Hamburg. Mit dem FSV Frankfurt tritt Benno Möhlmann beim FC St. Pauli an. Der Rekordtrainer im Interview über soziale Medien, Ewald Lienen und seine HSV-Zeit.

Richard Golz, Armin Eck, Thomas von Heesen, Yordan Letchkov... Was sich liest wie ein Auszug aus der HSV-Traditionself, ist ein Teil der Mannschaft, die Benno Möhlmann 1992 bei seinem Debüt als Hamburger Cheftrainer in Wattenscheid auf den Platz schickte. 752 Spiele an der Seitenlinie sollten folgen, doch müde ist Möhlmann, 60, noch lange nicht. An diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) trifft er mit dem FSV Frankfurt in der Zweiten Liga beim FC St. Pauli an.

Hamburger Abendblatt: Herr Möhlmann, macht es Ihnen nach 40 Jahren Profifußball noch Spaß, Interviews zu geben?

Benno Möhlmann: Es gibt immer mal wieder interessante Themen und neue Fragen. Ich mag aber nicht gerne diese Umfragen vor der Saison. Wer steigt ab, wer steigt auf? Ich habe nichts gegen diese Spielchen, solange ich nicht daran teilnehmen muss (lacht). Da bin ich nicht immer so nett.

Haben Sie denn Spaß beim Blick auf die Rückrundentabelle?

Möhlmann: Da habe ich noch nicht draufgeguckt.

Ihre Mannschaft führt diese Tabelle an.

Möhlmann: Das habe ich mir schon ein paar Mal anhören müssen. Bei uns war es eine Entwicklung, die absehbar war. Wir hatten sportliche Verluste vor der Saison, vor allem auf den Außenbahnen mit Mathew Leckie und Michael Görlitz. Dass die Nachfolger Zeit brauchen, ist normal. Trotzdem musste man nicht so schlecht starten wie wir.

Nach sieben Spieltagen waren Sie Letzter. Dann kam das Spiel gegen St. Pauli, als Sie einen 0:2-Rückstand drehten.

Möhlmann: Ich glaube schon, dass uns dieses Spiel Mut gemacht hat, auch wenn wir am Ende noch das 3:3 bekommen haben. Es hat uns Selbstbewusstsein gegeben, so einen Rückstand noch umzubiegen.

Der FSV kletterte stetig nach oben, während St. Pauli in den Keller rutschte. Können Sie sich den Absturz erklären?

Möhlmann: Nein. Der Kader ist in der Gesamtheit gut aufgestellt. Aber wenn bestimmte Dinge nicht so passen und man in so einen Sog reingerät, ist nicht immer alles zu erklären.

Ihre ehemaligen Leistungsträger Görlitz und John Verhoek haben Probleme, sich bei St. Pauli durchzusetzen.

Möhlmann: Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Die beiden waren bei uns sehr wichtig. Sie konnten aber nicht damit rechnen, bei St. Pauli sofort Stammspieler zu werden, auch wenn sie jetzt wie bei uns gegen den Abstieg kämpfen.

Gegen St. Pauli machen Sie Ihr 493. Zweitligaspiel als Trainer. Spüren Sie gar keine Ermüdungserscheinungen?

Möhlmann: Es gibt immer wieder neue Situationen innerhalb einer Saison, eine Mannschaft braucht immer wieder neue Lösungen. Das führt bei mir nicht zur Ermüdung oder Lustlosigkeit, mir macht das Spaß. Ich bin jeden Tag gerne mit der Mannschaft auf dem Platz. Wenn ich in drei bis vier Jahren mal aufhöre, wird mir etwas fehlen.

St. Paulis Trainer Ewald Lienen setzt auf vollwertige Ernährung und koffeinfreien Cappuccino. Was ist Ihr Energierezept?

Möhlmann: Das hat Ewald aber mit einem Schmunzeln erzählt, oder (lacht)? Ich habe keine strikte Linie im Ernährungsbereich. Ich trinke gerne abends mal ein Glas Wein oder ein Bier. Manchmal auch ein zweites. Da bin ich relativ normal. Ich versuche etwas weniger zu essen, seit ich nicht mehr Fußball spiele, aber das ist auch alles.

Brauchen Sie keine Ruhepausen?

Möhlmann: Ich bin einen Tag in der Woche in Bremen bei meiner Familie. Dann lasse ich mein Handy liegen und mache Dinge, die nichts mit dem Verein zu tun haben. Das klappt ganz gut.

Verbindet Sie mit Lienen mehr als die Tatsache, dass Sie die ältesten Trainer der Liga sind?

