Die Vereine riefen vor dem brisanten Nordderby zur Raison auf. Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen sollen Ausschreitungen verhindern.

Rostock. Begleitschutz und Sprengstoffspürhunde, totales Alkoholverbot, verstärkte Videoüberwachung und ein Extrazaun: Sicherheitstechnisch erweckt das Nordderby zwischen Hansa Rostock und dem FC St. Pauli eher den Eindruck, dass es sich um einen Politgipfel erster Klasse denn um ein Fußballspiel der zweiten Liga handelt. Und doch versuchen die Verantwortlichen, den sportlichen Aspekt in den Vordergrund zu rücken. „Wir wünschen uns ein schönes Spiel, natürlich mit einem positiven Ausgang für uns“, sagte Hansa Rostocks Vorstandsvorsitzender Bernd Hofmann vor der hoch brisanten Partie am Sonnabend (13.00 Uhr/Liveticker auf abendblatt.de), zu der extreme Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden.

Die DKB-Arena ist mit 24.300 Zuschauern ausverkauft. Die Stadionkassen bleiben am Spieltag geschlossen. Eine Anreise ohne gültiges Ticket ist somit zwecklos, wie die Rostocker am Freitag mitteilten. 2400 Fans haben sich aus Hamburg angekündigt. Die werden so abgeschirmt, dass es eigentlich keine Gelegenheiten für Übergriffe gewaltbereiter Anhänger gibt. Das beginnt bereits in Hamburg-Altona. Fans, die per Bahn nach Rostock reisen, werden auf den Bahnhöfen und in den Zügen kontrolliert.

In Rostock werden die Pauli-Fans von einem Platz in der Nähe des Bahnhofs mit Shuttlebussen direkt ins Stadion gefahren, wo ein Extrazaun Kontakte zur Gegenseite unmöglich machen soll. „Ich hoffe natürlich auch, dass die Polizei die Anhänger der Clubs voneinander trennen kann. Das wird aber eine Mammutaufgabe für das Team Green“, sagte Paulis Profi Fabian Boll, der nebenberuflich bei der Polizei Hamburg als Kriminaloberkommissar arbeitet.

Boll war auch beim letzten Aufeinandertreffen in Rostock am 2. November 2009 dabei, als Pauli zwar 2:0 gewann, die Partie aber dennoch nur Verlierer hatte. Bei Ausschreitungen nach dem Spiel wurden 38 Menschen verletzt, darunter 26 Polizisten. Zehn Privatautos und ein Streifenwagen wurden beschädigt, als etwa 500 Hansa-Anhänger versuchten, eine Polizei-Sperre zu durchbrechen.

In der Folge ging man sich erst einmal aus dem Weg. Und dann doch aufeinander zu. Wenigstens ein bisschen. Hansa zeigte im September 2010 beim Aktionstag gegen Rechtsextremismus „Hamburg und alle stehen auf“ gemeinsam mit dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV Flagge. Und hinterließ Eindruck. „Die Aktion war ein großer Erfolg. Die Clubvertreter haben für Fairplay geworben und sich die Hände gereicht - das war sehr beeindruckend“, sagte Initiator Jörn Menge damals.

Diesmal reichen sich die Clubs schon präventiv die Hände und forderten ihre Anhänger zu einem fairen und friedlichen Umgang miteinander auf. „Lasst uns gemeinsam alles dafür tun, dass es ein spektakuläres und hochspannendes Fußballspiel wird, mit einer tollen, friedlichen Atmosphäre auf den Rängen“, teilten die Vorstände in einer gemeinsamen Erklärung mit. Die Clubs appellierten an die Anhänger, nicht wegzuschauen, wenn Gewalttäter versuchten, Ausschreitungen zu provozieren.

