Hamburg. Der Vorgänger von Tim Walter kehrt mit Fortuna Düsseldorf als Tabellenführer zum HSV zurück. Was der Coach nun anders macht.
Vor einem Jahr schloss Daniel Thioune mit dem Journalisten Gianni Costa von der „Rheinischen Post“ eine Wette ab. Es ging um eine Einladung in ein Düsseldorfer Restaurant – und im Gegenzug um eine Tüte Chips. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Trainer von Fortuna Düsseldorf bereits zwei Gelbe Karten gesehen. Thioune ging ins Risiko.
Hätte er bis zum Saisonende vier Gelbe Karten gesehen oder wäre er in einem Spiel auf die Tribüne verbannt worden, hätte er Costa und die anderen Fortuna-Reporter zum Essen einladen müssen. Im Gegenzug winkte Thioune eine Tüte Chips. Thioune gewann, wartet aber noch immer auf das Einlösen der Wette. „Es gab Lieferschwierigkeiten. Aber Wettschulden sind Ehrenschulden“, sagte Costa am Donnerstag im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ und kündigt ein zeitnahes Paket an.
Der Chefreporter Sport, der seit 2003 bei der „Rheinischen Post“ arbeitet und die Fortuna seit Jahren begleitet, beobachtet das Wirken von Thioune nun schon seit Februar 2022. Der Trainer hatte den Traditionsclub damals auf Relegationsrang 16 übernommen. Am Freitag (18.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) tritt Düsseldorf nun als Tabellenführer beim HSV an. Und Thioune dürfte wieder akut gelbgefährdet sein bei der emotionalen Rückkehr in das Volksparkstadion, in dem er zwischen Juli 2020 und Mai 2021 als Chefcoach arbeitete, drei Spieltage vor Schluss aber freigestellt wurde.
Thioune ist ein „Glücksfall“ für die Fortuna
Mit Düsseldorf kann der 49-Jährige in dieser Saison das schaffen, was er eigentlich mit dem HSV vorhatte: den Aufstieg in die Bundesliga. „Für die Fortuna ist Daniel Thioune ein absoluter Glücksfall“, sagt Reporter Costa – und das nicht wegen irgendwelcher Wetten um Chipstüten. „Er ist ein Stück weit der Außenminister und Innenminister in einem“, sagt Costa und meint damit zum einen Thiounes Kommunikation in der Öffentlichkeit, aber auch die richtige Verbindung zur Mannschaft. „Er ist ein Menschenfänger, hat einen guten Zugang in die Mannschaft und ein gutes Händchen für die Kommunikation“, sagt Costa.
Genau das war Thioune am Ende seiner Zeit in Hamburg nicht mehr gelungen. Damals musste er einen Kader bei Laune halten, in dem es nicht an Qualität mangelte, aber ebenso wenig an potenziellen Problemen mit einzelnen Spielern. Nach einer Auseinandersetzung mit Bobby Wood in der Kabine kippte die Stimmung in der Mannschaft. Führungsspieler sollen sich gegen Thioune ausgesprochen haben. Jonas Boldt reagierte und installierte Horst Hrubesch für die letzten drei Spiele, ehe Tim Walter übernahm.
Boldt empfahl Allofs Verpflichtung von Thioune
Als sich Düsseldorfs Manager Klaus Allofs ein halbes Jahr später bei Boldt nach Thioune erkundigte, empfahl der Sportvorstand des HSV seiner Heimstadt die Verpflichtung des Trainers, den er selbst gefeuert hatte. Und das sollte sich für die Fortuna bezahlt machen. „Daniel Thioune ist eine Bereicherung für die Zweite Liga und vielleicht auch für mehr“, sagt Insider Costa, der die Fortuna am Freitag aber nicht in der Favoritenrolle sieht.
