Hamburg. Der Wirbel um den Hauptsponsor und Anteilseigner HanseMerkur weist auf strukturelle Defizite beim Club hin. Ein Kommentar.
Es gab eine Zeit, da gehörte das Besetzen von Aufsichtsratssitzungen für HSV-Reporter genauso dazu wie das Besuchen von Trainingseinheiten und täglichen Trainerrunden, früher noch auf dem Gelände in Ochsenzoll, später auf dem Stadiongelände. Während sich die Funktionäre in den Räumen der damaligen Vereins- und Westbank unweit des Rathausmarkts zuverlässig zofften, schlugen die Journalisten auf dem Parkplatz vor dem Eingang stundenlang die Zeit bis zum Sitzungsende tot. Irgendwann brachte jemand einen Fußball mit, das sorgte für lustige Ballstafetten zwischen den Autos – und führte dazu, dass uns doch gnädigerweise ein Aufenthaltsraum in der Bank, in der der HSV-Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow arbeitete, zugewiesen wurde.
Das Hauen und Stechen zwischen den Gremien wurde zu unserer Freude in schöner Regelmäßigkeit öffentlich ausgetragen. Zwölf Aufsichtsräte, vier Vorstände plus weitere Gremienvertreter, da gab es viele Interessen zu vertreten (und mitzuteilen), vor allem persönliche. Die Kolumne mit Skandalen und Skandälchen zu füllen wäre ein Einfaches, unvergessen bleibt aber vor allem Rolf Mares, dem als Kulturschaffender Dramen zwar durchaus bekannt waren, nun aber einer der Protagonisten in einer Tragikomödie war und nach einer Sitzung förmlich explodierte: „Wir vom Vorstand werden im Aufsichtsrat behandelt wie die Deppen!“ Das war 1999, und vor dem nächsten Treffen begann das Abendblatt seinen „Vorbericht“ mit dem Satz: „Der bekannteste Aufsichtsrat der Bundesliga tagt heute Abend mal wieder.“
HSV-Kommentar: Der FC Bayern war einst das Vorbild
Auch in den Jahren danach gab es immer wieder (unterhaltsames, oft peinliches) Theater beim HSV, was sicher ein Grund war, warum eine überwältigende Mehrheit der HSV-Mitglieder für die Ausgliederung stimmte. Die Hoffnung: Mit der neuen Struktur könnte bei den Hamburgern endlich eine professionelle, strategisch und vor allem inhaltlich geleitete Führung einziehen, unterstützt von finanziell potenten Partnern, ähnlich wie es beim FC Bayern mit der Allianz, Audi und Adidas gelungen ist.
Das Ergebnis ist bekannt. In Ermangelung anderer Interessenten – einzig der Unternehmer Klaus-Michael Kühne investierte kräftig, besaß zwischenzeitlich 20,6 Prozent – suchte der HSV Kleinaktionäre, die wie Kühne die Raute im Herzen tragen.
HanseMerkur sorgt für Wirbel in den Gremien
Dass jetzt aber der Einstieg der HanseMerkur als Anteilseigner erneut für internen und mit Verzögerung auch öffentlichen Wirbel sorgte, mutet auf den ersten Blick kurios an, schließlich ist die Versicherung genau der Typ seriöser Unterstützer, den man sich immer gewünscht hat. Aber sowohl der Vorstand als auch die Kleinaktionäre sehen den neuen Aktionär kritisch, die Rede ist von einem angeblich fehlenden Mehrwert. Letztere sprechen sogar davon, ihre Anteile verkaufen zu wollen. Was aber soll falsch daran sein, wenn die HanseMerkur die Partnerschaft mit einem Fußball-Wirtschaftsunternehmen als Finanzinvestment begreift?
Wie schon in der Ära Mares geht es offenbar weniger um Inhalte, sondern um Macht – um Machterhalt und -ausweitung. Der kürzliche Rückzug von Präsident Marcell Jansen aus dem AG-Aufsichtsrat war nur ein weiterer Beleg für die andauernden Gefechte innerhalb der Gremien.
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Umso wichtiger ist es, dass sich der HSV mit seiner breit aufgestellten Arbeitsgruppe intensiv Gedanken macht über eine neue Rechtsform und damit verbunden auch über die Strukturen und die damit verbundenen Abhängigkeiten, und dieser Begriff ist durchaus positiv gemeint. Für welches Modell sich der HSV und seine Mitglieder am Ende auch entscheiden: Es muss gesichert sein, dass niemand ein persönliches Machtzentrum aufbauen kann und die gegenseitige Kontrolle gesichert ist, verbunden mit konstruktiven Diskussionen um die beste personelle und inhaltliche Ausrichtung des HSV.
Wie sagte Rolf Mares damals nach seiner Wutrede? „Man muss über die Führung des HSV im Jahr 2000 nachdenken – im Aufsichtsrat und im Vorstand.“ Daran hat sich nichts geändert. Das Theater beim HSV muss endlich aufhören, auch wenn wir Journalisten dann weniger Unterhaltung frei Haus geliefert bekommen. Aber es würde die Wahrscheinlichkeit von dauerhaftem Erfolg steigern. Damit wären auch wir sehr einverstanden.