Ex-Rostocker Bartels verlängert

Nach der Vertragsverlängerung des Ex-Rostockers Fin Bartels am Millerntor droht dem gebürtigen Kieler am Sonnabend im Auswärtsspiel bei Hansa ein Spießrutenlauf. Er trug von 2007 bis 2010 das Hansa-Trikot. Sein Wechsel von Rostock zu St. Pauli im Sommer des vergangenen Jahres sorgte bei weiten Teilen des Hansa-Anhangs für Empörung.

Auch Deniz Naki wird mit Beschimpfungen und Pfiffen rechnen müssen. Naki hatte sich beim vergangenen Gastspiel in Rostock am 2. November 2009 mit unschönen Szenen den Zorn des heimischen Publikums zugezogen. Nach seinem Treffer zum 2:0-Endstand machte der Deutsch-Türke eine „Kopf-ab“-Geste in Richtung jener Hansa-Anhänger, die ihn zuvor rassistisch beschimpft hatten. Und nach dem Abpfiff rammte Naki im Stil eines Eroberers eine St.-Pauli-Fahne in den Rasen.

Vor dem brisanten Spiel in Rostock appellierten beide Vereine an die Vernunft der Fans. „Ich hoffe, es ist nicht so ein Hass im Spiel. Letztlich geht es um Fußball. Wichtig ist es, dass meine Spieler mit einem heißen Herzen und einem kühlen Kopf zu Werke gehen“, betonte auch Hamburgs Trainer André Schubert am Donnerstag.

Rostock steht vor dem 15. Spieltag mit elf Punkten nur einen Rang vor dem Relegationsplatz. St. Pauli ist ebenfalls zum Siegen verpflichtet, wenn der Kontakt zum Spitzentrio der 2. Bundesliga (Düsseldorf, Eintracht Frankfurt und Greuther Fürth) gewahrt werden soll. Die Hamburger gehen mit 29 Punkten als Tabellenvierter in den Spieltag. „Wenn da 20 000 Zuschauer pfeifen und dir mitteilen, dass sie dich nicht mögen, dann ist das eben so“, sagte Schubert.

Hansa ohne Regisseur Lartey

Rostocks Regisseur Mohammed Lartey muss sich das Nordderby gegen den FC St. Pauli von der Tribüne aus ansehen. Der Mittelfeldspieler pausiert wegen einer Adduktorenzerrung. „Die Tendenz geht klar dahin, dass er nicht spielen kann. 90 Prozent Lartey helfen uns nicht weiter“, sagte Hansa-Trainer Peter Vollmann am Donnerstag. Anstelle von Lartey soll der erst 19 Jahre alte Tom Weilandt im zentralen Mittelfeld spielen.

Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut:

Liebe St. Pauli, liebe Hansa-Fans,

wenn am Sonnabend Hansa Rostock den FC St. Pauli empfängt, wird es auf dem Rasen und auf den Rängen hoch her gehen. Doch leider wurden die Spiele der beiden Mannschaften in den letzten Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschattet.

Es hat sich immer häufiger gezeigt, dass Menschen solche Spiele nutzen, um ihre demokratiefeindlichen Ideologien zum Ausdruck zu bringen. Die gesteigerte Aufmerksamkeit der Medien an dieser Partie wird dabei genutzt, um sich durch gewalttätige Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans oder der Polizei zu profilieren. Deshalb fordern wir alle Fans auf, nicht wegzuschauen, sondern sich aktiv gegen diese Leute zu stellen. Denjenigen, die aus Rivalität Feindschaft machen wollen, müssen von den Clubs und den vernünftigen Fans im Stadion, die die große Mehrheit ausmachen, unmissverständlich Grenzen aufgezeigt werden.

Randale, Gewalt und Rassismus haben im Fußball und in der Gesellschaft nichts zu suchen. Lasst uns gemeinsam alles dafür tun, dass es ein spektakuläres und hochspannendes Fußballspiel wird, mit einer tollen, friedlichen Atmosphäre auf den Rängen.

Präsidium, FC St. Pauli, Vorstand, F.C. Hansa Rostock

(dpa/abendblatt.de)