Berlin/Hamburg. Beim 3:3 bei Union Berlin verhinderten individuelle Fehler einen Auswärtssieg der starken St.- Paulianer. Himmelmann sarkastisch.
Es genügte am Sonntagmorgen ein Blick in die Gesichter der Profis des FC St. Pauli, um zu erahnen, dass das 3:3 bei Union Berlin am Sonnabendnachmittag kein Spiel wie jedes andere war. Die Mienen waren ernst, das Lächeln fiel eher gequält aus, als sie zum Ausradeln ins Niendorfer Gehege fuhren. So, wie die Kiezkicker dreinblickten, war klar, wie sie das Unentschieden in der Hauptstadt einordnen. „Das war eine bittere Pille und tat weh. Wir können viel Positives herausziehen, aber am Tag danach ist so etwas noch nicht vergessen“, sagte Rechtsverteidiger Marc Hornschuh.
Dabei war es über den Großteil der 90 Minuten ein Auswärtsspiel, wie es sich der Tabellendritte im Vorfeld auf dem Reißbrett hätte erstellen können. Defensiv ließen die Kiezkicker den Berlinern keine Luft zum Atmen und stellten die Räume klug zu. Bei Ballbesitz von Union verteidigten alle elf Hamburger in der eigenen Hälfte. Eine Spielweise, die den Gastgeber vor große Probleme stellte. Unions Spielmacher Dennis Daube, der zuvor elf Jahre für St. Pauli gespielt hatte, wurde durch geschicktes Doppeln der beiden Hamburger defensiven Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski und Christopher Buchtmann völlig aus dem Spiel genommen.
Union-Fans weckten die Profis
Hinzu kamen immer wieder kleine Nadelstiche nach vorn. Waldemar Sobota, der erstmals in seiner Zeit bei St. Pauli auf der Zehner-Position auflief, verwertete sehenswert eine Flanke von Daniel Buballa zur verdienten Führung. Das Lienen-Team hatten den Gegner da, wo es ihn haben wollte.
Die Körpersprache der Berliner war zunehmend negativ geprägt. Immer wieder winkten sie nach von St. Pauli provozierten Ballverlusten entnervt ab. Nach 22 Minuten skandierten die Union-Anhänger im ausverkauften Stadion an der alten Försterei: „Aufwachen, aufwachen!“
Später Ausgleich: St. Pauli verpasst Sieg in Berlin
Himmelmann patzt erneut
Umso ärgerlicher war es, dass die Gäste es nicht schafften, die Verunsicherung von Union zu nutzen. Im Gegenteil. Durch individuelle Fehler holte St. Pauli die Berliner wieder ins Spiel. Dem Ausgleichstreffer von Eroll Zejnullahu ging ein kapitaler Fehler von Torhüter Robin Himmelmann voraus. Der 26-Jährige ließ eine eigentlich harmlose Halbfeldflanke zur Überraschung aller ins Netz flutschen. Kurios: Bereits beim letzten Duell in der Hauptstadt (0:1) unterlief Himmelmann ein folgenschwerer Fehler, als er bei einem Rückpass am Ball vorbeigetreten hatte. „Dieses Mal hat der Maulwurf den Kopf eingezogen“, flüchtete sich der Torwart in Sarkasmus, um dann unumwunden zuzugeben, dass es für diesen Fehlgriff keine Entschuldigung gab. „Den kann ich halten. Der Ball fällt irgendwie in den matschigen Fünfmeterraum. Letztes Mal sprang der Ball hoch und ich haue drunterdurch, heute springt er gar nicht. Da sehe ich doof aus“, sagte Himmelmann.
Lienen ärgert sich über Picault
Nicht minder dumm sah Fabrice-Jean „Fafa“ Picault unmittelbar vor der Halbzeitpause aus. Einen langen Pass versuchte der Haitianer locker-lässig ins Toraus rollen zu lassen, doch er machte die Rechnung ohne Michael Parensen. Der Berliner ergrätschte sich den Ball und spielte ihn in die Mitte, wo Maximilian Thiel aus kurzer Distanz nur noch zum 2:1 einschieben musste.
Was Trainer Lienen besonders erboste, war die Tatsache, dass Picault, der ansonsten ein ordentliches Startelfdebüt feierte, keine Anstalten machte, seinen Fehler auszumerzen. Stattdessen stand er mit erhobenem Arm wie eine Statue da, um zu signalisieren, dass das runde Leder vermeintlich im Aus war. „Das ist albern. So einen Ball muss ich weghauen“, kommentierte Trainer Lienen das Zweikampfverhalten von Picault, der sich am Tag danach einsichtig zeigte. „Ich muss mich da anders verhalten und weiterspielen. Dieser Fehler wird mir sicher nicht noch einmal unterlaufen“, sagte der Haitianer mit US-amerikanischem Pass.
2500 St.-Pauli-Fans in Ekstase
Und so wurde die Partie zu einem Charaktertest, den St. Pauli mit Bravour bestand. Was die Kiezkicker in den zwanzig Minuten nach dem Seitenwechsel ablieferten, war eine Demonstration der eigenen Stärke. Der eingewechselte Sebastian Maier traf innerhalb kürzester Zeit zweimal den Torpfosten und leitete so die Aufholjagd ein. Der überragende Rechtsverteidiger Hornschuh traf mit einem beherzten Flachschuss aus 16 Metern zum Ausgleich, ehe 18 Minuten später Jeremy Dudziak die mitgereisten 2500 St.-Pauli-Anhänger mit seinem ersten Zweitligatreffer in Ekstase versetzte. Mit dem Rücken beförderte der Linksaußen einen Eckball von Marc Rzatkowski über die Linie.
Bis zur 93. Minute verteidigte St. Pauli mit großer Leidenschaft die knappe Führung, ehe Benjamin Kessel mit seinem Last-Second-Tor für die „gefühlte Niederlage“, wie es Kapitän Lasse Sobiech umschrieb, sorgte. „Das ist schon bitter, wenn man drei Tore auswärts schießt und trotzdem nicht gewinnt“, sagte Himmelmann.
Gänzlich unverdient war der späte Ausgleich nicht. In der Schlussviertelstunde pressten die Berliner das Lienen-Team in die eigene Hälfte. St. Pauli ist es nicht gelungen, für Entlastung zu sorgen und sich so dem Druck der Gastgeber zu entziehen. „Es kann nicht sein, dass wir am Ende mit drei gegen fünf Unterzahl im eigenen Strafraum stehen“, ärgerte sich Lienen, der trotz allem ein positives Fazit zog. „Wir haben eine Riesenmoral gezeigt und sind stolz auf die Leistung.“