Hamburg. „Fußball ist da, wo alles bebt“: Auf der Nordtribüne des Volksparkstadions fühlt sich Eva Stahl wohl. Welchen klaren Wunsch sie hat.

Am vergangenen Freitag kam Eva Stahl erst um 23.30 Uhr nach Hause. Rund eine Stunde hatte die 86-Jährige nach dem HSV-Spiel gegen Fortuna Düsseldorf gebraucht, um mit ihrem Sohn Dieter den Parkplatz am Volksparkstadion zu verlassen. Eine Stunde dauerte die Heimfahrt nach Eutin. Aber auch fast eine Stunde dauerte es, bis sie nach dem Spiel überhaupt wieder von der Nordtribüne aus dem Stadion gekommen war.

Zwischen den Tausenden Menschen, die sich an den Ausgängen drängelten, musste die Rentnerin auch immer wieder für Fotowünsche anhalten. Viele wollten noch ein Foto machen mit Oma Eva, dem neuen Kultfan des HSV. „Als ich zu Hause war, habe ich vor dem Einschlafen noch einmal auf die Tabelle geschaut. Die sah sehr gut aus“, sagt sie fünf Tage später.

Oma Eva besitzt seit 1996 eine Dauerkarte beim HSV

Oma Eva sitzt am Mittwoch im Videostudio des Abendblatts und spricht in der 177. Folge des Podcasts „HSV – wir müssen reden“ über ihre besondere Geschichte mit ihrem Lieblingsverein, die 1995 mit ihrem ersten Besuch im alten Volksparkstadion begann. Ein Jahr später bekam sie ihre erste Dauerkarte in der Westkurve. Stehplatz. 180 D-Mark. Saison 1996/97.

27 Jahre später steht Oma Eva noch immer zwischen den härtesten HSV-Fans. Rechts neben dem Tor hat sie auf der Nordtribüne ihren Stammplatz in der ersten Reihe. Dort verfolgt sie jedes Heimspiel. Anfang April wurde sie plötzlich ein bisschen berühmt, als der HSV über seinen TikTok-Kanal ein Video postete, auf dem Oma Eva neben jungen hüpfenden HSV-Fans stand und ihr Glück über den Derbysieg kaum fassen konnte. Mehr als 240.000 Aufrufe hat das Video bereits.

Zu ihrem 86. Geburtstag plante der HSV eine Überraschung

Ihren großen Moment hatte Oma Eva dann vor vier Wochen. Vor dem Heimspiel gegen Hansa Rostock wurde sie von Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Tim Walter zum 86. Geburtstag überrascht. Boldt überreichte ihr ein Trikot mit ihrem Rufnamen drauf. Von Walter gab es eine Umarmung. Dann begleitete sie Boldt zurück zur Nordtribüne, während die Fans sie mit „Oma Eva“-Sprechchören feierten.

HSV-Vorstand Jonas Boldt überraschte Oma Eva zum 86. Geburtstag.
HSV-Vorstand Jonas Boldt überraschte Oma Eva zum 86. Geburtstag. © WITTERS | TimGroothuis

„Ich war fix und fertig. Ich dachte nur, was ist denn hier los?“, erinnert sich die Eutinerin vier Wochen später. „Ich weiß gar nicht, ob ich das begriffen habe. Als wir nach Hause fuhren, fragte ich meinen Sohn: Wo waren wir heute? Das sind Erlebnisse, bei denen ich denke, ich bin nicht auf dieser Welt. Das sind Träume.“

„Ich könnte die HSV-Spieler alle knuddeln“

Doch es war kein Traum, den sie am 3. September erlebte. Mit 86 Jahren erlebt sie ihren ganz persönlichen HSV-Traum. Als ihre Lieblingsspieler Sebastian Schonlau und Jonas Meffert sie im Abendblatt-Podcast mit einer Sprachnachricht überraschen, werden ihre Augen feucht. „Ich liebe sie alle“, sagt Oma Eva, die ihren Lieblingen nach den Spielen schon immer recht nah kommt, wenn sie vor ihren Augen einen Sieg feiern. So wie gegen Düsseldorf. „Da könnte ich runtergehen und sie alle einzeln knuddeln.“

