Hamburg. Felix Paschke bangte nach einer seltenen Hüftverletzung um seine HSV-Karriere. Ein Besuch beim Extratraining im Footbal Lab.
An den Moment, der sein Leben verändern sollte, kann sich Felix Paschke noch genau erinnern. Es war der erste Tag der HSV-Profis im Trainingslager von Sotogrande. 3. Januar 2022. Eine Spielform. „Ich habe den Ball bekommen, beschleunigt und dann einen leichten Stoß von hinten bekommen“, sagt Paschke. Der damals 18-Jährige verliert die Balance und tritt mit einem langen Ausfallschritt falsch auf. „Dabei ist die Hüfte nach hinten weggeknickt.“
Ein Schmerz zieht durch seinen Körper. Doch das Adrenalin ist noch da. Der defensive Mittelfeldspieler macht weiter. „Ich habe mir gesagt: Das ist meine Chance, meine große Möglichkeit. Du darfst jetzt nicht verletzt sein.“ Doch Paschke ist verletzt. Schwer verletzt. Das merkt er wenig später, als er beim Laufen mehrfach nach innen einklappt. „Da wusste ich, dass irgendwas kaputt ist.“
Paschke erlitt einen knöchernen Ausriss im Hüftgelenk
Paschke sitzt auf einem Hocker an einem langen Holztisch im Trainingszentrum Football Lab in Langenfelde und erinnert sich. Eineinhalb Jahre ist es her, dass dieser falsche Schritt dafür sorgte, dass die Karriere des HSV-Talents auf der Kippe stand. Die Diagnose: Knöcherner Ausriss im Hüftgelenk. Eine sehr seltene Verletzung. Dazu kam noch ein Knorpelschaden, den die Ärzte bei der ersten Operation entdeckten.
Paschke muss monatelang pausieren. Ob er es wieder zurück zu den Profis schafft, ist zu diesem Zeitpunkt völlig ungewiss. „Ich konnte mich nach der ersten OP kaum bewegen. Ich lag im Krankenbett und konnte mir nur ganz schwer vorstellen, dass ich überhaupt einmal wieder richtig sprinten kann“, sagt Paschke. Der Profitraum scheint früh vorbei zu sein. Vor ihm liegt eine ungewisse Rehazeit. „Die Ärzte konnten es nicht so gut einschätzen, weil es eine unübliche Verletzung war. Für mich war das schwer zu realisieren“, sagt das HSV-Talent rückblickend.
In der U21 des HSV machte Paschke schon wieder ein paar Spiele
538 Tage später hat es Paschke geschafft. Hinter ihm liegt ein langer Weg, der ihm nicht nur körperlich alles abverlangt hat. Kurz vor seinem 20. Geburtstag ist Paschke nun endlich schmerzfrei und kann seit einigen Wochen wieder Fußball spielen. Nicht bei den Profis, aber zumindest bei der U21, für die er in der Rückrunde schon wieder die ersten Spiele gemacht hat. Dabei zwickten immer wieder die Muskeln. Die Leidenszeit ist nun vorbei.
„Felix hat die Zeit sehr gut genutzt, um körperlich robuster und stabiler zu werden“, sagt Trainer Pit Reimers, der dabei sein wird, wenn für Paschke nun der Härtetest beginnt: Die Vorbereitung auf die neue Saison. Dafür hat Paschke auf seinen Urlaub verzichtet. Fast die gesamte Sommerpause hat er täglich hier in den Räumen des Football Lab geschwitzt. Ein Trainingszentrum mit multifunktionellen Übungsmethoden, die seine Berateragentur FTC übernommen hat und von der cotesk sports GmbH betrieben wird. Paschke steht in einem kreisrunden Feld mit Signalbanden. Er trägt das Jubiläumstrikot des HSV Supporters Clubs und passt auf verschiedene Felder, die wechselseitig aufleuchten.
Zusätzlich zu seinem Training beim HSV macht Paschke hier Extraschichten für seine Technik, aber auch die Athletik. Eine Entwicklung, die im Fußball seit einiger Zeit zu beobachten ist. Viele angehende Profis bekommen von ihren Beratern immer häufiger Zusatztraining vermittelt. Selbst gestandene Profis wie HSV-Stürmer Robert Glatzel machen abseits des Clubtrainings viel nebenbei. „Die Spieler wollen besser werden und wir wollen ihnen dabei helfen“, sagt Spielerberater Guido Krenzk, der Paschke hier bei seinem Training begleitet.
Paschke studiert Psychologie an der Fernuniversität Hagen
Für den 19-Jährigen geht es ganz nebenbei um seine Zukunft als Berufsfußballer. Weil zwischenzeitlich nicht klar war, ob er es wieder schaffen wird, hat Paschke ein Psychologiestudium an der Fernuniversität Hagen begonnen. „Ich wollte mir ein zweites Standbein aufbauen“, sagt er. Sein Abitur in Wedel hat er schon vor seinem ersten Training bei den Profis im Spätherbst 2021 gemacht. Tim Walter hatte ihn zuvor bei einem U-19-Spiel gegen Hertha BSC beobachtet. Co-Trainer Julian Hübner lud ihn daraufhin zum Profitraining ein. Zudem unterschrieb Paschke einen Vertragsspielerkontrakt bis 2024. Die Tür nach oben war plötzlich weit geöffnet. Doch dann passierte das Unglück.
Bei seinen Eltern, mit denen er seit 15 Jahren im schleswig-holsteinischen Hetlingen wohnt, fand Paschke Trost. Seine Mutter kommt aus Thailand, sein Vater ist Hamburger. In Blankenese wuchs Paschke auf. Eigentlich wollte die Familie zunächst nach Rissen ziehen. Dann hätte Paschke nicht Fußball gespielt, sondern Tennis und Hockey. Doch am Ende fiel die Wahl auf das Dorf Hetlingen. Beim MTV Hetlingen gab es einen schönen Rasenplatz. So landeten Felix und sein Bruder Nicolas Kan beim Fußball.
Während sein Bruder in Holm nur in der Kreisliga spielt, weil ihm der Ehrgeiz fehlt, träumt Felix weiter von einer Karriere als Profi. Sein Umfeld traut ihm diesen Weg trotz des großen Rückschlags weiter zu. „Felix ist jemand, der sehr viel für sich selbst macht, weil er sehr ehrgeizig ist“, sagt sein Berater Guido Krenzk.
Auch an diesem Vormittag wartet im Football Lab noch eine Athletikeinheit auf ihn. Am Nachmittag ist Training beim HSV. Sein Berater und seine Trainer im Volkspark müssen sich gut absprechen, damit er keine Muskelgruppen doppelt belastet. Zufrieden sind sie aber alle, was Paschke mittlerweile für seinen Körper tut, um schwere Verletzungen zukünftig zu vermeiden. „Ich habe vor der Verletzung nicht so bewusst gearbeitet. Jetzt habe ich ein innigeres Verhältnis zu meinem Körper“, sagt Paschke und nimmt einen letzten Schluck aus der Wasserflasche.
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Gleich geht es weiter mit dem nächsten Krafttraining. Für seinen Traum will er alles tun. „Mein Ziel ist es, irgendwann bei den Profis wieder eine Chance zu kriegen“, sagt Paschke, der sich nun aber erst einmal über die U21 für Tim Walter empfehlen muss. Paschkes Plan ist klar. „Der Sprung in den Profifußball wäre das Schönste.“