Hamburg. Die Trainer des HSV und des SC Paderborn kennen sich schon lange. Am Sonntag treffen sie sich als Gegner – nicht zum ersten Mal.
Wenn im Büro von Lukas Kwasniok das Licht ausgeht, beginnt die Zeit von Fabius. Runde um Runde dreht der kleine Freund des Fußballlehrers dann. Er läuft und läuft und läuft. Fabius ist ein Hamster und seit acht Wochen ein fester Bestandteil im Leben des Trainers vom SC Paderborn. Und seit Fabius in Kwasnioks Trainerkabine durch sein Hamsterrad rennt, läuft es sportlich richtig gut für den SCP.
Am Sonntag könnte der kleine Club aus Ostwestfalen mit einem Heimsieg gegen den HSV womöglich sogar die Tabellenführung der Zweiten Liga übernehmen. Die Stimmung in Paderborn ist in jedem Fall prächtig – auch dank Fabius. „Ein Haustier zu haben macht die ganze Atmosphäre lockerer“, sagt Kwasniok, als er dem Abendblatt verbunden ist, um im Podcast „HSV – wir müssen reden“ über das Spiel gegen seinen ehemaligen Trainerkollegen Tim Walter zu sprechen.
Ex-HSV-Scout Wohlgemuth schenkte Paderborn-Trainer Kwasniok Hamster
Der frühere Nachwuchs-Chefscout des HSV und heutige Sportchef des SC Paderborn, Fabian Wohlgemuth, hatte Kwasniok im Podcast nach dessen Hamster gefragt. Und der 41-Jährige erzählte ungewöhnlich offen von seinem ungewöhnlichen Mitbewohner. „Meine Frau und meine Tochter haben mich überrascht mit einem Käfig, da war ein Hamster drin. Wir versuchen normal zu sein. Fabius und Fabian sind jetzt immer an meiner Seite“, sagt Kwasniok, der von Fabian Wohlgemuth im Sommer 2021 als Nachfolger von Steffen Baumgart verpflichtet wurde.
Es war kein leichtes Erbe, schließlich hatte Baumgart den SCP von den Abstiegsrängen der Dritten Liga innerhalb von zwei Jahren in die Bundesliga geführt, ehe er zum 1. FC Köln wechselte. Doch Kwasniok, der zuvor Carl Zeiss Jena und den 1. FC Saarbrücken trainierte und auch dem HSV empfohlen wurde, bevor Walter in den Volkspark kam, hat es geschafft, dass in Paderborn kaum noch jemand von Baumgart spricht.
HSV-Trainer Walter half Kwasniok bei der Einarbeitung in Karlsruhe
„Erfolg hilft dir, eine Akzeptanz zu finden. Es ist hier eine Symbiose zwischen mir und den Menschen entstanden“, sagt Kwasniok, der nach dem Sieg gegen Werder Bremen im DFB-Pokal vor einer Woche Besuch von Baumgart bekam. Auch Hamster Fabius war dabei. „Wir haben uns nach dem Spiel gegen Werder in der Trainerkabine getroffen und kurz angestoßen. Baumi hat hier einen Heldenstatus. Er ist jederzeit willkommen“, sagt Kwasniok.
Willkommen heißt er am Sonntag auch seinen früheren Kollegen Tim Walter. Mit dem HSV-Trainer, dessen Nachfolger bei Holstein Kiel er vor drei Jahren beinahe geworden wäre, hat Kwasniok in der Jugend des Karlsruher SC 2014 zusammengearbeitet. Walter betreute damals die U19 des KSC und half Kwasniok bei der Einarbeitung. „Wir saßen in einem Büro. Ohne ihn wäre es deutlich schwieriger geworden, beim KSC so schnell Fuß zu fassen“, sagt Kwasniok.
„Tim hat sich sehr um mich bemüht, dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Ich weiß, dass er in der Öffentlichkeit recht harsch rüberkommt. Ich habe ihn aber als sehr angenehmen Menschen kennengelernt. Trotzdem werfen wir uns am Sonntag 90 Minuten Dinge an den Kopf. Danach nehmen wir uns wieder in den Arm.“
Beim U-17-Duell gerieten Kwasniok und Walter aneinander
Dass die beiden Trainer an der Seitenlinie ihre gesamte Emotionalität ausleben, konnten schon die Zuschauer des U-17-Duells zwischen dem KSC und dem FC Bayern München vor acht Jahren miterleben. Walter, der gerade erst aus Karlsruhe nach München gewechselt war, legte sich mit Kwasniok an. Der Schiedsrichter schickte beide Trainer auf die Tribüne.
