Hamburg. Robert Glatzel verlängert seinen Vertrag beim HSV um mehrere Jahre. Seine Ausstiegsklausel ist mit seiner Unterschrift obsolet.

Das Video, das der HSV am Montag gegen 13 Uhr in den sozialen Netzwerken veröffentlichte, ist 1:17 Minuten lang. Zu sehen ist ein Mitarbeiter des Clubs, der eine mit Habseligkeiten vollgepackte Kiste ausliefert, wie es normalerweise nur bei einem Jobwechsel der Fall ist.

Nach etwa 30 Sekunden rutscht der Empfänger des Pappkartons ins Bild. Es ist Robert Glatzel, dessen breites Grinsen allerdings sofort verrät, dass er den HSV nicht verlassen wird. „Die brauche ich noch nicht“, sagt der glückliche Stürmer über die Kiste und ergänzt in Bezug auf seine Vertragsverlängerung bis 2027: „Es geht hier ja noch weiter.“

Eine gelungene Inszenierung der für die gesamte Transferplanung weitreichenden Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt allerdings keinen mehr überraschte. Denn zwei Stunden zuvor hatte das Abendblatt bereits über Glatzels Verbleib zu leicht angehobenen Konditionen berichtet. Ein Deal, der als echter Coup von Sportvorstand Jonas Boldt zu bewerten ist. Die Ausstiegsklausel, die Glatzel bis zum 15. Juni einen Wechsel für 1,5 Millionen Euro ermöglicht hätte, ist nun obsolet.

HSV verlängert mit Robert Glatzel

Damit hat der HSV seine wichtigste Personalie in diesem Sommer rechtzeitig geklärt. Nach dem verpassten Aufstieg soll Glatzel in der kommenden Spielzeit mit seinen Toren dazu beitragen, dass das Saisonziel Bundesligarückkehr endlich erreicht wird. In den vergangenen Tagen war der Angreifer hin- und hergerissen, ob er sich seinen Traum von der Bundesliga erfüllen oder beim HSV bleiben sollte.

Der Familienmensch weiß das Leben in der Stadt und die Nachbarschaft in Eimsbüttel sehr zu schätzen. Dennoch sah sein Karriereplan vor, nächste Saison höherklassig zu spielen.

Trotz lukrativer Anfragen aus der Bundesliga und dem Ausland entschied sich Glatzel für den HSV, weil der Club für ihn längst zu einer Herzensangelegenheit geworden ist. Ausschlaggebend für den 29-Jährigen, der seit Beginn des Transferpokers klargemacht hatte, eine langfristige Lösung zu suchen, waren neben der hohen internen Wertschätzung auch die positiven Reaktionen der Fans, die sich seinen Verbleib gewünscht hatten.

Glatzel hat neue Ausstiegsklausel

„Obwohl wir in den vergangenen zwei Jahren leider unser großes Ziel verpasst haben, hatte ich die mit Abstand glücklichste Zeit in meiner bisherigen Karriere. Ich habe mich bei einem Verein noch nie so wohlgefühlt“, ließ sich Glatzel nach seiner Unterschrift auf der vereinseigenen Webseite zitieren.

„Mannschaft, Club, Fans und alles drumherum passen für mich perfekt zusammen, deshalb freue ich mich sehr, noch länger beim HSV zu bleiben und die Ziele gemeinsam anzugehen.“ Eine Ausstiegsklausel hat er sich allerdings erneut ausgehandelt.

Seine Verlängerung freut auch Trainer Tim Walter, der das 4-3-3-System auf seinen treffsichersten Spieler zugeschnitten hat. „Bobby ist ein sehr vielseitiger Mittelstürmer, der viele Komponenten des Spiels in einer Person vereint“, sagt Claus Costa, Direktor Profifußball, über die Qualitäten des mitspielenden Stürmers, der sich die Bälle auch mal an der Mittellinie abholt, um sie zu verteilen.

