Hamburg. Der Trainer lässt keine Zweifel an seinem Team und der Spielidee aufkommen. Doch auch die Nerven des 47-Jährigen sind angespannt.

Tim Walter setzte am Dienstagnachmittag auf die gewohnten Abläufe zum Auftakt in eine Trainingswoche. Intensive Kleinfeldspiele, Belohnung für die Gewinner, Balldienst ausspielen, Autogramme schreiben. So macht es Walter mit seiner Mannschaft immer, seit er vor fast zwei Jahren das Kommando beim HSV übernommen hat.

Und so machte er es auch zum Start in die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Hannover 96. Abläufe verändern in kritischen Phasen? Nicht mit dem HSV-Trainer! „Ich werde nie unruhig“, sagte Walter bereits am Montag im Podcast „Kicker meets DAZN“.

HSV: Wiederholt sich die Geschichte der Vorjahre?

Prächtig gelaunt präsentierte sich Walter dabei zu Wochenbeginn im Gespräch mit den Moderatoren Alex Schlüter und Benni Zander. Der 47-Jährige sprach ausführlich über die vergangenen Wochen, in denen der HSV viele Punkte verschenkte und den direkten Aufstiegsplatz an den 1. FC Heidenheim verlor. Dass sich die Geschichte der vergangenen Jahre wiederholen könnte? Für Walter kein Thema.

„Wir schreiben unsere eigene Geschichte. Und die geht nach vorne“, sagte Walter, der sich freimachen will von der wöchentlichen Zwischenbewertung. „Es geht nicht immer um Ergebnisse, sondern um die Identität eines Vereins. Die haben wir geschaffen, und das ist der größte Erfolg. Es geht aber immer noch einen Erfolg weiter“, sagte der Chefcoach mit Blick auf das große Aufstiegsziel Ende Mai.

HSV-Trainer Tim Walter lässt sich erneut provozieren

Dass Walters Nerven nach drei sieglosen Spielen allerdings angespannter sind, als er es zugibt, verdeutlichte eine Geste nach dem Spiel in Düsseldorf. Nur drei Wochen nach seiner Roten Karte in Karlsruhe ließ sich der HSV-Coach beim Gang vom Platz erneut provozieren und deutete zunächst eine obszöne Geste an, die er aber nicht zu Ende führte. Stattdessen strich er sich durchs Haar.

„Ich habe meine Frisur wieder richtig gelegt“, sagte Walter nun im Spaß. Was er im Ernst damit sagen wollte: „Lasst mich alle in Ruhe. Wir gehen unseren Weg weiter“, so der Trainer, der ergänzte: „Es war nicht so dramatisch. Wenn es so aufgefasst wird, als wäre es ein Fauxpas von mir, dann nehme ich das gerne so hin. Ich sehe die Fehler grundsätzlich immer bei mir.“

Fehler machte der HSV in den vergangenen Wochen aber vor allem auf dem Platz zu viele. Insbesondere die Innenverteidiger Javi Montero und Jonas David sowie Linksverteidiger Miro Muheim patzten in den jüngsten Auswärtsspielen in Heidenheim (3:3), Karlsruhe (2:4), Darmstadt (1:1) und Düsseldorf (2:2). „Im Moment stehen wir für individuelle Fehler“, sagte Walter nun.

Kapitän Sebastian Schonlau ist der Hoffnungsträger

Öffentlich musste der Spanier Montero zuletzt für seine Unzulänglichkeiten als Sündenbock herhalten. Auf Muheim ließ Walter bislang nichts kommen. Gegen Hannover 96 hat Noah Katterbach nun die große Chance, den Stammplatz des gelbgesperrten Schweizers zu erobern. Die größte Hoffnung setzt der HSV aber in die Rückkehr des gesperrten Kapitäns Sebastian Schonlau.

Während viele Fans rund um den HSV schon wieder nervös werden und den Aufstieg erneut in großer Gefahr sehen, versucht Walter mit seiner typischen Art voranzugehen, um in seiner Mannschaft keine Zweifel aufkommen zu lassen. „Wenn ich nur ein bisschen zweifle, dann zweifeln meine Jungs auch“, sagte Walter, der weiterhin fest davon überzeugt ist, dass sein Weg und seine Idee des Fußballs den HSV zum Ziel führen werden.

Allerdings sei es an der Zeit, die wiederkehrenden Fehler abzustellen. „Alle großen Mannschaften, die etwas gewinnen, spielen auf Ballbesitz. Trotzdem können diese Mannschaften auch überragend verteidigen.“

HSV bestes Team in Kompaktheit und Gegenpressing

Dass der HSV in den vergangenen Wochen zu viele Gegentore kassierte, ist für Walter kein Fehler des Systems. „Wir sind in der Kompaktheit und im Gegenpressing das beste Team der Zweiten Liga“, sagte Walter und erklärte am Dienstag nach dem Training auf Nachfrage, dass diese Aussagen durch entsprechende Statistiken belegt seien.

Trainer Tim Walter im Blickpunkt: Der 47-Jährige versucht nach dem 2:2 in Düsseldorf seine Mannschaft wieder aufzurichten.
Trainer Tim Walter im Blickpunkt: Der 47-Jährige versucht nach dem 2:2 in Düsseldorf seine Mannschaft wieder aufzurichten. © Imago

Bei der Kompaktheit gehe es um die Abstände zwischen den Spielern, die beim HSV am geringsten seien. Das Gegenpressing wird durch die Zeit gemessen, die eine Mannschaft nach einem Ballverlust braucht, um das Spielgerät zurückzuerobern. Diese liege beim HSV im Schnitt unter fünf Sekunden.

Walter lässt sich durch seine Kritiker nicht von seinem Weg abbringen. Doch auch er weiß, dass er schnell wieder Siege braucht, um die Zweifel nicht größer werden zu lassen. Für den Trainer spricht, dass er in seiner Zeit beim HSV schon mehrfach gezeigt hat, sich aus schwierigen Situationen befreien zu können.

Tim Walter befreite sich schon mehrfach aus kritischen Phasen

So wie in der Hinrunde, als der HSV auf drei sieglose Spiele mit einem 3:2-Sieg in Paderborn antwortete. Oder wie vor fast genau einem Jahr, als der HSV mit einer 1:2-Heimniederlage gegen Paderborn in den April startete und der Aufstieg verspielt schien. Dann holten die Hamburger in den letzten sechs Spielen sieben Punkte auf St. Pauli auf.

Und diesmal? Aktuell sind es nur noch sechs Punkte Vorsprung auf den Stadtrivalen, nachdem es vor acht Wochen noch 17 waren. „Mich interessiert nicht, was hinter uns liegt“, sagt Walter in Richtung St. Pauli. Im Vergleich zu den Vorjahren steht der HSV nach 26 Spieltagen mit 50 Punkten immer noch so gut da wie zuvor nur in der ersten Zweitligasaison 2018/19. Damals folgten aus den letzten acht Spielen aber nur noch sechs Punkte.

Ein Einbruch wie in jener Saison, als bis zum letzten Spieltag kein Sieg mehr gelang, ist aktuell zwar nicht zu befürchten. Beim Blick auf die kommenden Wochen (Hannover, Kaiserslautern, St. Pauli) wird aber deutlich, dass die Zeit der unnötigen Punktverluste vorbei sein muss.

Walters Schlussplädoyer in Richtung Mannschaft: „Jeder muss seine Verantwortung dem Team gegenüber haben. Das ist das Entscheidende. Es geht darum, seinen Job zu erledigen. Das hat sowohl der eine als auch der andere nicht gemacht.“