Hamburg. Trotz der Niederlage für die Staatsanwaltschaft könnte es zu einer Verhandlung für den Hamburger Offensivspieler kommen.
Es läuft wieder bei Bakery Jatta. Der Flügelstürmer des HSV konnte in dieser Woche erstmals seine Laufschuhe anziehen und eine lockere Joggingeinheit absolvieren. Rund sechs Wochen nach seiner schweren Muskelverletzung im Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC kämpft sich der Gambier Schritt für Schritt zurück. Die ersten Saisonspiele wird Jatta aufgrund seines multiplen Muskelbündelrisses allerdings noch verpassen.
Bakery Jatta: Identitätsdebatte um HSV-Profi beendet
Auch abseits des Platzes läuft es für den 24-Jährigen. Rund drei Jahre nach dem Beginn der Debatte über seine Identität könnte der Fall Jatta nun endgültig zu den Akten gelegt werden. Am Freitag wurde bekannt, dass das Hamburger Landgericht die Beschwerde der Hamburger Staatsanwaltschaft im Strafverfahren gegen Jatta als unbegründet verworfen hat.
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Im März hatte das Amtsgericht Altona zunächst entschieden, nach der Anklage der Staatsanwaltschaft ein Hauptverfahren aufgrund mangelnder Beweise abzulehnen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen den Amtsrichter Volker Stegmann gestellt und eine Beschwerde wegen eines Verfahrensfehlers eingereicht – ohne Erfolg.
Jatta wurde vorgeworfen, bei der Einreise nach Deutschland im Jahr 2015 falsche Angaben zu seiner Identität gemacht zu haben. Er sei in Wahrheit Bakary Daffeh und zwei Jahre älter. Doch auch zweieinhalb Jahre nach Beginn der Ermittlungen konnte der Vorwurf nicht bewiesen werden. „Die Staatsanwaltschaft ist mit der Beschwerde krachend gescheitert“, sagte Jattas Anwalt Thomas Bliwier dem Abendblatt in einer ersten Reaktion.
Wirbel um unterschiedliche Namen von Jattas Mutter
Zu einem Hauptverfahren vor dem Amtsgericht Altona könnte es trotzdem kommen, wie Staatsanwältin Liddy Oechtering am Freitag bestätigte. Jatta wird nun vorgeworfen, in zwei Fällen unterschiedliche Angaben zum Namen seiner Mutter gemacht zu haben. Das geht aus dem 16-seitigen Beschluss des Landgerichts hervor, der dem Abendblatt vorliegt.
Aufgrund des geringen Tatvorwurfes ist aber noch unklar, ob und vor allem wann es wirklich zu einem Gerichtsverfahren kommt. „Wenn wir über diese zwei Punkte wirklich noch verhandeln, sehe ich einem Verfahren gelassen entgegen“, sagt Bliwier.
Es sieht also alles danach aus, als könne sich Jatta nun ganz auf sein sportliches Comeback beim HSV fokussieren.
Die Chronologie im Fall Bakery Jatta
- 7. August 2019: Die „Sport Bild“ fragt auf ihrem Titel: „Spielt HSV-Star Jatta mit falscher Identität?“ Der Verdacht: Er heißt in Wahrheit Bakary Daffeh und ist am 6. November 1995 geboren – und nicht am 6. Juni 1998. Der 1. FC Nürnberg legt noch am gleichen Tag Einspruch gegen das 0:4 ein. 8. August 2019: „Bild“ titelt: „Jatta drohen 5 Jahre Haft und die Abschiebung“. 13. August 2019: Das Bezirksamt Hamburg-Mitte bittet Jatta bis zum 23. August um eine Stellungnahme. 15. August 2019: Jatta fliegt mit den HSV-Chefs nach Frankfurt, wo er beim DFB vorsprechen muss. 19. August: 2019: Nach Nürnberg unternimmt auch Bochum juristische Schritte. 25. August: In Karlsruhe wird Jatta ausgepfiffen und rassistisch beleidigt. Auch der KSC legt Einspruch ein.
- 30. August 2019: Jattas Anwalt Thomas Bliwier (hatte eine Fristverlängerung beantragt) reicht beim Bezirksamt Unterlagen ein, die die Identität Jattas beweisen sollen: einen gültigen Reisepass sowie eine von gambischen Behörden beglaubigte Geburtsurkunde und die eidesstattliche Versicherung eines zuständigen Beamten.
- 2. September 2019: Die Ermittlungen des Bezirksamts gegen Jatta werden eingestellt. Daraufhin ziehen die drei Zweitligaclubs ihre Einsprüche zurück.
- 20. September 2019: „Bild“ berichtet, dass sich Jatta mit einer Daffeh-E-Mail-Adresse 2015 bei den Behörden angemeldet habe. 17. Oktober 2019: Die Bremer Staatsanwaltschaft schließt die Akte Jatta.
- 8. Januar 2020: Die Staatsanwaltschaft Hamburg eröffnet – was erst später bekannt wird – ein Ermittlungsverfahren, nachdem es einen anonymen Brief der „Gemeinschaft Besorgter Bürger“ mit einer Strafanzeige gegen den HSV, den damaligen Trainer Dieter Hecking und den DFB gegeben hatte. Im Zuge der anschließenden Ermittlungen fallen den Behörden Kontakte Jattas zu Fußballern aus dem Senegal, Gambia und Nigeria auf, die früher auch mit Daffeh in Verbindung gestanden haben sollen. 20. Februar 2020: Jatta äußert sich im Vereinsmagazin „HSV live“ zu den Vorwürfen: „Ich wurde öffentlich an den Pranger gestellt. Aber wofür? Was hatte ich verbrochen? Ich habe mich gefühlt, als wollte man mich wegsperren, mich ins Gefängnis stecken.“ Und: „Zu Hause ist da, wo man Frieden findet. Und ich habe hier meinen Frieden gefunden.“
- 2. Juli 2020: Unliebsamer Besuch für Jatta in seiner Wohnung: Die Staatsanwaltschaft führt eine Hausdurchsuchung durch. Ihm wird der „Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz“ vorgeworfen. Mehrere elektronische Datenträger Jattas wie ein Handy und ein Laptop werden sichergestellt.
- 10. Juli 2020: HSV-Ultras vom Fanprojekt „Nordtribüne Hamburg“ fordern ein Ende der Ermittlungen und „die Rückgabe aller beschlagnahmten Geräte“.
- 27. Juli 2020: Bliwier bezeichnet die Vorwürfe als „zu Unrecht erhoben“ und erwartet die Einstellung des Verfahrens.
- 7. Mai 2021: Die Uni Freiburg veröffentlicht ein von der Hamburger Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass Jatta und Daffeh mit hoher Wahrscheinlichkeit dieselbe Person seien.
- 11. August 2021: Bliwier fordert die Behörden auf, endlich auch in Gambia zu ermitteln, wenn man denn weiterhin Verdacht gegen seinen Mandanten hege.
- 6. Dezember 2021: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Jatta.
- 8. März 2022: Das Amtsgericht Hamburg-Altona lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Damit gilt Jatta offiziell als unschuldig.
- 14. März 2022: Die Staatsanwaltschaft legt Beschwerde gegen den richterlichen Beschluss ein.
- 6. April 2022: Das Amtsgericht lehnt ein Befangenheitsgesuch der Staatsanwaltschaft gegen Richter Volker Stegmann ab.
- 8. Juli 2022: Das Hamburger Landgericht lehnt die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ab. Zu einem Verfahren in der Identitätsdebatte wird es somit nicht kommen. Weitere Rechtsmittel sind ausgeschlossen. Jatta ist Jatta.