Hamburg. Das Spektakel gegen Schalke 04 erinnerte an den HSV der vergangenen Saison. Doch der Trainer setzt nun auf ganz neue Mittel.
Wer die Pressekonferenz nach dem spektakulären 5:3-Sieg des HSV gegen den FC Schalke 04 am Freitagabend aufmerksam verfolgte, dem dürfte aufgefallen sein, dass Trainer Tim Walter ein neues Lieblingswort hat: flexibel. Gleich dreimal nutzte Walter den Begriff, um zu erklären, warum sein neuformiertes Team gegen den Bundesliga-Absteiger vor allem taktisch überzeugte. "Wir waren sehr flexibel", sagte Walter gleich zu Beginn seines Statements. Ein Attribut, das man in der Vergangenheit nicht gerade mit Walter in Verbindung gebracht hat.
Nun aber gab es viel Lob für den variablen Matchplan des Trainers von den eigenen Spielern. „Der Trainer und die Co-Trainer haben uns perfekt auf den Gegner vorbereitet. Wir wussten genau was zu tun ist, um uns Chancen herauszuspielen", sagte Ersatzkapitän Jonas Meffert. Gegen die mannorientierte Verteidigung der Schalker schaffte es der HSV immer wieder, sich in die Tiefe zu kombinieren. „Wenn wir sie rausgezogen haben, war viel in der Tiefe frei“, erklärte Meffert. Vor allem die langen Flugbälle von Torhüter Daniel Heuer Fernandes brachten die HSV-Angreifer immer wieder in gute Positionen. Meffert lobte diesen Schachzug. „Ferro war immer der freie Mann.“
Viel war nach der abgelaufenen Saison darüber diskutiert worden, ob Trainer Walter sein System anpassen würde. Und tatsächlich spielte der neue HSV deutlich variabler. Waren lange Bälle des Torhüters unter Walter in seiner Zeit in Kiel sogar verboten, waren sie am Freitagabend ein passendes taktisches Mittel. Schon in der vergangenen Saison war diese Entwicklung zu beobachten. Die Sommerpause scheint Walter nun aber genutzt zu haben, um seine Spielidee grundlegend zu überdenken.
Das Tor zum 3:3 erinnerte an den HSV der vergangenen Saison
Geblieben ist aber auch in der neuen Saison mit neuen Spielern der Spektakel-Fußball mit zu vielen Gegentoren. „Drei Gegentore gehen natürlich gar nicht“, sagte Stürmer Robert Glatzel, der nicht nur wegen seiner zwei Tore und der zwei Vorlagen der überragende Spieler auf dem Platz war. Insbesondere der Ausgleich zum 3:3 erinnerte an den HSV der vergangenen Saison. Heuer Fernandes machte das Spiel unnötig schnell, Levin Öztunali beging einen individuellen Fehler und die Abwehr stand gegen Simon Terodde zu hoch.
Dass der HSV die Schalker trotzdem noch in die Knie zwang, hatte er neben dem Platzverweis für den jungen Schalker Ibrahima Cissé vor allem seiner unbändigen Offensivpower zu verdanken. 32 Torschüsse waren es am Ende beim HSV – eine rekordverdächtige Zahl. Vor allem die Neuzugänge Immanuel Pherai und Ignace van der Brempt trieben das HSV-Spiel immer wieder an.
„Die neuen Spieler haben viel Energie reingebracht, das war sehr wichtig“, sagte Meffert, der offen zugab, dass ihm der Neustart nach dem verpassten Aufstieg in der Relegation gegen den VfB Stuttgart nicht leicht gefallen sei. „Nach dem Stuttgart-Spiel war sehr viel Leere in mir, vor allem die Tage danach. Es war schon schwierig, sich wieder zu motivieren. Anderen ging es genauso“, sagte Meffert.
Meffert bezeichnet die Fans als Schlüssel zum Sieg
Dass der HSV trotzdem von Beginn an mit viel Energie spielte, lag auch an den Fans. „Als wir hier hergefahren sind und ins Stadion gelaufen sind, war alles weg. Da hat man eine wahnsinnige Energie gespürt. Das hat sich voll auf uns übertragen“, sagte Meffert. Auch die Neuzugänge waren begeistert. „Es war so laut, dass ich meine Mitspieler nicht gehört habe. Das war schon krass“, sagte Pherai, der das erste Mal für den HSV im Volksparkstadion spielte.
Ähnlich erlebte Rechtsverteidiger van der Brempt seine Premiere im HSV-Stadion. „Wir haben die Emotionen auf dem Platz gespürt“, sagte der Belgier, der die Zuschauer mit seinen langen Sprints begeisterte. Am Ende belohnte sich der Neuzugang mit seiner ersten Vorlage für den HSV zum 4:3 durch Glatzel. „Ich habe ihn im Auge gesehen. Wie er das Tor macht, war außergewöhnlich“, sagte der Vorlagengeber. „So einen Start hätte ich mir nicht besser erträumen können. Wir haben viele Menschen glücklich gemacht“, so van der Brempt.
Benes machte sein wohl bestes Spiel für den HSV
Aber nicht nur die Neuzugänge überzeugten. Auch Laszlo Benes, der in der vergangenen Saison nicht immer glücklich war mit seinen Einsatzzeiten, machte sein wahrscheinlich bestes Spiel für den HSV. Als Vertreter von Ludovit Reis übernahm der Slowake Verantwortung – nicht nur beim Elfmeter zum 2:2. „Wir hatten unfassbar viel Energie nach vorne. Ich habe gespürt, dass jeder dieses Spiel gewinnen will“, sagte Benes, der zudem zum 3:2 traf und das 5:3 vorbereitete. „Heute war alles drin, was für einen Fußballer Spaß macht“, sagte Benes, der ebenfalls die Verstärkungen lobte. „Die Neuzugänge bringen uns viel Qualität.“
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Mehr Flexibilität in der Spielweise, mehr Breite im Kader – es war ein vielversprechender Start für den HSV und Trainer Walter. Trotzdem standen am Ende auch wieder drei Gegentore. Meffert wählte daher auch das passende Schlusswort: „Man hat gesehen, dass wir noch an vielen Dingen arbeiten müssen.“