Der FC St. Pauli steht gegen Aufsteiger Aalen heute (17.30 Uhr) unter Siegzwang. Fans rufen zum Protest gegen Stadionwache auf.

Hamburg. Es dürfte ein Bild mit Symbolcharakter werden, wenn St. Paulis Profis heute den Rasen betreten und den Blick auf die Tribünen des Millerntor-Stadions richten. Rote Fahnen, Transparente und Schals, versehen mit dem Totenkopf Jolly Rouge, sollen dort ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen eine Polizeiwache in der Gegengeraden. Doch ungewollt wird die Signalfarbe allen Beteiligten auch die Lage vermitteln: Es herrscht Alarmstufe Rot am Millerntor - nicht nur im Streit um die Nutzung der Räume in den Katakomben der neuen Tribüne.

Mit nur sechs Punkten aus sechs Spielen hinken die Hamburger den eigenen Ansprüchen weit hinterher. "Natürlich haben wir für unsere Erwartungen zu wenig Punkte", konstatierte auch Trainer André Schubert vor dem Heimspiel gegen Aufsteiger VfR Aalen (17.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de). "Wir müssen der Mannschaft aber weiterhin Lockerheit vermitteln, denn am Einsatz und am Willen liegt es ganz bestimmt nicht", betonte der Coach in den vergangenen Tagen immer wieder gebetsmühlenartig.

Doch die knappe 1:2-Niederlage beim FSV Frankfurt schien auch gestern noch nicht verdaut zu sein. Mit sieben mehr gelaufenen Kilometern als der Gegner habe man absolutes Topniveau abgeliefert, 17 Torschüsse abgegeben und zahlreiche hochkarätige Chancen erspielt, analysierte Schubert noch einmal, um seine Mannschaft aus der Schusslinie zu bringen. Am Ende fehlten jedoch Punkte auf der Habenseite, weshalb auch der Übungsleiter unter Druck gerät. "Wenn du zwei, drei Spiele gewinnst, sind gleich alle euphorisch, und wenn du dann zweimal nicht gewinnst, werden plötzlich Abstiegsszenarien heraufbeschworen", weil Schubert um die Branchenmechanismen. Er will der Mannschaft aber dennoch "den Druck nehmen".

Der schlechteste Zweitliga-Start der Vereinsgeschichte droht: Aus 86 Torschüssen resultierten bislang erst vier Treffer.

Doch dieser ist vor dem Spiel am Millerntor, wo St. Pauli seit 13 Spielen ungeschlagen ist, hoch. Gegen die mit neun Punkten gut gestarteten Aalener droht die Einstellung des schlechtesten Zweitliga-Starts der Vereinshistorie. Erst zweimal (1999/2000 und 2002/2003) hatten die Hamburger nach sieben Partien nur sechs Zähler auf dem Konto. 1999 beendete man die Spielzeit anschließend auf Rang 14, 2003 folgte gar der Abstieg in die Regionalliga.

Mit solchen Szenarien will sich Mittelfeldspieler Dennis Daube nicht beschäftigen. "Ich bin positiv gestimmt und glaube, dass wir in den nächsten Wochen eine Serie starten können", sagte der 23-Jährige. Entschlossenheit, die St. Paulis Profis vor dem Tor zuletzt fehlte. Erst vier Treffer erzielte Schuberts Team trotz der Umstellung auf ein offensiveres 4-4-2-System. Im Schnitt benötigten die Braun-Weißen 21,5 Torschüsse, um zum Erfolg zu kommen. "Wir wissen, wo das Tor steht, aber wir müssen unsere Chancen jetzt auch besser nutzen", sagte Daube, dem Schubert endlich auch einmal ein Erfolgserlebnis vor dem gegnerischen Tor wünscht.

Solche Glücksgefühle erlebte Stürmer Daniel Ginczek erstmals in Frankfurt, wo die Dortmunder Leihgabe den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich erzielte. Dass er zwei weitere Großchancen vergab, trübte seinen starken Auftritt nur leicht, weshalb er auch heute in der Startelf stehen dürfte. Schubert sieht im Spiel des 20-Jährigen Lernprozesse, die zunehmend zu Erfolgen fahren sollen. "Dass er in dem Alter noch nicht jede Chance nutzt, ist ganz normal", weiß der Trainer.

Christopher Buchtmann fällt mit einer Gehirnerschütterung aus

Mit Neuzugang Christopher Buchtmann bildete Ginczek in Frankfurt ein Offensivduo, das mit Laufstärke und Variabilität phasenweise beeindruckte. Doch schon gegen Aalen ist Schubert erneut zur Umstellung gezwungen, weil Buchtmann mit einer Gehirnersch¸tterung, die er sich im Spiel am Freitag zugezogen hatte, ausfüllt. Für ihn rücken Marius Ebbers oder Mahir Saglik in die Sturmspitze. Bereits sechsmal in sieben Spielen zwangen Schubert Verletzungen zur Änderung seiner Startformation. Auch in der Viererkette, die zuletzt dreimal unverändert auflief, dürfte diesmal getauscht werden. Jan-Philipp Kalla plagen seit Freitag Schulterprobleme, weshalb Sebastian Schachten in der Linksverteidigung eine Chance erhalten sollte. Kalla und auch Kapitän Fabian Boll, der wegen Rückenproblemen gefehlt hatte, absolvierten die gestrige Abschlusseinheit zwar voll mit, ihr Einsatz ist dennoch fraglich.

Auch Gegner Aalen plagen erhebliche Verletzungssorgen, weshalb die Freude über den 2:0-Sieg gegen Erzgebirge Aue am vergangenen Wochenende nicht lange währte. Trainer Ralph Hasenhüttl musste in der Partie seine beiden Innenverteidiger Benjamin Hübner und Tim Kister auswechseln. Während Kister mit einem Syndesmosebandriss definitiv ausfällt, trat Hübner die Reise nach Hamburg immerhin mit an. "Eine Katastrophe" nannte Hasenhüttl den nötigen Umbau seines Abwehrverbundes. Mit dem früheren Bundesligaprofi Oliver Barth steht ihm nämlich nur noch ein nomineller Innenverteidiger zur Verfügung.

Ein Grund mehr, weshalb heute nur der Gegner rot sehen und nicht nur auf den Rängen ein deutliches Zeichen gesetzt werden soll: Tore gegen die Ergebniskrise.