die Konkurrenten.“

Seit 16 Jahren arbeitet der gebürtige Berliner in verschiedenen Funktionen beim FSV, der damals viertklassig war. Seitdem hat der Club einen langsamen aber stetigen Aufstieg genommen und sich im Profifußball etabliert. Seit 2008 gehört das Team ununterbrochen der Zweiten Liga an.

„Das geht nur, weil wir hier alle kontinuierlich, mit Herzblut und hoher Identifikation arbeiten“, meint Krüger. Präsident Julius Rosenthal übt das Amt seit fast acht Jahren aus, schon sein Vater stand dem Verein vor, Trainer Thomas Oral spielte von 2000 bis 2006 für den FSV und ist dort mit Unterbrechungen seit 2003 als Fußballlehrer tätig. So stellt sich der 1899 gegründete Traditionsclub schon fast als fußballromantischer Underdog dar. „Aus eigener Kraft“, lautete das Motto zum 115-jährigen Vereinsjubiläum. „So sehen wir uns: Als bodenständiger, volksnaher, familiärer und sehr ehrgeiziger Verein, der aus wenig viel herausholt. Dieses Markenprofil wollen wir schärfen“, sagt Krüger.

Der FSV hat ein Händchen für Talente, entdeckt Spieler, die anderswo durchgerutscht sind und wirtschaftet solide. 1,4 Millionen Euro nach Steuern lautete das Ergebnis der Fußball GmbH nach Steuern im letzten Geschäftsjahr. Diese Erfolge sind auch anderen Vereinen nicht verborgen geblieben. So hat der FSV Mainz 05 über Krüger ernsthaft als Nachfolger für den wohl zu Schalke 04 wechselnden Christian Heidel nachgedacht.

Am Freitag aber ist Krüger mit dem FSV in Hamburg, mit Rettig kann er sich dann auch noch einmal persönlich austauschen und gemeinsame Strategien für die Interessen der Zweitligisten bei den anstehenden Verteilungskämpfen um die Gelder aus dem kommenden TV-Vertrag entwickeln. Krüger ist da einer der Vordenker, der auch erst kürtzlich zum Gedankenaustausch der Gleichgesinnten nach Frankfurt geladen hatte. Rettig war gerne gekommen.