Als sie Schonlau, Meffert und Bakery Jatta vor einigen Wochen bereits bei einer Videoproduktion für das neue HSV-Trikot kennenlernen durfte, gab sie den Spielern bereits einen klaren Wunsch mit auf den Weg: Den Aufstieg in die Bundesliga. „Ich sagte: ein bisschen Beeilung bitte. Ich habe die Zeit nicht mehr, so wie ihr sie habt.“

Oma Eva gönnt dem HSV und St. Pauli den Aufstieg

Wenn der HSV dann mal wieder gegen Aufsteiger verliert, kann Oma Eva auch mal fluchen. Aber für unerklärliche Niederlagen hat sie einen simplen Vergleich: „Wenn ich zehnmal Gulasch koche, dann gelingt es auch einmal nicht so gut, ohne dass es eine Erklärung dafür gibt.“

Anfang Mai könnte es am 32. Spieltag zu einer besonderen Begegnung kommen, wenn der HSV das nächste Mal den FC St. Pauli empfängt. Möglicherweise geht es dann für beide Stadtrivalen um den Aufstieg. Aktuell führen die zwei Hamburger Clubs punktgleich die Tabelle an.

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Und auch Oma Eva wird dann wieder dabei sein und für ihren HSV beten. „Mein inneres Gefühl sagt mir, diese Saison schaffen sie das.“ Sie hätte auch nichts dagegen, wenn St. Pauli als Zweiter ebenfalls aufsteigt. „Ich fände das toll, wenn in Hamburg zwei Vereine an der Spitze stehen. Der HSV kommt aber an erster Stelle.“

Oma Eva fühlte sich auf der Südtribüne unwohl

Zu gerne würde sie ihren Verein noch einmal in der Bundesliga spielen sehen. Natürlich weiterhin auf ihrem Stammplatz auf der Nordtribüne. „Ich habe mal im Süden gesessen. Da habe ich gesagt: holt mich hier bloß raus. Ich werde wahnsinnig! Da wurde geklatscht wie bei Bayern München. Aber mehr nicht. Man hat Mittel und Wege gefunden, mich wieder in die Kurve zu kriegen. Das ist Fußball. Fußball ist da, wo alles bebt.“

Und Oma Eva ist mittendrin, wenn die Nordtribüne mal wieder bebt. Ihre Probleme mit dem Nacken sind wie aufgehoben, wenn sie im Stadion steht. Ihre fünf Kinder und ihr Job als Verkäuferin haben sie jung gehalten. „Während des Spiels merke ich das Stehen gar nicht. Aber ich gestehe, wenn das Spiel vorbei ist, atme ich schon mal ein bisschen durch. Ich sag immer, wenn ich mal krank bin, setzt mich bitte in einen Rollstuhl und fahrt mich ins Stadion, dann stehe ich wieder.“

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Oma Eva liebt es, auf der Nordtribüne neben all den jungen HSV-Fans zu stehen, die in den vergangenen Jahren immer jünger geworden sind. „Man sagt immer, die jungen Leute machen nur Remmidemmi. Ich habe aber nur die besten Erfahrungen gemacht.“ Auch wenn die Ultras mal wieder Pyrotechnik zünden, stört sie das nicht, solange der Rauch nicht zu dicht wird. „Einmal roch es so beißend nach verbrannten Autoreifen. Es war alles schwarz und ich hatte meinen Enkel dabei. Der hat sich hinterher die Nase geputzt. Da war alles schwarz.“

Der Qualm der Pyrotechnik gehört für Oma Eva aber genauso dazu wie die Bierdusche nach einem Tor. Nur eines mag sie nicht: Wenn im Winter der Glühwein fliegt. „Das klebt in den Haaren“, sagt sie und lacht. Die Erlebnisse im Volksparkstadion will sie nicht missen. Und noch so lange genießen, wie es geht.

„Ich liebe den HSV und ich hoffe, dass ich noch lange dort stehen kann.“