Die Bonus-Woche wird zur Pleiten-Woche. Der Offensive fehlt es an Ideen, Struktur und Zählbarem: seit 317 Minuten gab es kein Tor.
Hamburg. Energiegeladen stapfte Deniz Naki nach dem Schlusspfiff des guten Schiedsrichters Markus Schmidt in die Katakomben des Millerntor-Stadions und versetzte der Sponsorentafel einen derart beherzten Tritt, dass die TV-Reporter zusammenzuckten und für einen kurzen Moment ihre Interviews unterbrachen. Am nötigen Engagement hatte es seiner Mannschaft auch bei der vorangegangenen 0:1-Niederlage gegen Arminia Bielefeld nicht gemangelt. Zumindest ab der zweiten Halbzeit versprühte der FC St. Pauli Herzblut, ließ es aber an Hirn vermissen. Gegen die clever verteidigenden Ostwestfalen, die in der 33. Minute durch Federico verdient in Führung gegangen waren, fanden die Hamburger kein Mittel. Dem Angriffsspiel fehlte es an Struktur und Ideen, Bielefeld genügte auch im Rückspiel ein Tor zum Sieg.
"Wir stehen jetzt wieder da, wo wir nach dem Hinspiel standen", sagt Torwart Mathias Hain, der "wie damals das fehlende Quäntchen Glück" ausmachte. Punktemäßig mag die Einschätzung stimmen. Auch in der Rückrunde sammelte St. Pauli in den ersten sieben Partien 13 Punkte. Anders als am 26. September, als St. Pauli Pfosten und Latte traf und zum einzigen Mal in der Hinrunde ohne eigenen Torerfolg blieb, haben die Braun-Weißen aber mittlerweile ein veritables Offensivproblem. 0:0 gegen Frankfurt, 0:3 in Kaiserslautern, 0:1 gegen Bielefeld. Die Mannschaft von Holger Stanislawski trifft das Tor nicht mehr. Und - fast noch schlimmer - hat auch immer seltener Gelegenheit dazu.
Die erste Torchance gegen die Arminia kreierte Max Kruse nach 42 Minuten. "Es fehlt uns momentan eine gewisse Effektivität", sagt Kapitän Fabio Morena, "wir brauchen ein Glücksgefühl, ein Torerlebnis. Wir präsentieren uns wie ein Stürmer, der seit zwölf Spielen das Tor nicht mehr getroffen hat." 317 Minuten hält die Flaute nun schon an, erstmals seit dem 1. November 2002 blieb St. Pauli in zwei Heimspielen hintereinander ohne eigenen Treffer.
Die Gründe liegen in der Kreativabteilung, der Automatismen und Passgenauigkeit abhanden gekommen sind. Spielmacher Charles Takyi verlängerte sein seit Monaten andauerndes Leistungstief um eine weitere Woche. Eine Formkrise, deren Ausmaß die jungen, talentierten Spieler nicht mehr kompensieren können. Max Kruse (21) und Deniz Naki (20) sind aufgrund natürlicher Schwankungen noch nicht so weit, und Rouwen Hennings, der beim vorerst letzten Sieg gegen Karlsruhe (2:1) noch den Unterschied ausgemacht hatte, liegt mit einem Muskelfaserriss auf Eis.
Eine Problematik, die Stanislawski erkannt hat und Florian Bruns aus der Defensivzentrale nach vorne beorderte. "Kein Vorwurf an die Mannschaft. Sie hat nach Lösungen gesucht", sagt Hain. Finden konnte sie keine.
Die zu Bonus-Spielen erklärten Partien gegen den FCK und Bielefeld wurden verloren. "Wir müssen zusehen, dass wir in der Tabelle jetzt dranbleiben", weiß Kapitän Morena, der mit seiner Crew erstmals seit dem 13. Spieltag nicht mehr auf einem direkten Aufstiegsplatz rangiert. Für Stanislawski kein Problem. Könnten die beiden verlorenen Spitzenspiele am Ende einen möglichen Aufstieg kosten? "Ich hoffe, dass die 46 Punkte zum Klassenerhalt reichen. Wir sind im Moment jedenfalls guter Dinge, auch im nächsten Jahr Zweite Liga zu spielen", so der Trainer sarkastisch.
St. Pauli: Hain - Lechner, Morena, Gunesch, Oczipka - Boll (78. Sako), Lehmann - Bruns, Takyi (62. Naki), Kruse (46. Sukuta-Pasu) - Ebbers.
Bielefeld: Eilhoff - Fischer, Mijatovic, Bollmann, Feick - Kauf - Katongo, Kirch (78. Halfar), Federico (82. Risgaard), Guela (80. Janjic) - Fort.
Tor: 0:1 Federico (33.). SR.: Schmidt (Stuttgart). Zuschauer: 19 901 (ausverkauft). Gelb: Naki (4), Lehmann (5., gesperrt), Hain (3) - Bollmann (4), Mijatovic (3), Kauf (5., gesperrt), Eilhoff (2). Gelb-Rot: Lechner (90.+2, wiederholtes Foulspiel).