Hamburg. In Rostock stand der Gambier einst erstmals in der HSV-Startformation. Vor seiner Rückkehr hat er uns ein seltenes Interview gegeben.
An den 15. Juli 2016 kann sich Bakery Jatta nur noch erinnern, wenn er die Fotos sieht. Freitagabend, Ostsee-Stadion, 11.200 Zuschauer. Der Gambier war dabei, als der HSV das bislang letzte Mal in Rostock spielte. Mehr noch. Für Jatta war es das erste Spiel für den HSV von Beginn an. Der damalige Trainer Bruno Labbadia ließ den Neuzugang im Mittelfeld zusammen mit Gotoku Sakai, Aaron Hunt und Luca Waldschmidt spielen. „Auf Rechtsaußen zeigte der 18 Jahre alte Gambier, dass er ein spannendes Projekt, aber noch lange keine Verstärkung ist“, schrieb das Abendblatt über Jattas Testspiel-Auftritt.
Sechs Jahre später, am 15. Mai 2022, wird Jatta wieder mit dem HSV bei Hansa Rostock spielen (Sonntag, 15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf Abendblatt.de). Diesmal ist es kein Testspiel, sondern das möglicherweise entscheidende Spiel um den Aufstieg. Und Jatta ist für den HSV schon lange kein Projekt mehr, sondern ein großer Hoffnungsträger, dass es im vierten Anlauf klappt mit der Rückkehr in die Bundesliga, in der Jatta 2016 mit den Hamburgern noch gespielt hat.
HSV-Profi Jatta spielt beste Saison seiner Karriere
„Ich bin stolz und froh, dass ich in den vergangenen sechs Jahren so viele Spiele für den HSV machen konnte“, sagt Jatta am Donnerstag nach dem Training, drei Tage vor der Rückkehr an den Ort, an dem er sich erstmals vor einem Fernsehpublikum präsentieren konnte. Der 23-Jährige beantwortet die Fragen des Abendblatts.
Er gibt eigentlich nicht gerne Interviews und spricht nach wie vor lieber auf Englisch, weil er sich dann wohler fühlt. Und Jatta fühlt sich im Moment sehr wohl beim HSV. Beim 2:1-Sieg gegen Hannover 96 vor einer Woche im ausverkauften Volksparkstadion bereitete der Flügelstürmer beide Tore durch Robert Glatzel mit perfekt getimten Hereingaben vor. Es waren die Vorlagen acht und neun für Jatta in dieser Saison.
Damit hat er seinen Bestwert aus der vergangenen Saison mehr als verdoppelt. Hinzu kommen drei Tore. Zwölf Scorerpunkte sind ebenfalls persönlicher Rekord für den HSV-Profi, der sich in den vergangenen Jahren immer ein Stück weiterentwickelt hat. Statistisch gesehen spielt Jatta die beste Saison seiner HSV-Geschichte.
„Zumindest zeigen dies die Statistiken, daher kann man das vielleicht so sagen“, sagt Jatta, der eine simple Erklärung für seine Steigerung hat: „Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Wir haben unter anderem häufig den letzten Pass mit dem Trainerteam trainiert.“
Glatzel dankbarer Abnehmer von Jattas Flanken
Vor allem Glatzel profitiert von den verbesserten Hereingaben. Schon fünfmal servierte Jatta diese Saison mit seinen Bällen von rechts für seinen Partner. „Bobby ist ein sehr guter Stürmer mit einem super Kopfballspiel. Er antizipiert sehr gut. Ich muss den Ball nur in die Mitte bringen, und er macht ihn rein. Unser Zusammenspiel klappt immer besser“, sagt Jatta. Und immer wenn es klappt, strecken sie beim Jubeln ihre Zeigefinger in die Höhe und gucken in den Himmel.
„Bobby hatte die Idee. Wir haben dann vereinbart, diese Geste zu machen, wenn wir an einem Tor beteiligt sind.“ Glatzel erklärte nach seinem Hannover-Doppelpack: „Wir bedanken uns oben beim lieben Gott.“ Der Jubel ist mittlerweile so einstudiert wie ihr Zusammenspiel: „Es sind genau unsere Abläufe. Baka weiß, wohin der Ball kommen muss, ich weiß, wo er versucht ihn hinzuspielen“, sagte Glatzel.
Dank des erfolgreichen Duos darf der HSV weiter vom Aufstieg träumen. Auch Jatta würde gerne wieder in der Bundesliga spielen. Im April 2017 hatte er bei der 1:2-Niederlage bei Werder Bremen sein Erstligadebüt gefeiert. „Jeder Fußballer will in der Ersten Liga spielen. Aber bevor wir träumen, müssen wir erst einmal hart arbeiten“, sagt Jatta und richtet den Fokus auf das Rostock-Spiel. „Es wird kein einfaches Spiel. Wir müssen unser Spiel machen und versuchen, wieder bis zum Ende alles zu geben.“
Jatta nennt Derbytor als emotionalsten Moment
So wie es Jatta immer macht. Und wie es auch seine Mannschaft in dieser Saison macht. „Wir haben definitiv einen besonderen Teamgeist. Wir sind immer füreinander da, wir kämpfen zusammen und geben nie auf. Das kann jeder sehen“, sagt Jatta, der neben Ersatztorhüter Tom Mickel als einziger HSV-Spieler in allen vier Zweitligajahren dabei war. Am 10. November 2018 hatte er beim 3:1-Sieg bei Erzgebirge Aue sein erstes Tor geschossen.
Ein echtes Highlight war in dieser Saison sein Siegtreffer zum 2:1 im Stadtderby gegen den FC St. Pauli im Januar. Ob das sein schönster HSV-Moment war? „Mein erstes Profitor war der größte Moment für mich, aber das 2:1 gegen St. Pauli war der wichtigste Treffer, weil es das Siegtor im Derby war.“
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Jatta kann die Fans mit seinen Tempoläufen begeistern, sie mit Ballverlusten wie vor den Gegentoren gegen Paderborn und in Kiel aber auch zur Verzweiflung treiben. Im Moment genießt er es, sich einfach nur auf Fußball zu konzentrieren. Vor dem Hinspiel gegen Rostock im Dezember war bekannt geworden, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen ihn Anklage erhebt. Der Vorwurf: Vergehen gegen das Aufenthaltsgesetz.
Nachdem das Amtsgericht Altona ein Gerichtsverfahren Anfang März abgelehnt hat, legte die Staatsanwaltschaft zwar erneut Rechtsmittel ein, doch es sieht so aus, als könnte die lange Debatte um seine Identität enden.
Jatta ist glücklich, dass er einfach nur über Fußball und den HSV sprechen kann. Und er ist glücklich im Volkspark, auch wenn es mit dem Aufstieg nicht klappen sollte. „Ich liebe den HSV. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit“, sagt er. Dass er das auch so meint, merkt man, als er zum Abschluss auf Deutsch sagt: „Ich fühle mich einfach wohl.“