Hamburg. Dank seiner Tore wird der Flügelstürmer immer wertvoller. Sein Vertrag soll verlängert werden. Aber zu welchen Konditionen?

Ende September will Tom Saintfiet mal wieder nach Hamburg kommen und ein HSV-Spiel besuchen. Der Fußballtrainer aus Belgien war in den vergangenen Jahren schon mehrfach zu Gast im Volkspark. Und das hat einen besonderen Grund. Der 50-Jährige ist seit 2018 der Nationaltrainer von Gambia. Und fast genauso lange versucht er nun schon, HSV-Profi Bakery Jatta davon zu überzeugen, für die Nationalmannschaft des westafrikanischen Landes zu spielen. „Bakery ist ein super Spieler, wir könnten ihn gut gebrauchen“, sagte Saintfiet am Montag im Gespräch mit dem Abendblatt.

Am 10. September spielt Gambia im letzten Gruppenspiel der Afrika-Cup-Qualifikation gegen die Republik Kongo. Einen Punkt braucht Saintfiets Team noch, um sich für das große Turnier Anfang des Jahres in der Elfenbeinküste (13. Januar bis 11. Februar) zu qualifizieren. Hinter Mali ist Gambia aktuell Zweiter. Ob Saintfiet Jatta überreden kann, spätestens beim Afrika-Cup dabei zu sein, ist aber fraglich.

Warum HSV-Profi Jatta noch nicht für Gambia spielen will

„Bakery hat mir immer gesagt, dass es noch zu früh für ihn ist, für Gambia zu spielen. Er will den Fokus auf den HSV legen“, sagt Saintfiet, der mitbekommen hat, was in den vergangenen Jahren im Zuge der Identitätsdebatte rund um Jatta passiert ist. „Auch wenn das jetzt vorbei ist, hat es ihn sehr berührt. Es war viel Stress“, sagt Saintfiet, dem nicht entgangen ist, dass Jatta in den vergangenen zwei Wochen gleich vier Pflichtspieltore für den HSV erzielt hat und die vielleicht stärkste Zeit erlebt, seit er im Januar 2016 als Probespieler erstmals im Volkspark auftauchte und im selben Jahr seinen ersten Vertrag als Profi unterschrieb.

Spätestens seit seinem Siegtor gegen Hannover 96 am Sonnabend ist Jatta wieder in aller Munde. Vor drei Wochen wunderten sich viele Fans noch über seinen Auftritt beim 2:2 in Karlsruhe, als er ein- und wieder ausgewechselt wurde sowie eine Großchance kläglich vergab. Wie das Abendblatt erfuhr, war Jatta unzufrieden über seine Reservistenrolle an den ersten zwei Spieltagen. Doch mit dem Pokalspiel in Essen, als der 25-Jährige doppelt traf, hat sich der Wind wieder gedreht. Trainer Tim Walter hat gemerkt, dass er auf Jatta nicht verzichten will und auch nicht kann.

Ähnlich lief es bereits unter Walters Vorgängern Daniel Thioune und Dieter Hecking. Seinen Durchbruch schaffte Jatta unter Hannes Wolf in der ersten Zweitligasaison. Der damalige Sportvorstand Ralf Becker honorierte die Leistungen und verlängerte Jattas Vertrag im Januar 2019 langfristig bis 2024 – eine ungewöhnlich lange Laufzeit.

Ralf Becker sieht in Jatta einen Bundesligaspieler

„Wir hatten die Fantasie, dass er sich richtig gut entwickelt und langfristig in der Bundesliga eine tragende Rolle spielen kann“, sagt Becker viereinhalb Jahre später dem Abendblatt. „Bakas Entwicklung bestätigt die Einschätzung, auch wenn der HSV immer noch in der Zweiten Liga spielt“, sagt Becker, der seit drei Jahren Sportchef von Dynamo Dresden ist, den HSV aber weiterhin verfolgt.

In zehn Monaten läuft Jattas langfristig angelegter Vertrag nun aus. Der Offensivspieler, der seit 2017 für den HSV 177 Pflichtspiele (25 Tore/22 Vorlagen) bestritten hat, gehört mittlerweile zu den Leistungsträgern, wie die jüngsten zwei Spiele gegen Hertha und in Hannover mal wieder bestätigt haben. Weil er seinen Vertrag vor viereinhalb Jahren aber als Jungprofi unterschrieb, ist der Gambier im Gehaltsgefüge der Mannschaft mit einem geschätzten Einkommen von rund 300.000 Euro pro Jahr einer der Geringverdiener. Das soll sich mit der nächsten Unterschrift nun ändern. Jatta will finanziell einen Sprung machen. Die große Frage ist: Wie viel ist er dem HSV wert?

Jatta hat in der Bundesliga einen Markt

Die Vertragsgespräche mit Jatta sollen nach Ende der Transferperiode beginnen. Nachdem Sebastian Schonlau und Jonas Meffert ihre auslaufenden Verträge in der vergangenen Woche bereits verlängert haben, geht es nun vor allem um Jatta. Klar ist, dass der Fanliebling gerne beim HSV bleiben will. Klar ist auch, dass der HSV den Flügelstürmer behalten will.

Unklar ist nur, ob sich Sportvorstand Jonas Boldt und Jattas Berater Efe Aktas auf die finanziellen Rahmendaten einigen können. Jatta hat mit seinem Profil einen Markt auch in der Bundesliga. Nachdem alle Ermittlungen rund um seine Identität eingestellt wurden, dürften sich Clubs auch verstärkt mit einem Transfer beschäftigen.

Jatta will deutsche Staatsbürgerschaft beantragen

Da beide Parteien aber wissen, was sie aneinander haben, gilt ein Verbleib in Hamburg als wahrscheinlich. Jatta liebt den HSV. Und will mit dem Club endlich wieder in der Bundesliga spielen. In der Liga, in der er vor sechs Jahren am 16. April 2017 beim Spiel in Bremen sein Debüt als Profi gefeiert hatte.

Jatta hatte zuvor seine Heimat Gambia verlassen, um in Deutschland sein Glück als Profi zu versuchen. Seinen Traum hat er sich bereits erfüllt. Nun plant er, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Die Idee, irgendwann für Gambia zu spielen, wäre damit aber nicht verworfen. „Bakery ist jederzeit bei uns willkommen. Wir haben eine gute Beziehung“, sagt Nationaltrainer Saintfiet, der fast wöchentlich mit Jatta in Kontakt steht.

Bislang ist es Saintfiet nicht gelungen, Jatta von der Auswahl Gambias zu überzeugen. Die Hoffnung gibt er aber nicht auf. „Es ist schade, dass er noch nicht bei uns ist. Aber ich kann verstehen, dass er jetzt keinen zusätzlichen Druck will“, sagt Saintfiet. „Ich glaube aber, dass er sich früher oder später für uns entscheidet.“

Sollte es in den nächsten zwei bis drei Jahren passieren, stehen die Chancen gut, dass Jatta dann noch immer ein HSV-Spieler ist. Dann würde Saintfiet wahrscheinlich noch viel häufiger die Spiele seines Schützlings im Volkspark besuchen.