Hamburg . St. Paulis Kapitän lobt die Einstellung und Moral seiner Kollegen. Gonther hofft auf Verständnis der Fans für defensive Ausrichtung.

Am Mittwoch hatte Sören Gonther zwischen den beiden Trainingseinheiten noch einen wichtigen Termin. „Ich muss dringend zum Friseur. Die langen Haare sind ja nicht mehr schön“, sagte der Kapitän des FC St. Pauli, wobei das Attribut „lang“ im Vergleich zur Haartracht seines Trainers Ewald Lienen zu dessen aktiver Zeit stark zu relativieren ist.

Trotz des durchstrukturierten Zeitplanes nahm sich Gonther nach der ersten Einheit, in der Kraftübungen an den Geräten und Sprints zum Teil mit Gewichtsschlitten auf dem Programm standen, Zeit für ein Gespräch mit dem Abendblatt vor den letzten acht Punktspielen der aktuellen Zweitligasaison. Bekanntlich geht der FC St. Pauli als Tabellenschlusslicht in das letzte knappe Viertel der Spielzeit – immerhin punktgleich mit dem Tabellen-17. Erzgebirge Aue und dem 16. VfR Aalen, dem die DFL wegen Lizenzverstößen zwei Zähler abgezogen hat.

„Dies ist ja aber vielleicht noch nicht das letzte Wort, Aalen hat ja Protest eingelegt. Doch nicht nur deshalb sollten wir ausschließlich auf uns schauen und selbst dafür sorgen, möglichst viele Punkte zu holen“, sagt Gonther.

Das Punktesammeln hat in den vergangenen Wochen allerdings weniger gut funktioniert als es Gonther und seine Mitspieler nach dem sehr intensiven und vielversprechenden Trainingslager Mitte Januar erhofft und auch erwartet hatten. „Es ist extrem wichtig, einen guten Start hinzulegen und gegen die direkten Konkurrenten zu punkten“, hatte St. Paulis Kapitän zum Abschluss der Tage von Belek an der türkischen Riviera noch gesagt. Doch dann gab es in den Partien gegen Sandhausen, Aue, Fürth und 1860 München, die allesamt im unteren Tabellendrittel standen und dort auch jetzt noch zu finden sind, lediglich vier von zwölf möglichen Punkten. Der einzige Sieg nach der Winterpause gelang den Kiezkickern danach beim aktuellen Tabellen-Sechsten Eintracht Braunschweig.

Fest von Platz 15 überzeugt

„Ich bin trotzdem fest davon überzeugt, dass wir mindestens 15. werden und damit den Klassenerhalt auch noch auf direktem Wege erreichen können“, sagt Gonther. „Wir sind in der Defensive deutlich stabiler geworden und haben auch in jedem Spiel gute Chancen. Leider haben wir diese bisher nur zu wenig genutzt. Aber verzweifelt wäre ich nur, wenn wir uns gar keine Tormöglichkeiten erarbeiten würden“, sagt der Kapitän weiter.

Aus diesem Grunde sei der unter Trainer Lienen, der seit dem 16. Dezember vergangenen Jahres im Amt ist, eingeschlagene Weg weiterhin richtig. „Unsere Trainingsarbeit, die Einstellung und der Aufwand, den wir in jedem Spiel betreiben, sind absolut gut. Dazu kommt die Aggressivität und Galligkeit im Spiel. Dies alles ist die Basis. Der Sieg in Braunschweig hat uns eben auch bewiesen, dass wir damit Erfolg haben können“, sagt Gonther.

Umso mehr nervt es St. Paulis Innenverteidiger ebenso wie seine Kollegen, dass man zuletzt in den meisten Spielen das bessere Team war, am Ende aber nur mit einem Punkt oder sogar mit leeren Händen dastand. „Vor allem bei 1860 München hätten wir gewinnen müssen und haben am Ende nicht einmal einen Punkt geholt“, erinnert sich Gonther nur noch ungern an jene Partie, in dem er mit einem Eigentor für den frühen Rückstand verantwortlich war. „So eine unglückliche Aktion ist mir in 150 Spielen zuvor nicht passiert und wird es hoffentlich auch künftig nicht mehr passieren“, sagt er und denkt dabei auch an die zahlreichen anderen Missgeschicke, die seiner Mannschaft zuletzt in einer ungewöhnlichen Häufung widerfahren waren. „Wie die Mannschaft auf diese Rückschläge immer wieder reagiert und immer wieder aufsteht, ist beeindruckend und macht mich sicher, dass wir es schaffen werden, in der Liga zu bleiben. Bei keinem einzigen Spieler von uns, egal ob er viel oder wenig spielt, ist auch nur ein Tick Verzweiflung zu erkennen. Das gibt uns Kraft und Stärke“, betont Gonther.

Bessere Chancen gegen Spitzenteams?

Dabei bezieht er im Hinblick auf den Saisonendspurt seine Hoffnung auch daraus, dass nun fast ausschließlich noch Gegner kommen, die nicht mehr gegen Abstieg kämpfen und von ihrer grundsätzlichen taktischen Ausrichtung weniger defensiv auftreten als dies bei den Teams aus dem Tabellenkeller der Fall war.

„Schon bei unserem Sieg in Braunschweig hat man gesehen, dass es uns entgegenkommt, wenn der Gegner nicht so tief steht. Insofern kommen jetzt Mannschaften, die uns besser liegen sollten“, sagt Gonther und schaut dabei auf das Heimspiel am Ostermontag (20.15 Uhr /Sky live und Liveticker abendblatt.de) gegen den Tabellenfünften Fortuna Düsseldorf sowie auch die dann folgende Auswärtspartie beim Vierten Karlsruher SC. „Beide werden gegen uns sicherlich nicht mauern, so dass wir dann auch Platz zum Kontern bekommen werden“, sagt Gonther. Auch die weiteren Gegner Nürnberg (Heim), Heidenheim (auswärts), Leipzig (H), Kaiserslautern (A), Bochum (H) und schließlich Darmstadt (A) gehören weitgehend in diese Kategorie.

Gonther ist dabei zuversichtlich, dass die eigenen Fans auch in den Heimspielen Verständnis dafür aufbringen, wenn die eigene Mannschaft nicht bedingungslos offensiv agiert, dafür am Ende aber gewinnt. Einen Heimsieg hat es in diesem Kalenderjahr am Millerntor nämlich noch nicht gegeben.