HSV freut sich über Glatzel-Verbleib

Eine Spielweise, mit der sich Glatzel jedoch schon einen Rüffel von Walter einholte. „Der Trainer fordert, dass ich in der Box bleibe, ich hingegen will am Spiel teil­nehmen“, sagte der Stürmer einmal über Diskussionen mit seinem Coach, die zu mehr Freiheiten für den Profi auf dem Platz führten. „Er ist ein absoluter Fixpunkt in unserem Spiel“, sagt Costa.

Vorstand Boldt hob vor allem Glatzels Führungsqualitäten hervor. „Bobby ist ein sehr wichtiger Spieler für unsere Mannschaft, nicht nur aufgrund der vielen Tore“, sagte der Manager.

In seiner ersten Saison beim HSV schoss Glatzel 22 Tore, in der abgelaufenen Spielzeit war er 19-mal erfolgreich. Seine Treffer ermöglichten den Hamburgern überhaupt erst den Einzug in die Relegation, die nach Hin- und Rückspiel in der Summe mit 1:6 gegen Erstligist VfB Stuttgart verloren ging. Nun wollen Glatzel und der HSV einen neuen Anlauf unternehmen, damit das sechste Zweitligajahr das letzte bleibt.

HSV bindet Glatzel – mit Signalwirkung?

Schon im vergangenen Sommer hatte der HSV den Abgang seines Topstürmers auf der Zielgeraden verhindern können. Glatzel lag damals ein unterschriftsreifes Angebot von Bundesliga-Aufsteiger Schalke 04 vor, das die Hamburger mit einer Verdopplung seines Jahresgehalts auf mehr als eine Million Euro sowie einer um ein Jahr erweiterten Vertragslaufzeit bis 2025 getoppt hatten.

Ähnlich lief es auch diesmal ab. „Ich will mit diesem geilen Verein in die Bundesliga, anstatt den Sprung allein zu machen“, hatte Glatzel nach der ausgeschlagenen Schalke-Offerte über den HSV gesagt. Eine Aussage, die auch zwölf Monate später aktueller denn je wirkt.

Glatzels Verlängerung könnte auch eine Signalwirkung für andere Leistungsträger haben, die sich noch unschlüssig sind, ob sie dem Lockruf eines höherklassigen Vereins folgen sollten. Boldt bezeichnet den Verbleib des Torjägers nicht ohne Grund als „ganz wichtiges Signal“.

Folgt Heuer Fernandes auf Glatzel?

In den nächsten Tagen erwartet der HSV auch von Heuer Fernandes eine Entscheidung, ob er sich wie Glatzel zum Club bekennt oder seine Wechselambitionen kundtut. Der 30 Jahre alte Deutsch-Portugiese erwägt, im Herbst seiner Karriere in das Heimatland seines Vaters zu wechseln. Mehrere portugiesische Erstligisten sollen an dem Schlussmann interessiert sein.

Wie bei Glatzel versucht der HSV, auch den bis 2024 gültigen Vertrag seines Schlüsselspielers im Tor zu verlängern. Da Heuer Fernandes keine Ausstiegsklausel in seinem Kontrakt besitzt, müsste die Ablöse im Falle eines Abgangs frei verhandelt werden.

Beim HSV hoffen die Verantwortlichen allerdings, den Torwart von einem Verbleib zu überzeugen. Auch bei ihm soll die Verbundenheit zum Club und zu Hamburg als der größte Trumpf in den Verhandlungen fungieren.

HSV und der Glatzel-Dominostein

Die Zukunftsfrage müssen auch Ludovit Reis (23), der dank einer ebenfalls am 15. Juni auslaufenden Ausstiegsklausel für 7,5 Millionen Euro wechseln kann, und Sonny Kittel (30), dessen auslaufender Vertrag verlängert werden soll, klären. „Wir brauchen ein Commitment von allen. Jeder muss es für sich bewerten, insbesondere die Jungs, die eine Möglichkeit haben, sich zu verändern“, hatte Boldt unmittelbar nach der verlorenen Relegation über die Wechseloptionen einiger Leistungsträger gesagt. „Die Spieler wissen, was sie an Hamburg und an uns haben.“

Ein Argument, das mit Glatzel schon mal den wichtigsten Eckpfeiler der Mannschaft überzeugte. Wird seine Vertragsverlängerung nun zum Dominostein für die weiteren Verhandlungen?