Bei St. Pauli stand der Torhüter auf dem Abstellgleis, nun will er mit Sturm Graz in die Europa League. Wortführer Pliquett wird sogar als möglicher neuer Kapitän gehandelt.

Hamburg. Eine Woche lang wachte er jede Nacht auf. Die Bilder gingen Benedikt Pliquett nicht aus dem Kopf. Verlängerung, 98. Minute, Freistoß für St. Pölten: Sturm-Torhüter Pliquett kann den Ball nicht festhalten, Gary Noël staubt zum 1:0 ab. Erstligist Graz scheidet im Halbfinale des österreichischen Pokals aus, der Zweitligist zieht ins Finale ein. Für den 29-Jährigen zerplatzte an jenem 7. Mai der Traum von der Europa League jäh. Weil Finalist RB Salzburg schon für Europa qualifiziert war, hätten die Grazer auf großer Bühne antreten dürfen. „Es war sehr bitter, aber die Saison war dennoch sehr, sehr gut für mich“, sagt der Ex-St.-Paulianer mit ein wenig Abstand.

Von der Tribüne am Millerntor nach Europa – diesen Sprung hätte der Hamburger in nur neun Monaten schaffen können. Als Pliquett im September nach neun Jahren seine große Liebe St. Pauli verließ, spielte er in den Planungen der Verantwortlichen keine Rolle mehr. „Für mich war das Thema schon länger durch“, sagt der Publikumsliebling heute.

In Graz fand Pliquett rasch Anerkennung, weil er sich auch außerhalb des Platzes so einsetzt, wie er es auf St.Pauli stets tat: „Es gibt kein zweites St. Pauli für mich, aber mit Graz habe ich einen Verein gefunden, mit dem ich mich identifizieren kann“, sagt er.

Auch dort ist er Fan-Liebling, initiiert Aktionen mit den Anhängern und machte sich jüngst für eine Übertragung des Stadions von der Stadt an den Verein stark. Pliquett spricht stets Klartext: „Wenn die Fans bei St. Pauli Lust haben, das Stadion anzumalen, dann können sie das. In Graz gehört es nicht dem Club, daher ist das nicht möglich. Das ist schade“, erklärt er. Nach der Spielzeit einigte sich Pliquett mit den Verantwortlichen auf das Ziehen einer Vertragsoption für ein weiteres Jahr. Weil er binnen kurzer Zeit zum Aushängeschild avancierte, will man den Keeper aber mit einem langfristigen Vertrag binden. Noch steht jedoch eine finanzielle Einigung aus. Durch starke Leistungen – Pliquett blieb neunmal ohne Gegentor – hat sich der Profi in eine gute Position gebracht. Vereine aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden beobachteten ihn zuletzt.

Wortführer Pliquett wird nun sogar als möglicher neuer Kapitän gehandelt. Nach dem enttäuschenden Ende der Spielzeit hat der Torhüter inzwischen das Ziel Europa League wieder fest vor Augen. Bereits am Montag startete Graz in die Saisonvorbereitung. Um europäisch dabei zu sein, müsste das Team in der Bundesliga Vierter werden. „Dieser Traum von Europa lebt absolut weiter“, sagt Pliquett. Nachts wird er davon aber nicht mehr verfolgt. (kem)

Der FC St. Pauli wird im Rahmen des Trainingslagers im österreichischen Villach (13.-20. Juli) ein Testspiel gegen den italienischen Erstligisten Udinese Calcio (19. Juli/18 Uhr) bestreiten. Zuvor bereitet sich das Team vom 3. bis 6. Juli in Middels vor.