Hamburg. Nach dem 1:0 gegen Hertha gab es viel Lob – auch vom geschlagenen Vereinsidol. Was nun für die Bundesliga-Rückkehr spricht.
Katharina Fegebank hatte vor knapp fünf Wochen im Abendblatt-Interview so eine fußballerische Vorahnung. "Vielleicht schafft der HSV ja das Wunder von der Elbe", orakelte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin (großer Werder-Bremen-Fan) zu einem Zeitpunkt, als ein Bundesliga-Aufstieg des HSV so wahrscheinlich war wie die Stadt Hamburg ohne Baustellen und Stau. Seit Donnerstagabend ist aber eben jenes Wunder von der Elbe ein Stück weit greifbarer. "Ich hab´s doch gesagt, zumindest geahnt. Jetzt zieht der HSV das Ding durch", twitterte die Grünen-Politikerin am Freitag.
HSV in der Relegation: Kapitän Schonlau warnt vor Rückspiel
Durch den verdienten 1:0-Sieg im Relegationshinspiel bei Hertha BSC hat sich die Mannschaft von Trainer Tim Walter eine hervorragende Ausgangslage für das Rückspiel am Montag (20.30 Uhr, im Liveticker bei abendblatt.de) im mit 57.000 Fans ausverkauften Volksparkstadion geschaffen. Der HSV ist nur noch ein Spiel davon entfernt, die Zweite Liga nach vier Jahren endlich zu verlassen. "Es ist schön, dass wir gewonnen haben. Am Montag geht es aber aufs Neue los. Da müssen wir erneut alles abrufen, um das Ding auf unsere Seite zu ziehen. Es gibt noch ein Spiel zu spielen. Es gibt kein Szenario, wo wir einfach aufhören können. Es ist noch nichts erreicht", warnt Kapitän Sebastian Schonlau (27).
Und doch genügte ein Blick auf die Bilder nach dem Spiel, um zu erahnen, wie die sportliche Großwetterlage vor dem Rückspiel ist. In der Westkurve feierten Zehntausende Hamburger Fans ihre Mannschaft. Die genaue Anzahl derer, die den Weg in die Hauptstadt gefunden haben, variierte auch am Tag nach dem Spiel noch zwischen 20.000 und 30.000. Doch egal, wieviele es letztlich waren: Heimspiel-Feeling hatte der HSV über die gesamten 90 Minuten.
HSV-Fans feiern nach Sieg in Berlin
"Es war Wahnsinn, so etwas habe ich noch nie erlebt. Es war gefühlt ein Heimspiel für uns. Es hat so Spaß gemacht. Man hat das auch bei unserem Spiel gegen Hannover, wo volle Hütte war, gemerkt. Es hat uns angefeuert. Es war die Energie, die wir aus den Fans gezogen haben", schwärmte Mittelfeldstratege Jonas Meffert (28). Noch Stunden nach dem Spiel verwandelten die HSV-Anhänger die Hauptstadt in eine einzige Partyzone.
Bei Spielern und Trainer ging es da etwas gesitteter zu. Die Freude war groß, wurde vor der HSV-Fankurve und kurz in der Kabine herausgelassen, ehe der Fokus auf die Regeneration gelegt wurde. Schließlich ist in der Relegation ja erst Halbzeit.
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Ganz anders ist die Stimmung derweil beim "Big City Club" aus Berlin. Unmittelbar nach dem Abpfiff stürmten Spieler und Trainer in die Kabine. Lediglich Abwehrspieler Niklas Stark traute sich vor die Ostkurve, wo die treuesten der treuen Hertha-Fans stehen. Sieht so ein Schulterschluss vor einem Spiel aus, das über Abstieg oder Klassenerhalt entscheidet? Eher nicht.
Schon seit dem verlorenen Stadtderby gegen Union Berlin (1:4) knallt es zwischen Fans und Spielern. Damals hatten die Ultras gefordert, dass die Spieler ihre Trikots abgeben, was einige Profis ob der Bedrohungslage auch gemacht hatten. Gegen den HSV versuchten die Berliner Fans aber, ihr Team lautstark zu unterstützen. Trotzdem verzichtete die Mannschaft auf den Gang in die Kurve. „Da ich immer gleich in die Kabine gehe, bekomme ich so etwas gar nicht mit. Das wundert mich jetzt ein bisschen", erklärte Trainer Felix Magath (67).
Vereins-Ikone Magath schwärmt von HSV-Defensive
Ganz und gar nicht verwundert war HSV-Ikone Magath über den Auftritt seiner großen Fußball-Liebe. Vor allem die Art und Weise, wie der HSV beim Noch-Bundesligaclub aufgetreten ist, war bemerkenswert. Nach einer eher unruhigen und zerfahrenen ersten Halbzeit, fand das Walter-Team zunehmend die Ruhe im eigenen Spiel. Die Folge: Der Tim-Walter-Ballbesitzfußball funktionierte auch gegen die "Alte Dame", die sich in 90 Minuten sechs mehr oder weniger gefährliche Torschüsse erarbeiten konnte.
"Der HSV hat wie ein Bundesligist gespielt. Wir aber auch. Der HSV hat eine der besten Defensiven der Zweiten Liga. Wir haben also nicht gegen jemanden gespielt, der hinten ein offenes Scheunentor hat. Daher bekommt man gegen solche Mannschaften nur wenige Gelegenheiten", sagte Magath.
Die Schmeicheleien des Kollegen nahm HSV-Trainer Walter eher gelassen zur Kenntnis. "Wenn man so mutig und voller Überzeugung spielt, wie wir, kommt der Gedanke auf", sagt Walter zwar, doch von einer Vorentscheidung im Kampf um die Bundesliga wollte der 46-Jährige dann doch nichts wissen. "Wir müssen so auftreten, wie wir es bereits die gesamte Saison über machen. Wir müssen die Fans mitnehmen, die tragen uns und die ganze Stadt ist euphorisiert. Das nehmen wir mit und darauf freuen wir uns", sagte Walter.
HSV-Vorstand Boldt verteidigt Tim-Walter-Fußball erneut
Auf jeden Fall fühlen sich Trainer, Spieler und auch Sportvorstand Jonas Boldt (40) darin bestärkt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Dass es sowohl intern als auch in der Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen über die Spielweise gab, interessiert in der sportlichen Führung niemanden. "Ich habe intern wenige Diskussionen darüber geführt – das ist unsere Art und Weise. So wollten wir auch spielen, bevor wir Tim Walter verpflichtet haben. Einige Aspekte wollten und haben wir verbessert. Für uns war es logisch, dass wir als Hamburger SV in der Zweiten Liga viel Ballbesitz haben. Dann mutig zu sein und in so einer Phase bereit zu sein, es durchzuziehen und sich nicht zu verstecken, weil der Kopf mitspielt – das ist ein Prozess. Ein Prozess, dem wir am Montag die Krone aufsetzen wollen", erklärte Boldt.
Daran glaubt auch die Mannschaft. Und so überraschste es auch nicht, dass die Spieler zumindest eine kleine Kampfansage in Richtung Hertha BSC richteten. Das Ziel, dass sie klarer denn je vor Augen haben, heißt Bundesliga: "Das wollen wir und der Verein. Der Verein gehört dahin."
Das sehen im Hamburger Rathaus ganz sicher auch Bürgermeister Peter Tschentscher und Fußball-Orakel Katharina Fegebank so.