St. Paulis Innenverteidiger Lasse Sobiech spricht über seine Trainer und warum er trotz negativer Erlebnisse so gern in Hamburg lebt

Hamburg. Wenn der FC St. Pauli an diesem Sonnabend um 15.30 Uhr gegen den FC Ingolstadt 04 (Sky live) im Millerntor-Stadion sein erstes Spiel der neuen Zweitliga-Saison bestreitet, wird in der Innenverteidigung Lasse Sobiech, 23, allein schon wegen seiner Körpergröße von 1,96 Metern herausragen. Aber auch in sportlicher Hinsicht verspricht sich St. Paulis Trainer Roland Vrabec von Sobiech eine deutliche Stärkung der Defensive sowie Torgefährlichkeit bei eigenen Ecken und Freistößen.

Der aus Schwerte stammende Westfale Sobiech, der im Alter von zwölf Jahren zu Borussia Dortmund wechselte und hier 2010 in den Profikader aufrückte, hat bisher in Hamburg dreimal schlechte Erfahrung gemacht. Bei einem Urlaubstag in der Hansestadt vor vier Jahren klemmte ein Alsterdampfer sein vom Anleger herunterhängendes linkes Bein ein. Bei seinem ersten Gastspiel beim FC St. Pauli prallte er bei einer Rettungsaktion so stark an den Pfosten, dass er danach monatelang ausfiel. Und in der vergangenen Saison unterliefen ihm in Diensten des HSV im Spiel gegen Mönchengladbach zwei krasse Fehler, die zur 0:2-Niederlage führten. Trotz allem ist Sobiech in Hamburg geblieben, ließ sich zum FC St. Pauli verleihen und verzichtete dabei auf einen Teil seines Gehaltes. „Die positiven Dinge überwiegen. Ich fühle mich in Hamburg richtig wohl“, sagt Sobiech im Gespräch mit dem Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Seit dem 18. Juni haben Sie sich auf die neue Saison vorbereitet. Jetzt endlich geht es an diesem Sonnabend los. Wie anstrengend, aber auch wie nervig waren die vergangenen Wochen des Trainierens ohne echten Wettkampf?
Lasse Sobiech: Von Beginn der Vorbereitung an hat man natürlich schon den ersten Spieltag im Auge. Aber für mich ging es speziell darum, mir in der gesamten Vorbereitung wieder eine richtige Fitness anzueignen. In den letzten Wochen beim HSV hatte ich noch mit einer Knieverletzung zu kämpfen. Den Urlaub habe ich dann genutzt, um mein Knie zu schonen. Daher habe ich etwas länger gebraucht, um wieder richtig fit zu werden. Deshalb war es auch ganz gut, dass wir eine so lange Vorbereitung hatten.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie persönlich, aber auch das gesamte Team jetzt optimal vorbereitet sind für die anstehenden Aufgaben?
Sobiech: Seit zwei Wochen fühle ich mich richtig fit und bereit für die Aufgaben in der Liga. Insgesamt sind wir auf jeden Fall auch top vorbereitet. Aber um zu sehen, wo man wirklich steht, muss man immer die ersten Spiele abwarten. Dann kann man erst beurteilen, wie stark wir im Vergleich zu den anderen Teams der Liga sind und nicht zu einer italienischen Mannschaft wie Udinese Calcio oder dem Team von Celtic Glasgow, das nicht mit seinen besten Spielern angetreten ist.

Sie sind jetzt eine Leihgabe des Stadtrivalen HSV, waren aber auch vor drei Jahren schon beim FC St. Pauli. Gab es in den vergangenen Wochen irgendwelche negativen Reaktionen von Fans des einen oder anderen Clubs.
Sobiech: Natürlich bekommt man etwas davon mit. Ich nehme das aber auch keinem übel. Das ist doch ganz normal. Ich komme ja aus dem Westen. Wenn dort ein Spieler von Dortmund zu Schalke oder umgekehrt gehen würde, wäre das ja auch so oder noch intensiver. Das gehört im Fußball auch ein bisschen dazu. Unabhängig davon, was so im Internet geschrieben wird, war für ich einfach wichtig, dass ich von den Leuten, die ich persönlich immer wieder treffe, eine Reaktion bekomme. Und die war durchweg positiv. So bin ich hier beim FC St. Pauli total herzlich aufgenommen worden. Die meisten haben sich sehr gefreut, dass ich wiedergekommen bin. Und als ich mich beim HSV verabschiedet habe, haben mir die Leute dort alles Gute gewünscht.

Und wie ist das auf der Straße? Fällt da schon mal das Wort „Verräter“, oder bleibt es beim Flachs?
Sobiech: Ab und an gibt es einen Spruch, aber wirklich nur selten. Ich bin ja auch nicht Rafael van der Vaart, den auf der Straße jeder erkennt. Wenn meine Freundin mit mir über die Straße geht, brauchen sie und ich jedenfalls keine Angst zu haben, dass es zu einer blöden Situation kommt.

