Hamburg. Im Volkspark fühlt sich der HSV in dieser Saison besonders wohl. Nun könnte er eine fast 30 Jahre alte Bestmarke einstellen.

Mit HSV-Statistiken kennt sich Andreas Wiese bestens aus. Der 48-Jährige hat vor 22 Jahren die Homepage HSV-History ins Leben gerufen. Wiese ist HSV-Fan in dritter Generation und interessiert sich für sämtliche Ereignisse der Vereinsgeschichte. Gerade erst hat er einen Beitrag für seine Seite über den HSV in den 1920er-Jahren veröffentlicht. Auf seiner Homepage kann man den Punkteschnitt aller HSV-Trainer nachlesen. „Für mich ist das Projekt eine Erinnerung an die großen Zeiten“, sagt der Rellinger, der seit 1993 eine Dauerkarte für die Heimspiele im Volksparkstadion hat und auch am Sonnabend im Stadion ist, wenn der HSV Greuther Fürth empfängt (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de).

Bei einer Frage aber muss Wiese mit seinem Wissen passen. Wann hat es der HSV das letzte Mal geschafft, ein Jahr lang in Punktspielen ohne Heimniederlage zu bleiben? Diese Chance haben die Hamburger an diesem Sonnabend. Letztmals verloren hat der HSV am 23. Oktober 2022 gegen den FC Magdeburg. Auch Wiese war damals im Stadion und erinnert sich an ein turbulentes Spiel mit 29:9 Torschüssen für den HSV.

Bleibt der HSV ein Jahr ohne Heimniederlage?

Am Ende aber verlor Tim Walters Mannschaft mit 2:3. Es sollte bis heute die letzte Heimniederlage in der Liga bleiben. Nur in der Relegation gegen den VfB Stuttgart gab es in dieser Zeit eine Pleite. Alle anderen 14 Heimspiele blieb der HSV seitdem ungeschlagen. Gehen die Hamburger gegen Fürth erneut nicht als Verlierer vom Platz, wären sie ein Jahr ohne Heimniederlage.

Was Wiese nicht weiß, kann HSV-Historiker Broder-Jürgen Trede beantworten. „Das gab es zuletzt vor fast 30 Jahren“, sagt der Verantwortliche des HSV-Netradios, der ebenfalls ein Privatarchiv pflegt. Unter den Trainern Benno Möhlmann und Felix Magath blieb der HSV zwischen Juni 1995 und August 1996 in 19 Heimspielen in Folge ungeschlagen.

Volkspark in dieser Saison ein Erfolgspark

Auch in dieser Saison ist der Volkspark mal wieder ein Erfolgspark. Mit vier Siegen in vier Heimspielen führt der HSV die Heimspieltabelle der Zweiten Liga vor dem 1. FC Kaiserslautern und dem FC St. Pauli an – trotz eines Spiels weniger. „Die Zuschauer sind ein zentraler Faktor. Ohne die Corona-Pandemie wäre der HSV wahrscheinlich schon aufgestiegen“, sagt Hobbyhistoriker Wiese, der vor allem auch die gewohnten Abläufe und den Wohlfühlfaktor als Gründe für die Heimstärke sieht. „Der HSV hat zu Hause ein klares Selbstverständnis.“

Die Dominanz, die der HSV in dieser Saison in Heimspielen entwickelt, lässt sich am deutlichsten in der Torschussstatistik ablesen. 88:40 Torschüsse lautete das Verhältnis in den ersten vier Heimspielen, in denen Schalke 04 (5:3), Hertha BSC (3:0), Hansa Rostock (2:0) und Fortuna Düsseldorf (1:0) besiegt wurden. Auswärts dagegen hatten die Hamburger in den ersten vier Spielen immer ein negatives Torschussverhältnis. Erst in Wiesbaden erzeugte der HSV mit 23:6 Torschüssen den gewohnten Druck aus dem Volkspark. 71:75 Torschüsse sind es aus Hamburger Sicht in den Auswärtsspielen. Warum ist die Diskrepanz so groß?

Wie Walter die Heim-Auswärts-Diskrepanz erklärt

„Wir werden daheim getragen von unseren Fans. Dadurch entsteht eine andere Situation. Unsere Zuschauer im Volksparkstadion wirken einschüchternd auf den Gegner“, sagte Trainer Walter. „Im Umkehrschluss müssen wir auch auswärts mehr Punkte holen, indem wir effizienter und zielstrebiger auftreten. Das machen wir momentan daheim besser.“

Vor zwei Jahren blieb Walter schon einmal in zwölf Heimspielen in Folge ohne Niederlage. Allerdings waren darunter auch sechs Unentschieden. „Zu unentschieden für den Aufstieg“ lautete eine Abendblatt-Überschrift aus dieser Zeit. Die Zuschauer aber honorieren, dass der HSV zu Hause unter Walter fast immer für Spektakel sorgt. Der Heimbereich gegen Fürth wird mal wieder ausverkauft sein. „Tim Walter hat den HSV auf links gedreht“, sagt auch Geschichtsliebhaber Wiese. „Es ist ein anderes Zusammenspiel mit den Fans als früher. Das macht Spaß.“

HSV-Rekord kommt aus den Jahren 1981 bis 1983

Für Wiese entschädigen diese Momente für die sportliche Talfahrt, die der Club in den vergangenen 15 Jahren durchlebt hat. Als er zu Beginn der 1980-er Jahre angefangen hat, sich für den HSV zu interessieren, waren die Hamburger die beste Mannschaft in Deutschland. Von Juni 1981 bis Dezember 1983 schaffte es der HSV, in 43 Heimspielen hintereinander nicht zu verlieren. Erst ein 0:2 gegen den späteren Meister VfB Stuttgart vor 38.000 Zuschauern im Volksparkstadion stoppte die beste Heimserie der Vereinsgeschichte. Damit liegt der HSV in der europäischen Rekordrangliste auf Platz 23. Auf Platz eins steht Real Madrid, das zwischen 1957 und 1965 in sage und schreibe 121 Heimspielen in Folge ungeschlagen blieb. Ein Rekord für die Ewigkeit.

Die Bestmarke von 1983 kennt natürlich auch Andreas Wiese. „Frag den Wiese“, hieß es unter seinen Freunden immer, wenn es um Zahlen und Fakten der HSV-Geschichte ging. Aktuell interessiert sich der selbstständige Marketingunternehmer aber vor allem für die Zukunft des Clubs. Soll es in dieser Saison mit dem Aufstieg klappen, wird der HSV seine Heimstärke beibehalten müssen. Schon an diesem Sonnabend. „Es wird ein schwieriges Spiel“, sagt Wiese. „Aber ich bin mir sicher, dass der HSV seine Serie hält.“ Dann könnte er direkt einen neuen Eintrag auf seiner Seite schreiben.