Hamburg. Immer mehr Ex-Profis wechseln die Seiten und arbeiten für Berateragenturen. Ex-HSV-Kapitän Hunt beschreibt seine Pläne.

Eigentlich wäre Aaron Hunt an diesem Sonnabend gerne nach Gelsenkirchen gefahren, um das Topspiel der Zweiten Liga zwischen dem FC Schalke 04 und dem HSV (20.30 Uhr/Sky, Sport1 und Live­ticker auf abendblatt.de) zu sehen. Hunt hat einen guten Freund, der beim Revierclub arbeitet. Zudem hat er ohnehin gute Erinnerungen an Schalke. Vor sechs Jahren traf er beim bislang letzten Bundesligaspiel der beiden Traditionsclubs im April 2018 mit einem Traumtor zum 3:2-Sieg der Hamburger.

„Es war wahrscheinlich mein schönstes und emotionalstes Tor für den HSV“, sagt Hunt im Januar 2024. Der ehemalige HSV-Kapitän sitzt in einem Café am Rothenbaum und trinkt einen Espresso. Wegen einer privaten Geburtstagsfeier bleibt er am Wochenende in Hamburg und schaut sich das Spiel auf Schalke im Fernsehen an.

Ex-HSV-Kapitän Hunt gründete Agentur mit bestem Kumpel

Ohnehin geht Hunt gar nicht mehr so gerne in die Stadien der Bundesligen. Stattdessen sieht man den 37-Jährigen seit einem Jahr häufiger auf den Fußballplätzen von Jugendmannschaften. Der frühere Nationalspieler, der seine Profikarriere nach seinem Ende beim HSV vor zwei Jahren offiziell beendet hat, ist mittlerweile Spielerberater. Und hat sich dabei auf die Arbeit mit jungen Talenten spezialisiert. Vor einem Jahr gründete Hunt zusammen mit seinem besten Kumpel Viktor Pekrul aus Bremen die Agentur Aaron Hunt Pros & Talents. „Ich wollte etwas Eigenes machen und nicht wieder in einem Verein arbeiten“, sagt Hunt, der in seinem letzten Vertrag beim HSV eine Anschlussfunktion vereinbart hatte.

„Ich genieße es, viele Jugendspiele zu gucken, weil es noch ehrlicher ist. Mich erfüllt der Job“, sagt Hunt und lächelt. Der Familienvater, der selbst zwei Söhne hat, will nun seine Erfahrungen aus 18 Jahren Profifußball weitergeben. „Ich weiß, was junge Fußballer brauchen, weil ich alles selbst erlebt habe“, sagt Hunt, der im Alter von 14 Jahren aus seiner Heimat Goslar in das Internat von Werder Bremen zog und ein Jahr später mit Ex-Nationalspieler Karlheinz Förster schon seinen ersten eigenen Berater hatte.

Hunt betreut nun auch ein HSV-Talent

Nun kümmert sich Hunt selbst um die Talente und bereitet sie auf eine mögliche Karriere vor. Neun Jugendspieler betreut seine Agentur bereits, der jüngste von ihnen ist 14 Jahre alt. Mit Mehmet Yildirim (15) zählt nun auch der erste Nachwuchsspieler des HSV zu seinen Klienten. Auch in Kroatien hat Hunt ein Standbein aufgebaut. „Ich will die Jungs auf ihrem Weg begleiten. Die Arbeit mit jungen Spielern hat mir schon immer Spaß gemacht“, sagt er.

Hunt ist nicht der einzige Ex-Profi, der die Seiten gewechselt hat. Auffällig viele Spieler, die man noch vom HSV kennt, sind mittlerweile als Berater aktiv. Matthias Ostrzolek und Maximilian Beister, die 2015 noch zusammen mit dem HSV den Klassenerhalt feierten, arbeiten mittlerweile als Berater für die Agentur B360 Sports Agency und betreuen dort unter anderem den Schalker Ron Schallenberg.