Ihre Liebe zu Hamburg muss riesengroß sein. Dreimal haben sie in dieser Stadt schon negative Erfahrungen gemacht, mit dem Alsterdampfer-Unfall, mit der schweren Verletzung nach dem Zusammenprall mit dem Pfosten und einem insgesamt sehr unglücklichen Jahr beim HSV. Dennoch sind Sie nicht aus der Stadt geflüchtet. Was hält Sie in Hamburg?
Sobiech: Die positiven Dinge überwiegen einfach. Natürlich gab es in der Vergangenheit Situationen, die ich mir nicht unbedingt gewünscht hätte. Aber wenn ich zurückblicke, hatte ich viele tolle Momente – sowohl im ersten Jahr beim FC St. Pauli als auch beim HSV, auch wenn dort die ganze Saison nicht positiv war. Dazu gab es viele schöne Momente außerhalb des Fußballs, die dazu beitragen, dass ich mich hier in Hamburg richtig wohlfühle.

Was hat die Stadt für Sie, was andere nicht haben?
Sobiech: Ich bin der Typ, der gern mal am Wasser ist. Das gefällt mir besser als die Berge im Süden. Dazu liegt mir die Mentalität der Menschen in Hamburg mehr als in anderen Regionen. Und wichtig sind mir auch die Menschen, die in der Zeit beim FC St. Pauli und beim HSV kennengelernt habe. Das sind richtig nette Leute dabei.

Wie intensiv verfolgen Sie jetzt den HSV. Was ist in der neuen Saison zu erwarten?
Sobiech: Genauso wie ich die Dortmunder Jungs oder die Fürther verfolge, finde ich es natürlich auch spannend, wie es beim HSV läuft. Es kann wieder richtig spannend werden. Es ist wichtig, dass die Mannschaft wieder richtig zusammenfindet. Es kann super laufen, aber es kann auch wieder so sein, dass es am Anfang schwierig wird.

Als Sie das erste Mal bei St. Pauli waren, spielte die Mannschaft nach dem Bundesliga-Abstieg eine starke Saison und verpasste den Wiederaufstieg als Vierter nur knapp. Inwiefern unterscheidet sich das aktuelle Team von dem von 2011?
Sobiech: Wir sind jetzt deutlich jünger. Damals waren noch eine Reihe von Spielern dabei, die zur früheren St.-Pauli-Generation gehörten, wie Fabian Boll, Marius Ebbers, Florian Bruns und Carsten Rothenbach. Vor einem Jahr sind einige jüngere Spielern dazu gekommen. Das ist die neue St.-Pauli-Generation, die jetzt aufgebaut wird. Fußballerisch haben wir uns sicher nicht verschlechtert, ebenso nicht im Liga-Vergleich. Deshalb muss unser Ziel sein, wieder dort anzusetzen, wo wir vor drei Jahren waren.

Sie haben in Ihrer bisherigen Karriere schon einige Trainer erlebt, und zwar nicht allein deshalb, weil der HSV in der vergangenen Saison gleich drei Cheftrainer hatte. Wo ordnen Sie Roland Vrabec in dieser Liste ein?
Sobiech: Es stimmt, dass ich schon sehr viele Trainer hatte. Ich denke, dass Roland Vrabec sehr ehrgeizig und motiviert ist. Er lebt seinen Beruf einfach. Wir merken das immer wieder auf dem Platz. Wenn ihm etwas nicht gefällt, regt er sich nicht nur kurz mal darüber auf. Vielmehr spürt man, dass da wirklich Emotionen dabei sind. Er ist bei jedem Spiel, aber auch bei jedem Training heiß und kann mit dieser Mentalität auch eine Mannschaft mitziehen.

Von welchem Trainer haben Sie bisher am meisten gelernt? Sie haben ja schon einige gehabt, allein drei in einem Jahr beim HSV.
Sobiech: Das hängt sicherlich mit dem Alter zusammen. Als ich bei Borussia Dortmund im Profikader war, gehörte ich zu den jüngsten Spielern. Da habe ich von Jürgen Klopp sehr viel mitgenommen. Es ging für mich damals ja nicht darum, Stammspieler zu werden und Mats Hummels oder Neven Subotic zu verdrängen, sondern mich anzupassen und viele Erfahrungen zu sammeln, wie es im Profifußball so läuft. Diese Anfangszeit hat mich sehr geprägt. Insgesamt habe ich natürlich von allen Trainern etwas gelernt.

Wie schätzen Sie die Zweite Liga in dieser Saison ein? Wo kann der FC St. Pauli landen?
Sobiech: Das ist sehr schwer einzuschätzen, weil so viele gute Spieler hin- und hergewechselt sind. Einige Mannschaften haben sich deutlich verstärkt, andere mussten viele Spieler abgeben. Ich glaube, dass wieder ein sehr großer Teil der Mannschaften lange oben mitspielen wird und ein ebenso großer Teil gegen den Abstieg spielen wird. Ein Mittelfeld, in dem man sich ausruhen kann, wird es nicht geben. Wir wollen natürlich zu denen gehören, die oben mitspielen.

Sie fahren einen Audi A3. Das ist selbst für St.-Pauli-Verhältnisse ein recht bescheidenes Auto. Haben Sie noch einen anderen Wagen in der Garage stehen?
Sobiech: Seit ich meinen Führerschein besitze, fahre ich einen A3. Das Modell habe ich allerdings seitdem schon mal gewechselt. Ich komme damit gut klar und habe keine Lust, viel Geld für ein Auto auszugeben. Ich habe auch nicht so ein großes Faible für große und schnelle Autos.