Holger Stanislawski blendet alle Nebengeräusche aus. Auf den Rängen demonstrieren beide Fanlager mit kollektivem Schweigen.
Hamburg. Sie sollen den Kopf ausschalten, nicht nachdenken. Was Holger Stanislawski seinen Spielern vor dem Nordderby gegen Hansa Rostock (20.15 Uhr/DSF und Liveticker auf abendblatt.de) mit auf den Weg gibt, ist der Versuch, die Konzentration auf das Wesentliche zu lenken: Fußball spielen. "Ich habe meine Spieler nicht besonders auf die Situation im Stadion vorbereitet. Das Drumherum thematisieren wir nicht. Für uns ist das ein ganz normales Ligaspiel", sagt der Trainer. All die äußeren Umstände, die Diskussionen über die Größe des Polizeiaufgebots, die unglückliche Spielansetzung und mögliche Ausschreitungen sollen Stanislawskis Spieler versuchen auszublenden und einzig den sportlichen Aspekt in den Mittelpunkt stellen. "Auf dem Rasen ist die Brisanz hoch genug. Es ist ein besonderes Spiel. Es wird hoch hergehen, aber der Kampf findet nur auf dem Platz statt."
Trotzdem sieht Stanislawski die Gefahr, dass sich die Spieler von den rivalisierenden Fans anstecken lassen. "Wir dürfen uns nicht in eine Stimmung bringen lassen, in der wir nur versuchen körperlich und aggressiv zu spielen und uns selbst blockieren. Wir müssen unsere fußballerische Qualität auf den Platz bringen und spielerische Lösungen finden", so das Rezept für den ersten Erfolg seit 15 Jahren in der Rostocker DKB-Arena. Bislang konnte St. Pauli erst einmal, in der Saison 1993/94, damals noch mit Holger Stanislawski als Spieler, in Rostock gewinnen. Sechs Niederlagen stehen dem gegenüber, ein Unentschieden gab es noch nie. "Wir brauchen keine negativen Statistiken", sagt Stanislawski. "Da soll sich keiner Gedanken drüber machen." Kopf ausschalten, Tunnelblick ein.
Entsprechend der Statistik dürfte Hansa Rostock sich nicht nur hinten reinstellen, zumal die Mannschaft von Andreas Zachhuber nach zuletzt zwei Niederlagen und Tabellenplatz zwölf die Erwartungen noch nicht erfüllt und unter Druck steht. "Ob die mitspielen oder nur hinten drin stehen, wir wollen drei Punkte. Fertig", sagt Stanislawski.
Verzichten muss St. Pauli dabei möglicherweise auf Charles Takyi. Der zuletzt formschwache Regisseur trainierte unter der Woche nur unregelmäßig. Die endgültige Entscheidung, ob der Ghanaer auflaufen kann, fällt erst kurz vor dem Spiel.
Verzichten muss die Mannschaft auch zwanzig Minuten lang auf die Unterstützung ihrer Fans. Die erwarteten 2000 Anhänger des FC St. Pauli demonstrieren schweigend gegen die Zerstückelung der Spieltage und die Ansetzung des "Risikospiels" an einem Montagabend. Auch die Rostocker Fans befinden sich schon seit mehreren Wochen in einem Stimmungsboykott. Die "Suptras" fordern mehr Mitbestimmung im Verein und die Absetzung des Sicherheitsbeauftragten Jörg Hübner, der gleichzeitig Geschäftsführer der im Hansa-Stadion aktiven Sicherheitsfirma ABS ist. Für das Spiel gegen St. Pauli überlegen die Fans ihr Schweigen zu brechen. Tun sie das nicht, könnte der Lautstärkepegel auf den Rängen eher dem einer Universitätsbibliothek gleichen, als dem eines kochenden Fußballstadions.
Den rund 1500 Polizisten, die versuchen werden die beiden Fanlager voneinander fern zu halten, würde das entgegenkommen. Sollte es trotzdem zu Ausschreitungen kommen, muss die Rostocker Polizei womöglich auch nächstes Wochenende ein Großaufgebot stellen. Dann treffen an gleicher Stelle die Regionalligamannschaften beider Vereine aufeinander.
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