Für Walter war das aber kein Nachteil. „Tim ist so groß, dass er hinter der Bank stehen konnte. Ich bin leider kleiner und dafür breiter“, erzählt Kwasniok und lacht. Das Spiel endete damals 5:2 für den KSC. Auch am Sonntag dürften wieder viele Tore fallen.
Kwasniok verspricht für Sonntag ein "Spektakel"
Anders als im April, als sich Paderborn beim 2:1-Auswärtssieg im Volksparkstadion „eingeigelt“ habe, will Kwasniok nun wieder munter mitspielen gegen die ebenfalls offensiv ausgerichteten Hamburger. „Die Zuschauer können sich auf ein total offenes Spiel freuen. Der HSV wird froh sein, nicht wieder einen tiefen Abwehrblock knacken zu müssen. Ich hoffe, dass es kein Mittelfeldgeplänkel wird. Spektakel ist garantiert“, sagt Kwasniok, dessen Mannschaft in dieser Saison schon fast doppelt so viele Tore (32) geschossen hat wie der HSV (19).
Vor zwei Monaten gewann Paderborn sein Heimspiel gegen Holstein Kiel sogar mit 7:2. Es war die erste Partie seit dem Einzug von Hamster Fabius in Kwasnioks Büro. Auch gegen den HSV soll der kleine Wühler wieder Glück und Tore bringen. „Wir arbeiten in einer Unterhaltungsbranche. Da sind Tore das Salz in der Suppe“, sagt Kwasniok, der auch in dieser Hinsicht ähnlich tickt wie Tim Walter.
HSV-Kapitän Schonlau fehlt, Rohr hat gewechselt
Obwohl er die Spielidee seines ehemaligen Kollegen gut kennt, sei es nicht leicht, sich darauf einzustellen. „Tim hat seine Spielweise perfektioniert. Einerseits ist es klar, was auf dich zukommt. Andererseits sind die Abläufe so automatisiert, dass es trotzdem schwer ist, alles zu verteidigen. Wenn Tim eines geschafft hat neben den Automatismen mit Ball, ist es, den Jungs eine Leidenschaft mit auf den Platz zu geben. Und so verteidigt der HSV auch.“
Ohne Kapitän Sebastian Schonlau, der ausgerechnet in seiner Heimat rotgesperrt zuschauen muss, haben die Hamburger zuletzt aber zehn Gegentore in drei Spielen kassiert. Gut gebrauchen könnte der HSV jetzt Maximilian Rohr, doch der wollte kurz vor Ende der Transferperiode nach Paderborn wechseln, weil ihn sein früherer Coach Kwasniok auf seiner bevorzugten Position in der Abwehr einsetzt.
- Hrubesch sortierte ihn aus: Nun glänzt Glissmann beim SVR
- 2000 Euro: Sogar Amateurkicker haben einen "Marktwert"
- Nach Doppelausfall: Stellt Schultz die Abwehr dauerhaft um?
Beim HSV plante ihn Walter im offensiven Mittelfeld ein. „Maxi hat gemerkt, dass es eng für ihn wird, wenn Suhonen, Benes und Kittel alle fit sind. Wir hatten hinten Bedarf. So kam eines zum anderen“, sagt Kwasniok, der Rohr 2019 ein halbes Jahr lang in Jena trainierte.
In der Karlsruher Jugend hatten sich Rohr und Kwasniok knapp verpasst, weil Rohr dort aufgrund seiner geringen Größe aussortiert wurde. Über die Nachwuchsarbeit in Deutschland äußert sich Kwasniok heute extrem kritisch. „Wir nehmen den Spielern alle Hindernisse aus dem Weg. Die Jungs werden verhätschelt, sie müssen nicht mehr beißen“, sagt Kwasniok, der deswegen als Spieler bei Arminia Bielefeld den Durchbruch nicht geschafft habe.
Kwasniok reflektiert kritisch über seine Karriere
„Ich habe zu schnell zu viel Geld verdient als Jungprofi. Du gewöhnst dich an die Bequemlichkeit. Ich bin ein Paradebeispiel für einen fußballerischen Versager“, sagt Kwasniok und lacht erneut.
Als Trainer geht er heute einen anderen Weg, auch wenn es schwer sei, nicht in das Hamsterrad zu geraten. „Man vergisst heute schnell mal, wie gut es einem geht. Wenn der Fußball bei mir dazu führt, dass ich mich aalglatt mache, werde ich ihn verlassen.“ Doch das hat Kwasniok nicht vor. Und wenn er doch mal abheben sollte, wird ihn Hamster Fabius wieder erden.