Hamburg. HSV-Profi muss keine Anklage mehr befürchten – Verlierer ist die Staatsanwaltschaft. Hilft uns Jatta bei einer Mammutaufgabe?
Eine quälend lange Zeit der Ungewissheit und des Bangens ist für Bakery Jatta endlich beendet. Zweieinhalb Jahre ist es nun schon her, dass nach einem Medienbericht Zweifel an der Identität des Gambiers aufkamen. Am Dienstag nun zog das Amtsgericht Hamburg-Altona einen Schlussstrich und teilte mit, dass es sich ausermittelt habe. Gegen Jatta, dem von der Staatsanwaltschaft Vergehen gegen das Aufenthaltsgesetz und eine (mittelbare) Falschbeurkundung vorgeworfen wurden, läge kein hinreichender Tatverdacht vor. Punkt.
Riesige Erleichterung bei Jatta. Und große Freude sowohl bei den HSV-Anhängern, die sich von Anfang an solidarisch mit dem 23 Jahre alten Fußballprofi erklärt hatten, als auch beim HSV, der ein Störfeuer weniger im Aufstiegskampf in der Zweiten Liga befürchten muss.
Fall Jatta: Verlierer ist die Staatsanwaltschaft
Die Verliererrolle in diesem finalen Akt übernimmt dagegen die Staatsanwaltschaft, die den Namen Jatta in einer öffentlichen Mitteilung nur noch in Tüttelchen setzte, aber offenbar ihre Hausaufgaben nicht ordentlich erledigte und stattdessen mit offensichtlich schlampiger Arbeit unhaltbare Vorwürfe erhoben und dem Menschen Jatta damit weiteren Schaden zugefügt hatte. Ein peinlicher Vorgang, und zwar mit Ansage. Schließlich konnte Jatta schon vor Monaten alle amtlichen Dokumente vorlegen.
Den Fall Jatta, der 2015 über die Sahara, das Mittelmeer und Italien aus dem westafrikanischen Staat Gambia flüchtete und zunächst in Bremen aufgenommen wurde, isoliert von der jetzigen dramatischen Lage in Europa zu betrachten, ist hingegen praktisch unmöglich.
Was wir aus dem Fall Jatta lernen
Flüchtling Jatta hatte damals das Glück, dass sein fußballerisches Talent früh entdeckt wurde. Schon im Januar 2016 spielte er beim HSV vor und unterschrieb nach seinem 18. Geburtstag im Juni einen Profivertrag. Der Fremde mit der anderen Hautfarbe konnte hier in Hamburg viele neue Freunde finden.
Was uns das lehrt? Der Sport entfachte erstens – wie so oft – seine integrative Kraft und legte die Basis dafür, dass Jatta heute mitten in unserer Gesellschaft steht. Schon klar, Jatta ist kein Cristiano Ronaldo. Aber: Sein Schicksal bewegte viele Menschen, auch bundesweit.
Sein Lebensweg könnte deshalb zweitens nun einen kleinen Beitrag dabei leisten, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen nicht in eine Abwehrhaltung gegenüber jenen verfallen, die aus der Ukraine zu uns kommen werden. Sie brauchen mit Sicherheit noch mehr Hilfe, als sie Jatta damals zuteilwurde.
Fall Jatta: HSV-Fans verdienen Respekt
Vielen vor dem Krieg Flüchtende steht im Vergleich zu Jatta wohl ein beschwerlicherer Weg bevor, weil sie nicht so zügig eine neue Gemeinschaft und in der Folge ein neues Zuhause finden dürften. Und ob sie schnell in unserer Bevölkerung als neue Mitglieder akzeptiert werden? Abwarten.
Bleiben wir deshalb noch kurz bei den HSV-Fans. Dass sie Jatta so bedingungslos die ganze Zeit unterstützt haben, verdiente Respekt, kam aber nicht völlig überraschend. Man schützt eben seine „Familie“. Genau jetzt, in diesem Moment, sind allerdings alle Institutionen gefordert, die Initiative zu ergreifen und zu überlegen, wie sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Flüchtlingen helfen können. Das gilt auch für einen Verein wie den HSV, der mit Jatta öffentlichkeitswirksame Zeichen setzen könnte, auch in Richtung seiner Fans. Denn für sie gilt, nun genauso ein Herz für die Menschen zu zeigen, die keine Tore für den HSV schießen werden.
Dies alles, machen wir uns nichts vor, ist leicht geschrieben, wird allerdings eine Mammutaufgabe. Aber wenn es uns gelingt, möglichst viele Flüchtlinge mit klugen Konzepten zu integrieren, wäre dies die viel größere Schlagzeile als der Freispruch von Jatta.