Hamburg. HSV muss Endspielhoffnung wegen eigener Fehler begraben und stärkt Aufstiegsrivale Hertha. Gelingt nun St. Pauli der Pokal-Coup?
Als Sportjournalist denkt man natürlich berufsbezogen – und hofft auf Siege, so auch zu Beginn und Mitte dieser Woche. Möglicherweise zwei Hamburger Teams im Viertelfinale des DFB-Pokals, ein Traum für die Berichterstattung. Schon die Auslosung am Sonntag: Werden womöglich der FC St. Pauli und der HSV gegeneinander gelost? Bitte nicht, denn angesichts der Teams, die noch in der Runde der letzten acht stehen, sind nur noch drei (!) Erstligisten (kein FC Bayern, kein RB Leipzig, kein Borussia Dortmund), dafür aber vier Zweitligisten und mit Saarbrücken sogar ein Club aus der Dritten Liga.
Will sagen: So offen war die Tür bis zum Halbfinale oder sogar bis zum Finale in Berlin noch nie für mindestens einen unterklassigen Verein.
Als Sportjournalist denkt man selbstverständlich auch – sonst hätte man ja nie diesen Beruf ergriffen – als Fußballfan. Etliche Pokalendspiele durfte ich – privat und für das Abendblatt – im Olympiastadion verfolgen. Und ich dachte immer: Während meiner journalistischen Laufbahn einmal einen Hamburger Club im Finale erleben zu dürfen, das wäre es.
Pokalfinale? Der Traum eines Reporters
Recht früh, zu Beginn meiner Reportertätigkeit, schnupperte ich am Finale. Im April 1997 verlor das von Felix Magath trainierte HSV-Team im Halbfinale mit 1:2 beim VfB Stuttgart. Richard Golz stand noch im Tor, Hasan Salihamidzics Stern war gerade aufgegangen. Es dauerte zwölf Jahre, bis sich der HSV die nächste Chance auf den Endspieleinzug erarbeitet hatte, doch im April 2009 setzte sich Bremen im Volksparkstadion nach Elfmeterschießen durch. Eine der Demütigungen, die Werder dem Nordrivalen zufügte neben dem Halbfinalaus in der Europa League und einer für die Meisterschaft schmerzhaften Niederlage.
Zwei weitere gescheiterte Versuche gab es als Zweitligist in den Halbfinalspielen gegen RB Leipzig (2019) und den SC Freiburg (2022). In diesem Jahr nun waren nach dem Elfmeterschießen bei Hertha BSC alle Hoffnungen der HSV-Fans (und aller Sportjournalisten) dahin, erstmals seit 1987 wieder ein Finale erleben zu können.
Gelingt St. Pauli der Pokal-Coup?
Immerhin: Eine (angesichts der Leistungsstärke des Teams gar nicht so unrealistische) Option gibt es mit dem FC St. Pauli noch, der sich letztlich souverän beim FC Homburg durchsetzte. Wie außergewöhnlich es für die Fans der Braun-Weißen wäre, noch eine Runde weiterzukommen oder sich sogar für das Finalspiel zu qualifizieren, zeigt ein Blick in die Statistiken.
Dort finden sich: Endspielteilnahmen null, Halbfinalspiele eines – gegen Bayern München im April 2006 im Rahmen der legendär-ruhmreichen „Bokal“-Serie mit Siegen gegen Bremen, Berlin, Bochum und Burghausen. Viertelfinalteilnahmen gab es für den FC St. Pauli seit 1952 auch nur ganze vier (1966, 1995, 1997 und 2022).
- Nach Pokalaus beim VfB Stuttgart: Es brodelt beim BVB
- Kiezkicker vom Bahnstreik betroffen – Auswärtsreise unklar
- HSV-Drama im Pokal: Meffert ist sauer, Boldt widerspricht
Was aber bedeuten die Ergebnisse für den weiteren Verlauf der Saison? Parallelen gibt es nicht automatisch in der Meisterschaft. Erinnert sei nur an Kaiserslautern, das 1996 den Titel gewann, aber als Dino erstmals überhaupt aus der Bundesliga abstieg.
So sind Ableitungen nur von Wahrscheinlichkeiten geprägt. Es wäre allerdings nicht überraschend, würden die Erfolge im Pokalwettbewerb Trainer Fabian Hürzeler und seine Spieler weiter stärken, motivational als auch emotional. Anders als 2006, als der FC St. Pauli in der Regionalliga kickte und vor allem mit Kampfgeist begeisterte, präsentiert das Team einen viel erfolgversprechenderen Fußball, als es dem HSV gelingt. Mit etwas Losglück könnte der Coup der Endspielteilnahme gelingen.
HSV-Traum vom Finale zu leicht hergeschenkt?
Und der HSV? Man könnte sagen: unglücklich im Elfmeterschießen verloren. Doch die Strahlkraft, die von diesem Aus im Pokal ausgeht nach wieder individuellen und taktischen Fehlern vor den Gegentoren, darf nicht unterschätzt werden. Ganz sicher werden die Hertha-Profis noch die Bilder im Kopf haben von diesem Abend, wenn sie in der Rückrunde die Hamburger erneut empfangen.
Mit den Berlinern ist ein echter Konkurrent im Aufstiegsrennen dazugekommen, die Entwicklungskurve zeigt steil nach oben, während die beim HSV stagniert. Spätestens in den Viertelfinalspielen Anfang Februar werden sich die HSV-Profis wieder über die vertane Chance ärgern, womöglich einmal in ihrem Leben in ein Endspielstadion einlaufen zu können.