Möhlmann: Wir sind in der gleichen Fußballerzeit erwachsen geworden und haben eine ähnliche Einstellung zum Fußball. Ewald hat aber zum Beispiel mehr Einfluss genommen auf die Spieler im Ernährungsbereich.

1987 haben sie gemeinsam die Vereinigung für Vertragsfußballer gegründet.

Möhlmann: Darüber sprechen wir noch gerne, wenn wir uns auf Trainertagungen treffen. Mit Ewald kann ich mich immer gut unterhalten über übergeordnete Themen wie Sportpolitik, dann komme ich auf andere Gedanken. Meistens ist die Zeit im Tagesgeschäft dafür aber zu kurz.

Schmunzeln Sie dann auch zusammen über junge Trainer, die sich mit modernen Motivationstechniken profilieren wollen?

Möhlmann: Da schmunzele ich nicht drüber. Ich bin Pragmatiker und weiß, dass das eine Entwicklung ist. Man muss heute anders an den Fußball herangehen, als wir das früher gemacht haben. Aber das mache ich ja auch. Ewald Lienen und ich haben beide über die Jahre einen individuellen Stil entwickelt, der die modernen Trainingsmethoden beinhaltet.

Hat sich die Methodik stark verändert, seit Sie 1992 beim HSV Trainer wurden?

Möhlmann: Die Spieler wollen heute mehr erklärt haben, mehr Hintergründe wissen. Man muss ihnen aber auch mehr erklären, weil das selbstständige Lernen ein bisschen abhanden gekommen ist. Früher haben mich auch ältere Spieler erzogen. Da haben die Trainer weniger erzählt. Die haben das Programm festgelegt und es kontrolliert. Ich habe teilweise mehr von den Mitspielern gelernt als von den Trainern.

Sind die Spieler sensibler geworden?

Möhlmann: Es gab früher auch sensible Spieler. Heute läuft es in der Gesamtheit stromlinienförmiger ab. Es gibt nicht mehr so individuell starke Charaktere. Die Spieler sind empfindlicher geworden, weil die Außenwirkung über die Öffentlichkeit größer geworden ist. Alles ist transparent. Früher hat man die Dinge intern in der Kabine ausgetragen. Wenn ich da an den Vorfall in Hamburg denke...

...als Sie beim HSV im April 1994 Harald Spörl in der Halbzeit vor Wut vor das Schienbein getreten haben...

Möhlmann: Das hatten wir einen Tag später bereinigt. 14 Tage später wurde das Thema öffentlich, weil die Frau eines Journalisten beim selben Friseur war wie die Frau von Spörl. Das würde heute schneller gehen. Wahrscheinlich gäbe es direkt ein Handyfoto (lacht).

Dürfen Ihre Spieler Fotos aus der Kabine posten?

Möhlmann: Ich bin nicht bei Facebook und überprüfe das nicht. Bei uns wird nicht telefoniert in der Kabine. Die modernen Medien kann ich aber nicht kontrollieren, daher gibt es auch keine Verbote. Früher haben wir viel Karten gespielt, was dann in schlechten Phasen auch verboten wurde. Wichtig ist aber, die wirkliche Ursache von schlechten Leistungen zu finden.

Sprechen Sie heute anders mit Spielern?

Möhlmann: Ich bringe den Spielern aus der zweiten Reihe heute mehr Verständnis entgegen. Da konnte ich mich früher nicht so reindenken, da ich selbst immer Stammspieler war und mich mit der Psyche nicht beschäftigt habe. Ansonsten habe ich nicht so viel verändert. Ich versuche sehr direkt zu sein in der Ansprache. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich das.

Würde es Sie nochmal reizen, in Hamburg zu arbeiten?

Möhlmann: Das ist mittlerweile utopisch. Ein paar Jahre früher hätte ich mir das vorstellen können. Ich habe jetzt aber mit dem FSV einen Verein gefunden, bei dem es gut passt.

Warum tun sich Trainer beim HSV als auch auf St. Pauli so schwer?

Möhlmann: Die Erwartungen in Hamburg sind hoch. Der HSV denkt immer an den Europacup, St. Pauli will stets um den Aufstieg mitspielen. Wenn man diese Ansprüche hat, muss der Verein die Basis schaffen. Dann muss man auch einen Trainer holen, dem man das zutraut und zu dem man steht. Wenn in diesem Miteinander zu viele Zweifel bestehen, kann das nichts werden. Die Trainer sind nie die Alleinschuldigen.