Auch Dennis Aogo ist jetzt Spielerberater

Auch der langjährige Linksverteidiger des HSV und des FC Schalke, Dennis Aogo, hat vor einem Jahr seine eigene Beratungsagentur Avent Sports Management gegründet. Der 37-Jährige wohnt heute in Dubai und betreibt von dort aus sein Unternehmen. „Ich mag das Wort Berater eigentlich gar nicht, weil es in Deutschland extrem negativ besetzt ist. Es gibt viele Vorurteile, dass alle Berater immer zu viel Geld verdienen, Menschenhandel betreiben und ein rotes Tuch für die Vereine sind“, sagte Aogo kürzlich der „Bild“. Eigentlich will er sich in seinem neuen Job aber im Hintergrund halten.

Dass die Arbeit als Berater nicht immer einfach ist und die Visitenkarte als Ex-Nationalspieler nicht automatisch Vorteile bringt, hat Aogo gerade erst erfahren. Mit Oliver Batista-Meier von Drittligist Dynamo Dresden hatte er einen spannenden Spieler im Profil, der auch beim HSV als Winterneuzugang gehandelt wurde. Nach Abendblatt-Informationen gab es auch Gespräche mit den Hamburgern, doch konkret wurde es nicht. Schließlich holte der HSV für die Position den Japaner Masaya Okugawa. Und Batista-Meier? Der hat bereits den Berater gewechselt, wird nun von Roman Rummenigge betreut.

Hunt wurde in jeder Transferperiode von Beratern kontaktiert

Dieses Problem kennt auch Aaron Hunt aus seiner Karriere. Er selbst hat mehrfach den Berater gewechselt, wurde zudem in nahezu jeder Transferperiode von zahlreichen Agenten kontaktiert. „Ich habe selbst erlebt, dass es vielen Beratern nur ums Geld geht“, sagt Hunt, der in seinem neuen Job einen anderen Weg gehen will. Obwohl er selbst mit 14 Jahren sein Elternhaus verlassen hatte und diesen Schritt nie bereut hat, hält er nichts davon, Spieler schon im Jugendbereich von einem Nachwuchsleistungszentrum zum anderen zu transferieren.

Ohnehin definiert Hunt seinen neuen Job als Berater nicht in erster Linie über Transfers. „Mir ist es wichtig, den Spielern das ganze Paket anzubieten.“ Dazu gehöre die mentale und medizinische Begleitung der Jugendspieler genauso wie die finanzielle Beratung ihrer Eltern. Insbesondere im Nachwuchsfußball werden die großen Clubs und die Berater immer aggressiver. Das Buhlen um die Toptalente beginnt immer früher, Agenten versuchen mit großen Versprechungen die Spieler auf ihre Seite zu ziehen. Es ist das vielzitierte Haifischbecken. Diese Entwicklung beschäftigt auch die Fifa, die das Wirken der Spielerberater künftig stärker regulieren will.

Dass immer mehr Ex-Profis in die Beraterbranche wechseln, ist in diesem Zusammenhang eine positive Entwicklung. Die meisten Spieler haben in ihrer Karriere selbst genug Geld verdient und brauchen die schnellen Geschäfte mit Nachwuchsfußballern nicht. Das gilt auch für Aaron Hunt, der in seiner Karriere für Werder Bremen, den VfL Wolfsburg und den HSV spielte.

Auch Dennis Aogo hat mit dem SC Freiburg, dem HSV, Schalke 04, dem VfB Stuttgart und Hannover für mehrere Traditionsvereine gespielt. Gegen Hunt hat er zwischen 2008 und 2018 in unterschiedlichsten Konstellationen zehnmal gespielt. 2007 standen sie dreimal zusammen für die deutsche U-21-Nationalmannschaft und 2013 gegen Ecuador einmal für die A-Nationalmannschaft auf dem Platz. Künftig könnten sie sich als Berater auf den Tribünen der Fußballwelt wiedersehen.

An diesem Sonnabend eint sie neben ihrem neuen Job aber vor allem eines: Sie werden um 20.30 Uhr vor dem Fernseher sitzen, wenn der FC Schalke 04 zum Rückrundenstart der Zweiten Liga den HSV empfängt.