Vor ziemlich genau einem Jahr war Thioune als Düsseldorf-Trainer erstmals wieder im Volkspark zu Gast, verlor aber völlig verdient mit 0:2. Es war eines der besten Spiele des HSV unter Tim Walter, der nun aber nach den jüngsten Niederlagen bei den Aufsteigern Elversberg und Osnabrück unter Druck geraten ist. Das will die Fortuna ausnutzen.
Fortuna steht an der Spitze der Zweiten Liga
„Ich würde gerne auch morgen auf der Rückfahrt noch vor dem HSV stehen“, sagte Thioune am Donnerstag. Er erwartet aber eine andere Hamburger Mannschaft als zuletzt. „Ich glaube, dass beim HSV schon ausreichend Wut im Bauch sein wird. Ich durfte ja auch schon mal ein paar Tage am Spielfeldrand stehen in Hamburg. Zwar ohne Zuschauer, aber ich weiß auch, was das mit dem Verein macht, mit der Mannschaft macht. Sie wollen eine Reaktion zeigen“, sagt Thioune.
Das wird auch nötig sein, wenn Walter in Hamburg nicht ein ähnliches Schicksal erleben will wie Thioune. In Düsseldorf scheint der Osnabrücker in jedem Fall am richtigen Ort gelandet zu sein. „Gesucht und gefunden“, sagt Fortuna-Reporter Costa über die Verbindung zwischen Thioune und Düsseldorf. „Das ist bei der Fortuna sehr wichtig nach einer turbulenten Zeit mit vielen Wechseln in der Führung und der Zeit mit der Überfigur Friedhelm Funkel, der über allem schwebte.“ Thioune habe nun gute Chancen, eine neue Trainer-Ära zu prägen.
Beiden Mannschaften fehlt der Kapitän
Auch taktisch hat sich Thioune offenbar weiterentwickelt. Während er beim HSV vor allem in seiner Anfangszeit fast wöchentlich seine Aufstellung und seine taktische Ausrichtung veränderte und sich am Gegner orientierte, hat Thioune in Düsseldorf eine klare Linie gefunden. „Er bringt eine eigene Handschrift mit und einen eigenen Stempel“, sagt Costa. Der Journalist sagt aber auch: „Das Spiel gegen den HSV wird ein Fingerzeig.“
Personell haben Thioune und Walter eigentlich nur wenig Sorgen, allerdings fehlt sowohl dem HSV als auch der Fortuna der Kapitän und Abwehrchef verletzt. Während die Hamburger hoffen, nach der Länderspielpause wieder auf Sebastian Schonlau bauen zu können, fällt Düsseldorfs Andre Hoffmann nach einer Schulteroperation rund drei Monate aus.
Projekt „Fortuna für alle“ startet in drei Wochen
Zwar werden die Aufstiegsambitionen am Rhein ein wenig zurückhaltender formuliert als in Hamburg, doch auch bei der Fortuna sind sich alle einig, dass der Weg wieder in die Bundesliga führen soll. Bei den Fans ist der Aufschwung allerdings noch nicht ganz angekommen. Das Volksparkstadion wird am Freitag nur dann zum zwölften Mal in Folge ausverkauft sein, wenn auch im Gästeblock noch alle Tickets einen Abnehmer finden.
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Mit Spannung blickt man in Düsseldorf aber bereits auf das Projekt „Fortuna für alle“, das weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt hat. In drei Wochen wird es beim Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern erstmals freien Eintritt für alle Zuschauer geben, die im Rahmen eines Losverfahrens ausgewählt werden. Dann erhofft sich der Club endlich auch mal wieder ein ausverkauftes Stadion in Düsseldorf. Diese Probleme gibt es beim HSV nicht. Davon wird sich Thioune am Freitag einmal mehr überzeugen können.
HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Ambrosius, Hadzikadunic, Muheim – Meffert – Reis, Benes – Jatta, Glatzel, Dompé. Düsseldorf: Kastenmeier – Zimmermann, Siebert, de Wijs, Iyoha – Engelhardt – Klaus, Johannesson, Appelkamp, Tzolis – Vermeij.